Westliche Investoren, die sich in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion geschäftlich betätigen wollen, beklagen oft Rechtsunsicherheit und Willkür staatlicher Behörden vor Ort. Unser Experte Richard Happ, der als Rechtsanwalt in Hamburg arbeitet, schreibt in der DAZ über den Schutz von Investoren in der Ukraine.

Die Abschaffung der Sonderwirtschaftszonen in der Ukraine letztes Jahr sowie die unsichere Rechtslage hinsichtlich der Privatisierungen haben Besorgnis unter ausländischen Investoren ausgelöst. Presseberichten zufolge wurden geplante weitere Investitionen vorerst auf Eis gelegt.

Deutsche Unternehmen brauchen jedoch nicht befürchten, gegenüber solchen staatlichen Maßnahmen schutzlos dazustehen. Es ist wenig bekannt, dass sie aufgrund des deutsch-ukrainischen Vertrages über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen, dem sogenannten „Investitionsschutzvertrag“, staatliches Handeln der Ukraine von einem neutralen internationalen Schiedsgericht überprüfen lassen können. Maßstab für die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns sind dabei die Bestimmungen des Investitionsschutzvertrages.

Auch Verträge mit dem Staat sind geschützte Kapitalanlage

Durch den Investitionsschutzvertrag sind Vermögenswerte jeder Art geschützt, die deutsche Investoren in der Ukraine kontrollieren. Hierzu gehören z.B. das Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen, Gesellschaftsanteile, Rechte des geistigen Eigentums sowie vertragliche oder gesetzliche Rechte „zur Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit“. Auch mit dem Staat geschlossene Verträge z.B. zum Bau von Autobahnen oder Kraftwerken können eine geschützte Kapitalanlage darstellen. Verboten sind entschädigungslose Enteignungen und enteignungsgleiche Maßnahmen, Einschränkungen des Kapitaltransfers, diskriminierende und willkürliche Einschränkungen der Verwendung oder Nutzung von Investitionen sowie unbillige und ungerechte Handlungen. Darüber hinaus ist die Ukraine verpflichtet, deutschen Investitionen vollen Schutz und Sicherheit zu gewähren, z.B. vor Schäden durch Demonstranten oder streikenden Arbeitern, und nicht schlechter zu behandeln als Investitionen eigener Staatsbürger und der Investoren aus Drittstaaten. Verletzt die Ukraine diese Verpflichtungen und schädigt dadurch einen deutschen Investor, so stehen diesem nicht nur unmittelbar Schadensersatzansprüche gegen die Ukraine zu. Er hat das Recht, die Streitigkeit einem neutralen internationalen Schiedsgericht zu unterbreiten. Dies gilt auch dann, wenn der Staat nicht sein Vertragspartner ist und Streitgegenstand eine behördliche Maßnahme oder ein staatliches Gesetz ist. Schiedsverfahren können üblicherweise – und so auch im Fall der Ukraine – vor dem International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID) in Washington durchgeführt werden.

Erweiterter Schutz für internationale Verträge

Die Schiedssprüche des ICSID sind in 142 Staaten der Welt wie letztinstanzliche innerstaatliche Urteile vollstreckbar. Ähnliche Verträge bestehen zwischen Deutschland und fast allen Staaten Mittel- und Ost-europas.

In den letzten Jahren haben ausländische Investoren, allerdings nicht deutsche Unternehmen, auf der Basis von Investitionsschutzverträgen ihrer Heimatstaaten Schiedsverfahren u.a. gegen Polen, Bulgarien, die Slowakei, Ungarn, Tschechien, Lettland und gegen die Ukraine eingeleitet. Bekannt wurde das Verfahren CME gegen Tschechien, das mit einem Schiedsspruch zu Gunsten der Klägerin in Höhe von ca. 350 Mio. US-Dollar endete. Deutsche Unternehmen haben bisher Klagen gegen Argentinien (wegen der Maßnahmen während der Wirtschaftskrise) sowie gegen die Philippinen eingeleitet. Insgesamt sind vor dem ICSID zur Zeit 89 Fälle von Investoren aus aller Welt gegen Staaten Mittel- und Südamerikas, Asien sowie Ost- und Mitteleuropas anhängig.

Die in diesen Fällen bisher ergangenen Schiedssprüche haben den weiten Schutz deutlich gemacht, den Investitionen unter – den deutschen Investitionsschutzverträgen vergleichbaren – Verträgen genießen. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung, Investoren „billig und gerecht“ zu behandeln, wird in unklarem und widersprüchlichem staatlichen Handeln gesehen, das nicht den berechtigten Erwartungen der Investoren entspricht. Enteignungsgleiche und damit entschädigungspflichtige Maßnahmen können auch dann vorliegen, wenn durch staatliche Umweltschutzmaßnahmen das unternehmerische Handeln faktisch unmöglich wird. Diskriminierende – und damit verbotene – Maßnahmen werden auch dann angenommen, wenn ausländische und inländische Investoren zwar rechtlich gleich behandelt, faktisch aber ausländische Investoren schlechter gestellt werden. Die Verpflichtungen der Investitionsschutzverträge sind grundsätzlich auch auf steuerliches Handeln des ausländischen Staates anwendbar. Letztlich haben Schiedsgerichte auch dann ihre Zuständigkeit bejaht, wenn der Investor sich in einem Vertrag mit dem Staat auf die ausschließliche Zuständigkeit innerstaatlicher Gerichte geeinigt hatte.

Schadenersatz bei Verstoß gegen die Gesetze

Verstößt eine staatliche Handlung, ob vom Parlament erlassenes Gesetz oder z.B. die Entscheidung einer staatlichen Regulierungsbehörde, gegen die Verpflichtungen unter dem Investitionsschutzvertrag, ist der Staat zum Schadenersatz verpflichtet. Wenn ein Staat daher bestehende Regelungen wie Steuervergünstigungen entgegen ursprünglicher Zusagen streicht oder Privatisierungen rückgängig macht, kann ein Schadenersatzanspruch des ausländischen Investors bestehen.

Deutsche Unternehmen, die in der Ukraine investiert haben, sind daher gegen mögliche politische Risiken durch das Handeln der neuen Regierung gut geschützt. Kommt es tatsächlich zu Schädigungen und zum Streit mit der ukrainischen Regierung, sollte frühzeitig geprüft werden, ob Ansprüche unter dem Investitionsschutzvertrag bestehen. Zum einen kann unüberlegtes Handeln vor staatlichen Gerichten zum Verlust etwaiger Ansprüche führen. Zum anderen zeigt die Erfahrung, daß der Schatten eines drohenden Schiedsverfahrens die Einigungsbereitschaft staatlicher Stellen fördert.

Von Richard Happ

23/06/06

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