Die Einwanderung von Arbeitskräften aus anderen Ländern oder Regionen wird in der Welt sehr unterschiedlich gehandhabt und beurteilt. Manche Staaten, darunter die USA, Kanada und Australien betreiben eine zielgerichtete und der Öffentlichkeit klar zugängliche Politik der Einwanderung von Spezialisten, also von gut ausgebildeten und auf dem Arbeitsmarkt benötigten Fachkräften.

Andere Länder stehen der sich in der Praxis vollziehenden, illegalen Einwanderung oft hilflos gegenüber und versuchen diese eher mit staatlichen Gewaltmaßnahmen zu verhindern oder einzudämmen. Das trifft zum Beispiel auf die südeuropäischen EU-Staaten, wie Italien und Spanien zu. Eine dritte Gruppe von Ländern legalisiert in bestimmten Abständen die nicht offiziell ins Land gekommenen Ausländer. Klar ist, dass es mittlerweile weltweit einen durchaus harten Kampf um die besten Köpfe gibt. Kreativität und Innovationen lassen sich schon längst nicht mehr nur mit heimischen Spezialisten generieren. Die jetzt noch führenden Wirtschaftsnationen haben im unterschiedlichen Maße mit dem Problem der schnellen Alterung ihrer Bevölkerungen infolge einer zu niedrigen Geburtenrate zu kämpfen. Andererseits sind hier die wichtigsten und produktivsten Produktionsanlagen der Weltwirtschaft beheimatet, die zunehmend infolge des Mangels an entsprechenden Spezialisten nicht ausreichend ausgenutzt werden können. Das bewirkt nicht nur die Entstehung nationaler wirtschaftlicher Verluste, sondern bremst die Entwicklung der Weltwirtschaft insgesamt. Die betreffenden Länder verlieren darüber hinaus in bestimmtem Maße an eigener Wettbewerbsfähigkeit. Ein Ausweg aus der Misere ist der Export von Kapital, also von Maschinen und Know-how in die Länder, die noch über genügend qualifizierte Fachkräfte verfügen. Das sind nicht nur, aber doch in bedeutendem Maße die asiatischen Staaten, in denen zudem noch die Absatzmärkte der Zukunft konzentriert sind. Der deutschen und der kasachischen Wirtschaft ist gemeinsam, dass in einer ganzen Reihe von Bereichen hochqualifizierte Spezialisten fehlen und so die wirtschaftlichen Potentiale von Unternehmen nicht ausgenutzt werden können. Unternehmen können Aufträge im bestimmten Umfang nicht annehmen, die potentiellen Kunden müssen länger als nötig auf ihr Produkt warten und wandern deshalb sehr leicht zur Konkurrenz ab. Für Deutschland wird der dadurch bedingte negative Effekt mit 0,2 bis 0,3 Prozent des jährlichen Wirtschaftswachstums beziffert. Bei etwa 2 Prozent Zunahme des BIPs im langjährigen Durchschnitt ist das folglich eine erhebliche Größe, die eine Reihe weiterer unerwünschter Negativfolgen nach sich zieht.

In Deutschland wie in Kasachstan ist im Moment vorwiegend das Defizit an Ingenieuren unterschiedlichen Couleurs das Hauptproblem. Primäre Ursache dafür ist erst einmal die ungenügende Ausbildung technischen Personals, vor allem im Hochschulbereich. Hier wie dort drängen unverhältnismäßig viele Schulabsolventen in die Geisteswissenschaften, die Wirtschaftsdisziplinen und andere nichttechnische Ausbildungen. Selbstverständlich werden in allen Bereichen der Volkswirtschaft hochqualifizierte Spezialisten benötigt, von denen es leider zu oft auch in den überlaufenen Fachrichtungen zu wenig gibt. Das Hauptproblem ist gegenwärtig jedoch das große Ungleichgewicht in der Nachfrage nach technischen und nichttechnischen Disziplinen. Die Technik aber bestimmt letztlich das Tempo und die Richtung des gesellschaftlichen Fortschritts, wir Ökonomen interpretieren ihn „nur“. Sicher, der Hauptweg zur Lösung des Personalproblems muss die Ausbildung in den Berufen sein, die auf dem Arbeitsmarkt wirklich gefragt sind. Die Zuwanderung ausgebildeter Fachkräfte aus dem Ausland kann eigentlich nur eine Zwischen- oder Teillösung sein. Schließlich fehlen die abgeworbenen Fachkräfte dann in diesen Ländern. Doch danach wird kaum gefragt. Der internationale Wettbewerb zwingt die Unternehmen zum schnellen und effektiven Besetzen von vakanten Arbeitsplätzen. Solche Länder wie Kasachstan und Deutschland, die, aus welchen Gründen auch immer, hohe bürokratische Barrieren beim Einsatz ausländischer Spezialisten in ihren Volkswirtschaften schaffen, stellen sich letzten Endes selbst ein Bein. Andere Staaten sind in dieser Frage wesentlich weniger von Skrupeln getrieben. Der Kunde fragt im Endergebnis sowieso nicht, wer konkret ihm das gewünschte Erzeugnis entwickelt und gebaut hat. Entscheidend für ihn sind der Innovationsgrad, die Qualität und die Geschwindigkeit der Auftragsrealisierung. Volkswirtschaften, die für den Einsatz ausländischer Spezialisten offen sind, werden in dieser Hinsicht prinzipiell zu den Gewinnern zählen.

Bodo Lochmann

09/11/07

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