Im Herbst vergangenen Jahres wurden die Schlagzeilen der Presse in Kasachstan unter anderem vom Streit um den Beginn beziehungsweise die Konditionen zur Ausbeutung des Erdölfeldes Kaschagan im Kaspischen Meer bestimmt. Etwa sechs Monate lang bestand ein harter Konflikt zwischen dem Konsortium vorwiegend ausländischer Investoren und der kasachstanischen Regierung.

Das Konsortium unter Leitung der italienischen Gesellschaft Eni hatte verkündet, dass die Hauptbedingung des 1997 geschlossenen Vertrages zwischen beiden Partnern nicht eingehalten werden kann. Dieser sah vor, dass sieben Jahre nach Entdecken von förderbaren Erdölvorräten mit der Förderung zu beginnen sei. Bereits in 2005 wurde das Jahr 2007 als Startjahr der Förderung in die Kategorie „nicht machbar“ eingestuft, was natürlich den Unwillen der kasachstanischen Politik hervorrief. Zum einen waren die Einnahmen aus dieser Förderung wohl schon in die mittelfristige Einnahmeplanung der öffentlichen Finanzen eingestellt, zum anderen hatte Kasachstan schon sehr zeitig das hochambionierte Ziel verkündet, bis 2015 die Ölförderung auf 150 Millionen Tonnen pro Jahr zu steigern – im letzen Jahr waren es 65 Millionen Tonnen. Eni hatte zugleich mitgeteilt, dass die Kosten für die Erschließung mit 136 Milliarden US-Dollar fast dreimal so hoch sein werden wie zuvor geschätzt.

Der Streit ist nach zähen Verhandlungen im Januar dieses Jahres mit einem Kompromiss beigelegt worden. Kasachstan hat die erzielte Vereinbarung als Sieg gefeiert, vor allem deshalb, weil der Anteil von Kasmunaigas im Konsortium von 8,33 Prozent zulasten der meisten anderen Konsortialteilnehmer auf 16,81 Prozent gestiegen ist. Jetzt wurde in Astana weiter verhandelt. Schließlich ist die Januarvereinbarung „nur“ eine prinzipielle, und der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Auf jeden Fall war das Verhandlungsklima Teilnehmerberichten zufolge entspannt und sachlich. Anders sind in solch schwierigen Fragen – allein die notwendige Investitionssumme ist ein ganzes Problembündel – wohl kaum Ergebnisse zu erzielen.

Von weiterem politischem Druck seitens Kasachstans wird nicht berichtet. Das wurde von Beobachtern anfangs nicht unbedingt ausgeschlossen, schließlich verbleiben – nach dem jetzigem Stand der Dinge auf 40 Jahre – etwa 83 Prozent der Anteile am Konsortium (und damit auch das Recht auf die entsprechenden Erträge) bei den großen ausländischen Gesellschaften Eni, Exxon Mobil, Shell und einigen anderen. Doch Kasachstan hat im Moment keine andere Wahl. Zum einen sind die für das Heben des zähen schwarzen Schatzes notwendigen Investitionssummen riesig und durch Kasachstan alleine keinesfalls zu stemmen. Das gesamte Jahres-Bruttoinlandsprodukt Kasachstans würde gerade einmal für etwa 70 Prozent des Investitionsbedarfes reichen. Weiterhin fehlt es Kasmunaigas in vieler Hinsicht nicht nur an ausreichend modernem Know-how, sondern vor allem auch an ausreichenden und (politisch) sicheren Transportkapazitäten. Die Förderung ist immer nur die eine Seite der Medaille, die andere, oft problematischere, ist der Absatz.

Als Förderbeginn wurde nun doch das Jahr 2011 vereinbart, also jenes, welches Eni bereits zu Beginn des Streites genannt hatte. Offensichtlich haben sich die kasachischen Verhandlungspartner überzeugen lassen müssen, dass zwischen Förderwünschen und Investitionsrealitäten doch ein gewaltiger Unterschied bestehen kann. Es ist ja auch so, dass im und zum Förderfeld erst die Basisinfrastruktur (Straßen, Schienen, Strom, Telefon) geschaffen werden muss und folglich nicht gleich Bohrtürme und Pumpanlagen gebaut werden können. Hinzu kommen die schwer und nur teuer lösbaren ökologischen Probleme, die ja – zumindest offiziell – ein zentraler Angriffspunkt Kasachstans gegen Eni und das Konsortium waren. Über diesen, vor wenigen Monaten noch zentralen Punkt, wurde jetzt keine Information verbreitet. Also ist alles in Butter? Das glaube ich nicht! Oder war der Punkt eher? Das weiß ich nicht! Jedenfalls haben sich beide Seiten offensichtlich beruhigt. Bei den Investoren ist das Vertrauen in die prinzipielle Berechenbarkeit der kasachischen Politik gegenüber ausländischen Großinvestoren zumindest für den Augenblick wiederhergestellt. Nach der Härte der Auseinandersetzung schien das nicht unbedingt sicher. Die kasachische Seite hat für sich sicher festgestellt, wie weit man mit seinen Forderungen gehen kann, ohne dringend benötigte Partner zu verprellen. Es hat also keine Seite für sich gesiegt, sondern wohl eher die wirtschaftliche Vernunft. Es wäre auch verwunderlich, wenn dies anders wäre. Schließlich ist Kaschagan mit mindestens einer Milliarde Tonnen hochwertigen Erdöls und zusätzlich einer großen Menge Begleitgases wirtschaftlich eine außerordentlich attraktive Lagerstätte und eines der größten, in den letzten Jahren neu entdeckten Ölfelder weltweit. Die Aussichten sind für beide Seiten ganz einfach zu herrlich, um sich da auf Dauer etwas zu verbauen.

Bodo Lochmann

23/05/08

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