Am 11.06.2013 verstarb der russlanddeutsche Schriftsteller und langjährige DAZ-Mitarbeiter Viktor Heinz. Bei seiner Beerdigung in Göttingen hielt der emeritierte Germanistik-Professor Dieter Stellmacher die Trauerrede.

„Geb. 10. Oktober 1937 in Nowoskatowka (Gebiet Omsk/Westsibirien). Lyriker, Erzähler, Dramatiker und Redakteur. Von 1959 – 1963 studierte er Deutsch und Literatur… Danach war er…Dozent am Pädagogischen Institut in Omsk… Heinz erforschte die deutschen Mundarten in Sibirien und promovierte 1971 in Kalinin. Ab 1974…Inhaber des Lehrstuhls für Fremdsprachen an der Pädagogischen Hochschule in Petropawlowsk…Ab 1984… Literaturredakteur der Wochenzeitung „Deutsche Allgemeine“…Seit 1992 lebt und arbeitet er in Göttingen“ (Aus dem „Lexikon der Russlanddeutschen“).

In dieser nüchternen Sprache der Lexikographie werden Bildungsweg und Arbeitsfelder unseres Verstorbenen in einem aktuellen Nachschlagewerk aufgezählt. Aber die glatte Aneinanderreihung der Daten und Stationen lässt nicht erkennen, dass der Weg zur Bildung für einen Russlanddeutschen in der Mitte des 20. Jahrhunderts in der Sowjetunion nicht so eben war. In dem autobiographischen Roman „In der Sackgasse“ (1996) ist das nachzulesen – in aussagestarken Szenen, humorvoll und sarkastisch erzählt. Und so erfahren wir, wie es damals zugegangen ist, welche Energie nötig war, um zu einem geachteten Mann des Unterrichts, der Wissenschaft und der Literatur zu werden – einer Kombination übrigens, die erst im 20. Jahrhundert auffälliger in Erscheinung tritt. Ohne Vorbilder geht das nicht. Sie fand Viktor Heinz in dem klugen und gebildeten Deutschlehrer seines Heimatdorfes und in den Hochschuldozenten Viktor Klein und Hugo Jedig. Sie zeigten ihm, dass es in der Literatur immer darauf ankomme, für die Wiedergabe eines als erzählenswert erkannten Anliegens den richtigen Ton zu finden.

Es ist große Kunst nämlich, mit einfachen Worten und Sätzen vielschichtige Bedeutungen zu transportieren. Die Wörter der Alltagssprache sind ja mehrdeutig und stilistisch auf Ort und Situation hin ausgerichtet, so dass es der vereindeutigenden Verdichtung bedarf, um Dichtung entstehen zu lassen. Das hat Viktor Heinz schon früh fasziniert, er war ja auch in drei Sprachen fest verwurzelt: dem westmitteldeutschen Dialekt der Familie, dem Hochdeutschen von Schule und Studium, dem Russischen der Umgebung.

Das von diesen Sprachwelten bereitgestellte Material hat Viktor Heinz in seiner Literatur kunstvoll verarbeitet, für nicht so Sprachkundige und mit solcher Literatur weniger Vertraute freilich gewöhnungsbedürftig. Das beginnt schon bei der Titelgebung, wo sich der Autor gern der Paradoxie bedient wie bei den Romanen „Der brennende See“ (2001) und bei dem im letzten Jahr erschienenen „Als ich gestorben war“. Solche Widersprüche zu verstehen, erfordert genaues Lesen. Aber dann stellt sich Lesegenuss ein und reiche Belehrung, etwa über das Leben und Überleben in der Sowjetunion in den bereits erwähnten Lebensabschnitten eines „ ´Außenseiters´ in Russland: In der Sackgasse“.

Viktor Heinz zu lesen bedeutet immer zweierlei: Es ist freudvoll, und es ist anstrengend, seine originelle Literatursprache liest man eigentlich nie aus.

So bleibt Viktor Heinz im Gespräch und wir mit ihm. Auch über den Tod hinaus. Ihn, den Tod, hat er immer wieder thematisiert, nicht direkt, laut und aufdringlich, sondern anspielend und bildverhüllt – so wie in der noch in Kasachstan erschienenen Gedichtsammlung „Lebensspuren“. Hier findet sich ein Vers, den man unter dem Eindruck der letzten Woche und des heutigen Tages neu zu verstehen lernt:

Mein Vaterhaus. Ich bin zurückgekehrt.
Die Sorgen abgestreift wie einen alten Kittel,
nah ich mich dir mit unsicheren Schritten.
Wie leicht, wie schwer ist diese  Wiederkehr!

Viktor Heinz war Professor Jedigs erster Doktorand, Valentina Djatlova, jetzt Germanistikprofessorin in Krasnojarsk, seine letzte. Sie schrieb mir, als sie von Viktors Tod am 11. Juni erfahren hatte: „Ich bin auch traurig. Er war für mich ein guter Mensch, ein guter Schriftsteller und Dialektologe. Aber so ist leider das Leben“.

Ja, so ist es, das Leben und so ist Viktor, wie er uns, seinen Freunden, in Erinnerung bleiben wird.

Von Dieter Stellmacher

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