Zehn Jahre nach dem Beitrittsgesuch könnte sich Kasachstan 2006 in die Welthandelsorganisation (WTO) einreihen – weitere Reformbemühungen und Verhandlungsgeschick vorausgesetzt.

Seit 1996 strebt Kasachstan in die Welthandelsorganisation (WTO). Die Freihandelsinstitution zählt derzeit 148 Mitglieder. Sie umfasst abgesehen von Russland alle gewichtigen Industrie- und Handelsnationen. Selbst wenn die Handelsliberalisierung innerhalb der WTO derzeit ins Stocken geraten ist, hat sie anhaltend Anziehungskraft. Dies u.a. aufgrund der Nichtdiskriminierungs- und Meistbegünstigungsklauseln des WTO-Vertragswerkes. Sie stellen sicher, dass jedes Mitglied den günstigsten Zolltarif, den es einem anderen Mitgliedsland zugesteht, auch allen anderen Mitgliedern zu gewähren hat.

Dank diesen Mechanismen sind die Handelsbarrieren in der WTO niedrig. Der Durchschnittszoll liegt unter fünf Prozent. Somit ist der marktwirtschaftliche Wirtschaftsclub für Kasachstan von Interesse. Eine WTO-Mitgliedschaft würde die Integration in den Welthandel und die internationale Arbeitsteilung fördern, die Modernisierung und Diversifizierung der rohstofflastigen kasachstanischen Volkswirtschaft forcieren plus die Sicherheit und Attraktivität für ausländische Investoren erhöhen.

Die WTO erscheint als zweckhafter Katalysator für Erneuerung und Investitionen durch faire Konkurrenz, Freihandel und überstaatliche Glaubhaftigkeit. Ein Beitritt würde allerdings nicht nur Nutzen bringen. Der heimische Agrarsektor sowie kleine und mittlere Unternehmen müssten ohne Schutz im internationalen Wettbewerb bestehen. Dies will die Regierung in Astana vermeiden. Sie versucht möglichst viele Handelsbarrieren in die WTO zu retten und lange Übergangsfristen auszuhandeln. Dies macht die Beitrittsgespräche schwierig.

Gleichwohl ist die WTO-Mitgliedschaft in Reichweite. Bis zum Jahresende sollen die Beitrittsgespräche abgeschlossen sein. Im Dezember wird in Hongkong die nächste wichtige WTO-Tagung mit 148 Handelsministern stattfinden. Dort könnten Kasachstan und Russland, die synchron beitreten wollen, grünes Licht bekommen. Damit wäre ein Beitritt 2006 möglich. Kasachstan muss sich jedoch zunächst mit dem WTO-Sekretariat in Genf als auch auf bilateraler Ebene mit einer Arbeitsgruppe aus 38 Nationen über die Beitrittskonditionen einigen.

Die kasachstanische Regierung soll dem Sekretariat und der Arbeitsgruppe, die mit bedeutenden Handelspartnern Kasachstans besetzt ist, aufzeigen, dass die eigenen Handelsgesetzgebung mit den WTO-Richtlinien in Einklang steht bzw. wie sie WTO-tauglich gemacht werden soll. Die Genfer Organisation fordert: substantiellen Abbau tarifärer Handelsbarrieren, Transparenz von Außenhandels- und Zollabwicklung und faire Wettbewerbsbedingungen auf dem Inlandsmarkt.

Wie im Falle Russlands hat die recht restriktive kasachstanische Zollprotektion bisher eine Übereinkunft verzögert. Der durchschnittliche Importzoll nach Kasachstan liegt derzeit noch knapp über sieben Prozent, im Agrarsektor bei rund elf Prozent. In ausgesuchten Bereichen sind die Spitzensätze höher. Zudem muss Kasachstan seine bi- und multilateralen Verpflichtungen im Rahmen regionaler handelspolitischer Kooperationen wie der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft (EAEC, EURASEC) und dem Gemeinsamen Wirtschaftsraum (CES) mit dem WTO-Beitritt in Einklang bringen.

Die offizielle tarifäre Protektion ist indes nicht einziger Verhandlungsgegenstand. Zumal dem 142. WTO-Mitglied China der Beitritt mit einem Zollregime gelang, das restriktiver als das derzeitige kasachstanische ist. Der große Nachbar trat mit einem Durchschnittszoll von über zehn Prozent bei und sagte zunächst nur eine Senkung auf knapp unter zehn Prozent bis 2010 zu. Ebenso wurde Kirgisistan schon 1998 mit einem recht protektionistischen Außenhandelsregime WTO-Mitglied Nummer 133.

Ein Erfolg der Beitrittsgespräche Kasachstans wird vor allem durch die so genannte inoffizielle Protektion erschwert. Die WTO bemängelt verdeckte Handelsbarrieren durch Korruption sowie undurchsichtige Steuer- und Zollbemessung und daraus resultierende Wettbewerbsverzerrungen. Zudem kritisiert die WTO wettbewerbsdeformierende Gesetze und Marktstrukturen auf Güter- und Dienstleistungsmärkten sowie mangelnde Erfüllung von Umweltstandards – letzteres speziell im Agrarsektor.

Im Juni einigten sich indes die kasachstanische und japanische Delegation über Beitrittsbedingungen. Die Schweiz unterstützt Kasachstan ebenso. Zudem sollen bis Jahresende die bilateralen Verhandlungen mit der EU und den USA geschlossen sein. Dann stünde einer WTO-Mitgliedschaft wenig im Wege. Zumal Kasachstan eng mit Staaten kooperiert, die bereits mit Erfolg Beitrittsgespräche geführt haben. Trotz noch beträchtlicher Verhandlungsmasse ist ein WTO-Beitritt in Reichweite. Verhandlungsgeschick und Reformeifer vorausgesetzt.

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