Auch in Kasachstan setzt man sich mittlerweile mit dem Thema „Gender“ auseinander. Das Schlagwort bezeichnet die sozialen Geschlechtsmerkmale, also alles, was in einer Kultur als typisch für ein bestimmtes Geschlecht angesehen wird. Sandra Wagenleitner sprach mit Dorine Plantenga, niederländische Beraterin in Genderfragen, über kasachische Frauen und ihre Situation in dem zentralasiatischen Land.

Sehen sie einen Unterschied zwischen den Frauen hier und in Europa?

Ja, durchaus. Auf den ersten Blick fällt mir auf, dass die Frauen hier sich sehr sexy anziehen, ich meine vor allem die ganz jungen, die noch nicht verheiratet sind. Es scheint alles darauf abzuzielen, auf einen potenziellen Ehemann zu wirken. Die etwas Älteren wiederum kleiden sich dann schon anders, man kann fast sagen gesetzter. Aber dieses Phänomen kann man in allen osteuropäischen und zentralasiatischen Ländern beobachten.

Sie haben in Almaty an einer Frauenkonferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung teilgenommen und auch einen Vortrag gehalten. Was war das Thema?

Es ging um das Konzept von Gender, was das bedeutet, und um die Notwendigkeit, sich in diesen Dingen klar auszudrücken. Ich habe vier Forderungen formuliert. Die erste ist, das Wort „Gender” in richtiger Weise zu verwenden, nicht einfach das Wort „Frauen” dadurch zu ersetzen. Gender bezieht sich auf beide Geschlechter, auch das männliche. Die zweite Forderung richtet sich an die Regierungen und die NGO´ s, man muss die Zusammenarbeit noch weiter intensivieren und diese strategisch planen. Als dritten Punkt habe ich angeführt, dass Fortschritte auf diesem Gebiet persönlichen Einsatzes bedarf, man darf es nicht einfach nur als „Job” sehen. Und die vierte und letzte Forderung ist mehr eine politische Vision, nämlich sich darüber im Klaren zu sein, was man wirklich erreichen will in der Geschlechtergleichheit, und zwar sowohl kurz-, als auch längerfristig.

Wie beurteilen sie die Geschlechtergleichheit in Kasachstan?

Ich denke, die Zeiten sind hier für Frauen wirklich schwierig. Man erwartet von ihnen, möglichst jung zu heiraten und eine Familie zu gründen, Kinder zu bekommen. Gleichzeitig sollen sie aber modern sein, arbeiten gehen, Geld verdienen. Das  Kinderbetreuungssystem ist jedoch völlig zusammengebrochen. So haben kasachische Frauen mit einer Drei- wenn nicht sogar Vierfachbelastung zu leben, da die ökonomische Situation ebenfalls sehr schlecht ist. Arbeit ist nur schwer zu finden, auch für die Ehemänner. Kasachische Familien haben es momentan nicht gerade leicht.

Und sehen sie irgendeine Veränderung in naher Zukunft?

Nun ja, es scheint, dass sich die wirtschaftliche Situation langsam verbessert, doch in den anderen Bereichen sehe ich keinerlei Entwicklung im Vergleich zu meinem ersten Besuch in Kasachstan. Das war im Jahre 2000, damals habe ich ein Gendertraining für Mitarbeiter von NGO‘ s aus Kasachstan, Georgien, Kirgisien und Armenien durchgeführt, der erste Teil fand hier in Almaty statt, die zweite Hälfte dann in Georgien.

Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Holland und Kasachstan aus?

Es gibt seit etwa sechs oder sieben Jahren eine große Anzahl von Projekten, nicht nur mit Holland, sondern auch mit anderen, zum Beispiel skandinavischen Ländern. Die Politik der Entwicklungshilfe hat eine lange Tradition in diesen Staaten. Die Zusammenarbeit ist nicht nur auf finanzielle Hilfe beschränkt, sondern bietet auch Unterstützung bei der Durchführung von anderen Projekten.

Vielen Dank für das Gespräch.

__________________________________________________________________

Dorine Plantenga wurde 1946 in Holland geboren. Sie studierte Linguistik und begann vor 25 Jahren in der Genderforschung zu arbeiten, als dieses Fachgebiet noch völlig unbekannt war. Plantenga ist mittlerweile Beraterin und Trainerin in den Bereichen Gender und Entwicklung mit ihrer eigenen Firma. Ihre auf der ganzen Welt, vor allem in Tranformations- und Konfliktländern, gehaltenen Seminare beschäftigen sich mit Identität, genderbasierter Gewalt und Konfliktlösungen. Sie hält auch Management-Seminare für zivilrechtliche Organisationen und NGO´ s in Israel, Palästina, Osteuropa und dem Kap Horn.

25/11/05

Teilen mit: