„Raiffeisen“ ist eine weltbekannte Marke und auch in Kirgistan als Genossenschaftsverbund ein Begriff. Mit „Aschara“ haben die Kirgisen aber auch ihre ganz eigene Tradition genossenschaftlichen Wirtschaftens.

Ein Beispiel der deutsch-kirgisischen Zusammenarbeit ist verbunden mit dem weltbekannten deutschen Genossenschaftsverbund Raiffeisen. Dieser leistet bereits seit 15 Jahren Hilfe beim Aufbau von Genossenschaften im kirgisischen Landwirtschaftssektor. So wurden unter Mitwirkung des Verbunds in Kirgistan die ersten Kreditvereine gegründet, seit dem Jahr 2003 auch Handels- und Produktionsgenossenschaften. Ziel des Projekts war die Bereitstellung von Garantien und das Einbeziehen kirgisischer Banken in die Finanzierung der Tätigkeit von Genossenschaften. Insgesamt wurden 80 Genossenschaften finanziert, die sich mit der Lagerung von Obst und Gemüse, der Herstellung von Filzprodukten und der Bereitstellung von Landwirtschaftstechnik befassten.

Worin aber bestand die deutsch-kirgisische Zusammenarbeit? Die kirgisischen Genossenschaften verfügten in ihrer Mehrzahl zu Beginn nicht über Sicherungseigentum, das von finanziellem Interesse für die Banken gewesen wäre. In dieser Situation stellte der Raiffeisenverbund anstelle von Sicherheiten finanzielle Garantien ohne Zinsen zur Verfügung. Dies war in diesem Bereich eine Neuheit. Mit der Zeit entstand in Kirgistan unter Mitwirkung des deutschen Verbundes der Fonds „Raiffeisen-Kirgistan“. Dabei bestand die deutsche Seite darauf, dass die neue Organisation den Begriff „Raiffeisen“ in ihren Namen integrierte, da er für deutsche Unternehmer vertraut war und zudem mit einer weltbekannten Marke assoziiert wird, die sich bereits Vertrauen unter möglichen Geschäftspartnern erkämpft hat.

Friedrich Wilhelm Raiffeisen: Gründer einer Bewegung

Der Begriff „Raiffeisen“ geht auf eine historische Person zurück. In der Mitte des 19. Jahrhunderts lebte im Westen Deutschlands ein Kommunalbeamter mit dem Namen Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der sich einen Namen erwarb, indem er als erster die Idee der Gründung von Genossenschaften zum Kampf mit Armut und Geldmangel unter großen Schichten der Bevölkerung propagierte. Unter ihm wurde die erste deutsche Genossenschaft zum Brotbacken gegründet und eine Kreditkasse eingerichtet, in die Gelder reicher Kunden zur Unterstützung von Geschäftsvorhaben armer Mitglieder der Genossenschaft einflossen. Es wurde eine Genossenschaftsbank gegründet, wo jedes Mitglied eine Stimme hatte, unabhängig von der Summe der in die gemeinsame Kasse eingezahlten Mittel. Später entstanden hieraus die Raiffeisenbanken und Volksbanken, erstere für die Bedürfnisse von Bauern auf dem Lande, letztere für die Arbeiterschaft in den Städten. In den 1970er Jahren schlossen sich diese Banken zu einem Ganzen zusammen.

In Kirgistan wurden 1996 die ersten Kreditvereine gegründet, die rund 200 Kreditorganisationen in ihre Reihen aufnahmen. Doch wie die weitere Erfahrung zeigte, war dies nicht genug für die Ausmaße und Bedürfnisse in der ganzen Republik. Dennoch war ein Anfang gemacht. Nach Ansicht von Tilekom Aschimow, dem Vorstandsvorsitzenden des Innovationsfonds „Bai Tuschum“ („Reiche Ernte“) basiert hier alles auf Kraft und Initiative der kirgisischen Landwirte selbst. Die Menschen erhalten die Möglichkeit, den Umgang mit neuen Technologien zu erlernen und so auf dem Heimatmarkt konkurrenzfähig zu werden. Im Großen und Ganzen ist die Tätigkeit von Genossenschaften auf die Herausbildung neuer gesellschaftlicher Schichten und einer neuen Generation von Landwirtschaftsunternehmern in Kirgistan ausgerichtet.

Ergänzend hierzu möchte ich von einer Begegnung erzählen, die ich vor etwa einem Jahr in Deutschland hatte. Ich fuhr mit einem Linienbus von Ludwigsfelde nach Potsdam. Der Bus war halb leer, und ich kam ins Gespräch mit dem Fahrer. Das Gespräch in akzentfreiem Russisch begann der Fahrer, der sich mir als Alexander vorstellte. Er hatte meine asiatischen Gesichtszüge bemerkt und dachte, dass ich seine Landsmännin sein könnte. Alexander stammte nämlich aus Kirgistan. Wie alle seine zahlreichen Verwandten ebenfalls war er vor rund 20 Jahren als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen. Die deutschen Behörden siedelten die Großfamilie kompakt in der Gegend um Ludwigsfelde an.

Baufinanzierung nach kirgisischer Art

Alexander erzählte mir, dass er sich immer noch nach dem sonnigen Kirgistan sehnt, nach süßen Früchten und Gemüse, nach den hohen, schneebedeckten Bergen des Ala-Too und dem Issyk-Kul-See, obwohl er schon lange in Brandenburg lebt und hier den Beruf des Busfahrers erlernt hat. Auch alle seine Brüder und Schwestern richteten sich erfolgreich in der neuen alten Heimat ein. Neben älteren Verwandten umfasst seine Familie noch sechs Brüder und Schwestern. Als sie nach Deutschland umzogen, traf der Familienrat den Beschluss, für alle ein eigenes Haus zu bauen. In Kirgistan lebten sie in einer ländlichen Gegend in eigenen Häusern mit großen Gärten, und das Leben in Wohnungen in mehrgeschossigen Gebäuden war für sie eine quälende Last. Da die Familie in Eintracht lebte und sich unter die gerechte Führung des Familienoberhauptes unterordnete, kam die Sache in Schwung. Man nahm einen Kredit bei einer Bank auf, und die Familie begann den Bau nach der kirgisischen Methode „Aschara“. So bauten alle Brüder und Schwestern mit vereinten Kräften und Mitteln zuerst ein Haus und zahlten den Kredit hierfür ab, danach für das nächste Familienmitglied und so weiter. Dazu muss man anmerken, dass in Deutschland, wie auch in anderen Ländern, eine Kleinfamilie manchmal ihr halbes Leben für die Bank arbeitet, um das vollständige Eigentum an einem Haus oder einer Wohnung zu erwerben. Wie aus diesem Beispiel folgt, kann die deutsche Seite auch etwas von den Kirgisen lernen.

Übersetzung aus dem Russischen: Robert Kalimullin

Von Chinara Harjehusen

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