Am 1.März fand in Astana eine Veranstaltung zum Thema „HERstory: die Macht des weiblichen Blicks“ statt. Der Veranstalter war eine Kulturplattform „TAN Art Residency“, die regelmäßig kreative Menschen, Ideen und Innovationen aus verschiedenen Bereichen der Kunst und Kultur zusammenbringt. Am Vorabend des internationalen Frauentags trafen sich Frauen aus den Bereichen Regie, Produktion von Filmen, Choreographie, Ballettstudium und anderen künstlerischen Projekten und besprachen, wie sich eine Frau im Kunstbereich realisieren kann, welche Barrieren und Möglichkeiten es gibt und wie die Kinoindustrie in Kasachstan heute aussieht.
Es gibt ein Stereotyp, wonach in Kasachstan nur leichte Komödien gefilmt werden. Aber in Wirklichkeit gibt es auch hier das Autorenkino, so die Theaterregisseurin und Initiatorin zahlreicher kultureller Projekte Aigerim Elzhan. Obwohl wir an Filmfestivals teilnehmen, erreichen viele dieser Filme das Publikum nicht, was echt schade ist, bedauert die Regisseurin. Außerdem gibt es die Meinung, dass das Regieführen ein Männerberuf ist, aber das ist nicht nur für Kasachstan typisch.
Die meisten Regisseure sind Männer und deshalb sieht das Publikum Filme häufiger aus einer männlichen Perspektive. Auch die weiblichen Figuren des Films werden aus einer männlichen Perspektive dargestellt. Und in Kasachstan werden im populären kasachischen Kino weibliche Figuren oft in den Rollen von Schwiegertöchtern, Schwiegermüttern oder Ehefrauen präsentiert. Dies ist sehr schade, da dadurch die Wahrnehmung des Zuschauers hinsichtlich möglicher anderer Rollen von Frauen, ihrer Interessen, Meinungen und Perspektiven eingeschränkt wird. Diese Fragen und wesentlich mehr diskutierten die jungen Regisseure Meruert Akit, Arai Karimova und Aigerim Elzhan.
Tabuthemen existent
Die Filmproduzentin Asel Yerzhanova wiederum merkte an, dass es eine Reihe von unausgesprochenen Tabuthemen in kasachischen Filmen gibt, darunter solche Themen wie Erotik, Liebe und Sexszenen. Vielleicht braucht es noch mehr Zeit, bis sich diese Themen ebenfalls so entwickeln, dass sie in der Gesellschaft und in unserer Filmbranche kein Tabu mehr darstellen. Schließlich handelt es sich hierbei auch um Themen der Kunst und der Schönheit, wenn sie mit Talent und Professionalität umgesetzt werden. Dabei ist es wichtig, nicht nur die männliche, sondern auch die weibliche Perspektive auf das jeweilige Thema zu berücksichtigen.
Die kasachische Filmindustrie sollte danach streben, junge Regisseure zu unterstützen und dem Publikum unterschiedliche Formen der Filmkunst näherzubringen. Das Kino hat neben der Unterhaltungsfunktion auch eine erzieherische Funktion und somit den Auftrag, gesellschaftliche Sachverhalte zu analysieren und auf gesellschaftlich relevante Dinge aufmerksam zu machen. Dies war ein besonderer Schwerpunkt aller Referenten der Veranstaltung.
Die Autorin der sozialen und pädagogischen Projekte „Theaterguide“ und „Balletography“ Asel Belgi berührte einen etwas anderen Bereich der Kunst, indem sie mehr über Theater und Ballett sprach. Kunst müsse für alle zugänglich und verständlich sein und dürfe nicht nur einer kleinen Gruppe von Auserwählten vorbehalten sein, so die Rednerin. Deshalb habe sie ein Projekt organisiert, bei dem jeder ins Theater kommen kann, um an einer Führung mit einem Kunsthistoriker in einer für viele zugänglichen und verständlichen Sprache teilzunehmen.
Zu den Fragen aus dem Publikum gehörten auch solche Themen wie fehlende Möglichkeiten und Zeit für kulturelle Bildung. Die Rolle des Staates ist in diesem Zusammenhang sicherlich wichtig, wenn es darum geht, mehr Möglichkeiten für kulturelle Projekte und Veranstaltungsorte zu schaffen, für Zensurfreiheit zu sorgen und die Förderung von Kreativität, Kunst und Kultur in der Gesellschaft zu unterstützen. Eine besondere Rolle kommt dabei der Haltung gegenüber Frauen im kreativen Bereich zu, um Stereotype abzubauen und Erscheinungsformen des Patriarchats einzuschränken, aber auch um Chancengleichheit in der Kunst wie auch in anderen Tätigkeitsbereichen zu gewährleisten.
Im Anschluss an die Veranstaltung wurde zunächst der Dokumentarfilm „Meine Terminatorin“ der Regisseurin Meruert Akit gezeigt, der die Geschichte einer Frau mit einem künstlichen Herzen erzählt – einem Gerät, das das Herzorgan vorübergehend ersetzt, und danach folgte der Film „Es war einmal in Korgalshino“ von Regisseurin Arai Karimova, der von einem Jungen handelt, der seine Mutter verloren hat und davon träumt, sie durch einen Wunsch zurückzubekommen. Die Filme berühren wichtige Themen wie Inklusion oder das Einbinden aller in die Gesellschaft, die Behandlung kranker Menschen, familiäre Bindungen, Glaube und Einsamkeit. Vielleicht hat nämlich der weibliche Blick bei diesen und anderen Themen in verschiedenen Kunstformen eine besondere Bedeutung.