Im Straßenverkehr gelten für alle die gleichen Regeln. Dies gilt nicht unbedingt für den internationalen Warenverkehr, es sei denn er unterliegt den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). Wirtschafts-Experte Prof. Dr. Bodo Lochmann erläutert, welche Vor – und Nachteile der WTO-Beitritt Kasachstans hat.

Wie bewerten Sie den bevorstehenden Beitritt Kasachstans in die Welthandelsorganisation?

Generell bewerte ich den Beitritt Kasachstans in die WTO positiv. Es ist ein für Kasachstan überfälliger Schritt, da mittlerweile fast alle Länder Mitglied sind.

Warum haben sich die Verhandlungen über 19 Jahre hingezogen?

Es ist besser gründlich als überstürzt verhandeln. Die WTO ist keine zentralistische Organisation mit nur einem Verhandlungspartner. Jeder Aufnahmekandidat muss alle interessierenden Fragen mit dem jeweiligen Mitgliedland verhandeln. Diese sind von Mitgliedsland zu Mitgliedsland unterschiedlich. So etwas dauert natürlich. Kasachstan musste mit etwa 100 Ländern verhandeln. Es war in den letzten 20 Jahren innerhalb der sehr oft wechselnden Regierungen und ist bis heute in der Gesellschaft nicht immer der eindeutige Wille zur Mitgliedschaft und den daraus resultierenden Vorteilen gegeben.

Der oftmalige Wechsel von Verhandlungspersonen seitens Kasachstans hat auch zu bestimmten Verzögerungen geführt, da sich die Neuen immer erst einarbeiten mussten.

Hat die Gründung der Eurasischen Wirtschaftsunion die Verhandlungen beschleunigt?– Kirgisistan, Russland und Armenien sind ja bereits Mitglied der WTO.

Ja, es gibt sonst unnötig lange unterschiedliche Prozeduren und Abläufe im gegenseitigen Handel.

Welche Vorteile hat die Volkswirtschaft Kasachstans von dem WTO-Beitritt?

Rechtssicherheit im internationalen Handel – Export und Import – nach gegenseitig anerkannten und seit mehr als 60 Jahren bewährten Regeln. Das ist wie eine gemeinsame Straßenverkehrsordnung – gleiche Regeln für alle, auf die man sich einstellen kann, und der Andere berechenbar wird.

Ein großes internationales Handelsabkommen anstelle von dutzenden bilateralen. Es wird für Unternehmen wesentlich einfacher, sich zu in den Vorschriften zum internationalen Handel zu orientieren. Sie sparen Zeit und Kosten. Ein weiter Vorteil ist die Verringerung der Importzölle von durchschnittlich zwölf Prozent schrittweise, über mehrere Jahre, auf etwa drei Prozent. Dadurch können Importwaren in Kasachstan billiger werden, die Verbraucher sparen.

Einheitliche und niedrige Importzölle sowie vereinheitlichte nichttarifäre Prozesse wie Dokumente und Kontrollen beschleunigen Außenhandelsprozesse. Es werden Kosten reduziert und gleiche Bedingungen für nationale und ausländische Unternehmen geschaffen. Dadurch werden unter andrem auch ausländische Direktinvestitionen erleichtert. Möglichkeit der Mitgestaltung der internationalen Handelsregeln, die momentan vor allem hinsichtlich des freien Austausches von Dienstleistungen diskutiert und weiterentwickelt werden.

Welche Nachteile könnte der WTO-Beitritt haben?

Eine Reihe von kasachischen Unternehmen ist im Moment nicht oder nicht ausreichend international wettbewerbsfähig. Deren Probleme könnten sich bei weiterem Zustrom von billiger werdenden Importströmen verstärken. Es gibt jedoch einen bestimmten Übergangszeitraum, so dass sich die Unternehmen durch Innovationen, verbesserten Service und höhere Qualität darauf einstellen können. Höherer Wettbewerbsdruck ist ein weiterer Nachteil, da die kasachische Wirtschaft mehr Konkurrenz haben wird. Ich sehe das aber strategisch eher als Vorteil, auch wenn es unbequem ist.

Wie schätzen Sie die Perspektiven des WTO-Beitritts ein?

Insgesamt gesehen hat Kasachstan ja schon eine international weitgehend offene Wirtschaft. Die Unternehmen haben schon viel Erfahrung im internationalen Wettbewerb gewonnen, bisher allerdings vorwiegend auf dem Heimatmarkt. Die Übergangszeit muss zielgerichtet genutzt werden, dann sind die Chancen deutlich höher als die Risiken. Aber natürlich werden es nicht alle Unternehmen packen. Dafür entstehen dann aber neue, wie die Erfahrungen anderer Länder zeigen.

Herr Prof. Dr. Bodo Lochmann, vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Dominik Vorhölter

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