Japan ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Das allein berechtigt die Frage nach dem Tempo und dem Zeitpunkt des Comebacks der japanischen Unternehmen nach den schweren Katastrophen vom März dieses Jahres. Japanische Unternehmen sind dabei nicht nur wichtige Produzenten von Endprodukten, sondern auch von hochtechnologisierten Bauteilen und Baugruppen, die in Produktionen auf der ganzen Welt benötigt werden. Im Zuge der Globalisierung haben viele Unternehmen die Produktion benötigter Zulieferungen auf der ganzen Welt verstreut, um Kosten- und Know-how-Vorteile zu nutzen. Entstanden sind so lieferseitige Abhängigkeiten, die allerdings relativ leicht unterbrochen werden können.

Japan ist sicher ein reiches Land mit großen Potentialen. Zumindest zeigen die Erfahrungen aus verheerenden Erdbeben in der Vergangenheit, dass das Land sich schnell erholen kann. Allerdings sind anders als nach früheren Beben jetzt Unternehmen viel stärker betroffen, weltweit agierende Konzerne mussten ihre Tätigkeit ganz oder teilweise einstellen Auch in finanzieller Hinsicht ist die Ausgangslage diesmal anders. Zum einen sind die Schäden wesentlich umfangreicher als nach dem Erdbeben von Kobe, vor allem aber ist der Staat heute noch mehr verschuldet als damals.

Die Schulden des Staates übersteigen die Wirtschaftsleistung heute schon um etwa das Doppelte, die Katastrophenbekämpfung erfordert aber viel staatliches Geld, das eigentlich gar nicht da ist. Damit steht die Frage, ob neben dem Zusammenbruch der Produktion nun auch noch der finanzielle Kollaps droht. Und doch scheint die Staatsverschuldung eher das geringere Problem zu sein, zumindest im Vergleich zu den USA, deren Staatsschuld in Relation zur Wirtschaftsleistung nur halb so hoch ist wie die Japans.

Die Unterschiede liegen aber in der Struktur der Schulden. Während der japanische Staat sich vor allem im Inland – also bei den eigenen Bürgern und Institutionen – Geld geborgt hat, sind die USA vor allem im Ausland verschuldet, insbesondere in China und Japan. Die eigenen Bürger Japans werden bei einem weiteren Ansteigen der Staatsschulden ihres Landes wohl wesentlich duldsamer sein, als die ausländischen Investoren in Bezug auf die USA. Bedeutsam ist auch, dass Japan seit Jahrzehnten große Exportüberschüsse erwirtschaftet, im Ausland also enorme Guthaben gebildet hat, während die USA infolge ihrer fast schon traditionell zu nennenden negativen Außenhandelsbilanz Schulden in Fremdwährungen akkumuliert haben.
Eine Regierung wie Japan, die bei den eigenen Bürgern stark verschuldet ist, erklärt im Ernstfall nicht den Staatsbankrott, sondern saniert die Staatsfinanzen auf elegantere Weise. Japan hat dafür eigentlich exzellente Voraussetzungen. Zum einen sind solche ertragsleichten und leicht einzutreibenden Steuern wie die Mehrwertsteuer sehr niedrig und könnten aus technischer Sicht eigentlich schnell erhöht werden. Bisher war das politisch nicht durchsetzbar, die Naturkatastrophe könnte aber dafür eine hervorragende Begründung liefern, die von der Opposition kaum zu entkräften ist.

Noch eleganter ist aber die inflatorische Entwertung der Staatsschulden. Man braucht „nur“ die im Umlauf befindliche Geldmenge erhöhen, was irgendwann die Inflation steigen lässt. Da Japan seit mehreren Jahren eher unter negativer Inflation (Deflation) leidet, wäre dieser Weg nicht nur für die Staatsfinanzen, sondern auch für die Unternehmen von Vorteil. Nun hat die japanische Notenbank in den vergangenen Jahren schon eine Nullzinsenpolitik gefahren, um eben diese Inflation zu stimulieren. Den erwarteten Effekt hatten die fast kostenlosen Kredite jedoch nicht, weil die Banken das billige Geld aus verschiedenen Gründen eher nicht als Kredite vergeben, sondern bevorzugt in risikoarme Staatsanleihen investiert haben. Das wird sich nun wohl auch ändern, schließlich gibt es einen gewaltigen Investitionsbedarf, um die Folgen der Naturkatastrophe zu beseitigen. Japans Wirtschaft könnte gerade durch die Naturkatastrophe einen ordentlichen Schub bekommen, wenn auch noch nicht in diesem Jahr.

Bodo Lochmann

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