„Ich habe nie gedacht, dass ich Musiker werde – ich spiele bis heute kein Instrument. Aber warum eigentlich nicht?“
Wir haben uns mit Aibek in einem Volkspark in Berlin getroffen, um über sein untypisches Hobby zu sprechen. Der Park ist eine eher ungewöhnliche Umgebung für ihn, denn Aibek ist meist in seiner Berliner Wohnung anzutreffen – zwischen Laptop, Kopfhörern und Lautsprechern.
Dort empfängt er regelmäßig Gäste: Freunde und Interessierte kommen zu Besuch, um an einem Event teilzunehmen, das man als „Boiler Room“ bezeichnen könnte.
„Für eine Weile habe ich ständig nach Partys oder nach Menschen gesucht, die mich zu einem Event einladen, bei dem ich dann spielen könnte. Irgendwann habe ich mich gefragt: Warum soll ich überhaupt auf eine Einladung warten? Ich kann doch selbst eine Party organisieren! So haben meine – heute schon regelmäßigen – Treffen damals angefangen.“
Seitdem ist einiges passiert
Aibek hat neue Kontakte geknüpft, wurde von einem kirgisischen Musiker zu einem Festival am Issyk-Kul als DJ eingeladen, ist bei Veranstaltungen von Novastan aufgetreten und hat eine gemeinsame Radiosendung mit Ais eingespielt.
Doch dieser Erfolg kam nicht über Nacht. Seine Geschichte beginnt weit entfernt von Berlin – in der kleinen Stadt Naryn in Kirgisistan. Schon als Teenager interessierte sich Aibek intensiv für Musik. Als es populär wurde, Musik nicht nur mit Instrumenten, sondern auch mit dem Computer zu machen, begann er, verschiedene Programme zu recherchieren und sich selbst beizubringen, wie so eine Musikproduktion per Computer funktioniert. „Anfangs war alles überwältigend, aber mit der Zeit habe ich die Möglichkeiten entdeckt: Synthesizer, Sampler, Effekte.“
Da Aibek damals kein Internet zu Hause hatte, ging er ins Internetcafé, um dort zu recherchieren und sich in das Thema einzuarbeiten: „Ich erinnere mich nicht mehr, wie viele Manuals mit mehreren Hundert Seiten ich damals gelesen habe.“
Später wurde er im Rahmen seines Bachelorstudiums für ein Austauschprogramm nominiert und zog nach Zwickau, wo er Informatik und Programmieren studierte. Das Studium war zeitintensiv und anspruchsvoll, doch seine Leidenschaft für Musik blieb bestehen. Während des Austauschs schlug Aibek einem Freund vor, beim Internationalen Tag an der Hochschule Zwickau ein DJ-Set zu spielen: „Ich fand immer lustig, was ich bisher in Deutschland in Kneipen oder Clubs gehört hatte. Bei uns wird ganz andere Musik gespielt. Deshalb haben wir uns Sorgen gemacht, ob unsere deutschen Kommilitonen uns überhaupt verstehen. Die Reaktion war unerwartet – und viel besser, als wir dachten. Die Studierenden haben es so sehr gemocht, dass wir noch ein paar Mal ähnliche Veranstaltungen organisiert haben. Unsere Musik kam super an!“
Sein Musikstil?
Disco und House – mit westlichen Einflüssen, aber auch das Remixen kirgisischer Lieder. Besonders reizt ihn die Verbindung traditioneller Instrumente mit elektronischen Sounds: „Das ist ein spannendes Feld, das ich weiter erforschen will. Niemand hat das bisher gemacht.“
Nach dem Uniabschluss folgte eine Zwischenphase, in der Aibek versuchte, sich in Berlin einzuleben, was ihm zunächst schwerfiel. Die Anfangszeit war geprägt von Einsamkeit, Sprachbarrieren und hohen Lebenshaltungskosten: „Damals habe ich rational entschieden, Berlin zu verlassen. Heute habe ich mehr Kontakte, bessere Sprachkenntnisse – und eine neue, spannende Arbeitsstelle.“
Musik als Leidenschaft – nicht als Beruf
Aibek lacht über jeden Versuch, ihn als Musiker zu bezeichnen. Er liebt seine Arbeit als Programmierer, interessiert sich sehr für Technologie und möchte beides parallel weiterentwickeln: „Für mich ist Musik mehr als ein Hobby – eine Nebentätigkeit, die ich weiter ausbaue und meistere.“ Sein nächstes Ziel ist ein eigenes Album, das kirgisische Instrumente mit Techno verbindet. „Ich habe schon erste Ideen, vielleicht klappt es mit einem Label.“ Außerdem plant er eine Zusammenarbeit mit anderen Musiker:innen und Sänger:innen – darauf ist er besonders gespannt!
Aibeks Geschichte zeigt, wie Migration, Technologie und Musik neue Wege eröffnen können. „Man kann heutzutage zwei bis drei Sachen gleichzeitig machen und trotzdem erfolgreich sein“, sagt er. In Berlin hat Aibek nicht nur ein neues Zuhause gefunden – sondern auch seine musikalische Stimme.