Nach außen scheint die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise weitgehend überwunden. So zumindest stellt sich die Situation dem breiten Publikum dar, das mittlerweile wieder von hohen Wachstumszahlen verwöhnt wird. Die Innenansicht der Prozesse, die zur letzten Krise geführt haben, bietet jedoch ein anderes Bild. Nach wie vor haben sich viele Strukturen nicht grundlegend verändert, der Bankensektor in vielen Ländern hat sich von den Folgen der Vergiftung durch zweifelhafte Wertpapiere keinesfalls erholt.

Diese Doppeleinschätzung trifft auch für Kasachstan zu. Der wieder lauthals erschallende Jubel über hohes BIP-Wachstum und andere gut laufende makroökonomische Kennziffern kann die nach wie vor bestehenden Probleme vor allem die des Bankensektors und im Gefolge auch die eines Großteils des Realsektors kaum verdecken. Wobei für Kasachstan nicht viel verdeckt werden kann, denn schließlich sind die Probleme im Bankensektor riesengroß. Zwar hat die vor einigen Monaten erfolgreich durchgeführte Restrukturierung der Verbindlichkeiten der größten Schuldner dem Bankensektor insgesamt ein wenig Luft verschafft, die Krankheit selbst jedoch wirkt noch.

Sie manifestiert sich in einem sehr hohen Anteil verlorener Kredite und einem nur als „enorm“ benennbaren Anteil zweifelhafter Kredite, deren Rückzahlung im eigentlich vereinbarten Umfang und in den vereinbarten Fristen in unterschiedlichem Maße fraglich ist. Der Anteil letzterer Kategorie liegt bei 50 Prozent, in einem gesunden Bankensystem sollte er sieben bis acht Prozent nicht überschreiten. Dabei muss immer wieder betont werden, dass diese kritische Struktur des Banken-Kreditportfolios das Ergebnis des Wirkens des kasachischen Bankensektors selbst ist und die Weltfinanzkrise die hiesigen Probleme eher auf den Tisch gelegt, nicht aber verursacht hat.

Jedenfalls laufen im Moment die üblichen Kreditströme nur mit Mühe, die Banken bekommen ihr verliehenes Geld nur teilweise und mit Verzögerung zurück und geben folglich kaum neue Kredite aus. Das aber ist für die Realwirtschaft wieder ein großes Problem, schließlich sind in modernen Wirtschaften Kredite so notwendig, wie das ständige Atmen für den Menschen. Der normale Weg wäre nun, schrittweise das Kreditportfolio zu bereinigen, sprich die verlorenen Kredite abzuschreiben und die zweifelhaften Kredite durch umfangreiche Kleinarbeit mit den Kreditnehmern zu bereinigen. Beim wenig lustigen aktuellen Zustand des Bankensektors würde beides jedoch Jahre dauern. Neben anderen Problemen würde das Beschreiten dieses klassischen Weges auch eine Lähmung der Wirtschaft auf unkalkulierbare lange Zeit bedeuten, wobei immer die Gefahr bestünde, dass Banken in die Illiquidität rutschen würden.

Kasachstan geht deshalb jetzt auch den Weg, den in den letzten beiden Jahren schon andere Länder vorgemacht haben. Woanders werden sogenannte Giftpapiere (das sind Wertpapiere zweifelhafter Konstruktion und höchster Unsicherheit) durch Aufkauf zu sehr niedrigen Preisen aus den Bilanzen der betreffenden Geldinstitute in spezielle „bad banks“ ausgelagert. Die Bilanzen der Banken werden dadurch wieder sauber, ihre Kreditwürdigkeit und ihr Rating steigen, sie werden die Wirtschaft wieder kreditieren können. Die bad banks hingegen übernehmen das Risiko des Ausfalls (der Nichtrückzahlung der Verbindlichkeiten durch die Schuldner) und damit des Finanzrisikos. Ein vergleichbares Konstrukt soll nun den Bankensektor Kasachstans wieder flottmachen. Der Unterschied zu anderen Ländern ist vor allem, dass der Staat selektiv die schlechten Kredite übernimmt, während woanders der Bankensektor selbst – zumindest teilweise – für seine Fehler durch eigene bad banks einsteht.

Vielleicht ist das staatliche Engagement hierzulande als ein spätes Eingeständnis dafür zu werten, dass in den Boomjahren die staatlichen Aufsichtsbehörden viel zu lange ihre Augen verschlossen hielten. Damals ging eindeutig Menge (Wirtschaftswachstum, Kreditwachstum) vor Qualität. Der Preis für die damaligen Fehler ist hoch, doch so hoch hätte er trotzt aller Objektivität des Entstehens von zyklischen Krisen keinesfalls sein müssen. Vielleicht lernt jemand daraus?

Bodo Lochmann

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