Ein Gespräch mit Xenia Solowyjewa und Rustem Abdraimow aus Kasachstan, die derzeit im Deutschen Bundestag als Praktikanten tätig sind

DAZ: Wie kam es dazu, dass Sie im Deutschen Bundestag Praktikum machen?

Xenia Solowyjewa: Vom Programm „Internationales Parlamentspraktikum“ habe ich durch die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Almaty erfahren. Ich wollte die Möglichkeit unbedingt nutzen. Es gab zwei Auswahlschritte: Zuerst musste man allen angegebenen Voraussetzungen entsprechen und dafür Bewerbungsunterlagen (Zeugnisse, Empfehlungsschreiben etc.) als Nachweis vorlegen. Danach gab es ein Auswahlgespräch mit Abgeordneten des Deutschen Bundestags in der Deutschen Botschaft von Almaty. Beide Auswahlschritte habe ich mit Erfolg überstanden, und so durfte ich am 1. März 2005 zusammen mit vier weiteren Kasachstanern mein Praktikum beginnen.

Rustem Abdraimow: Von dem Programm habe ich zufällig durch eine Kollegin erfahren. Sie hat mich gefragt, ob die Teilnahme an dem Programm für meine beruflichen Perspektiven nützlich sein könnte. Die positive Antwort auf diese Frage resultierte bei mir aus den Überlegungen, ob ich dabei weitere theoretische und praktische Kenntnisse im Bereich der Finanz- und Wirtschaftspolitik erwerben kann. Zum Zeitpunkt der Bewerbung hatte ich gerade mein Aufbaustudium im Rahmen des Programms „European Masters of Public Administration“ an der Verwaltungshochschule Speyer beendet und überlegte intensiv, ob sich die Teilnahme an dem Programm lohnen würde.

DAZ: Was sind Ihre Aufgaben im Deutschen Bundestag?

Abdraimow: So wie bei den anderen Bundestagpraktikanten umfasst auch mein Praktikum verschiedene Tätigkeiten für die Abgeordnete. Diese Tätigkeiten kann man in zwei Bereiche teilen. Da wären zuerst allgemeine Bürotätigkeiten, wie zum Beispiel Kopieren, Briefe abschicken, Telefonieren etc. Zum anderen Bereich gehören wissenschaftliche Tätigkeiten wie Übersetzungen, Zusammenfassungen von Berichten, Recherchieren dazu. So habe ich mich zum Beispiel mit einer Zusammenfassung zum Thema „Projekt Soziale Stadt“ beschäftigt oder einen Beschluss des Präsidenten der Republik Weißrussland über Menschenhandel aus dem Russischen ins Deutsche übersetzt.

Solowyjewa: Meine Aufgaben sind typisch für einen wissenschaftlichen Mitarbeiter. Ich erfasse Briefe, recherchiere, telefoniere, schreibe Pressemitteilungen usw.

DAZ: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Ihren jeweiligen Abgeordneten?

Abdraimow: Meine Abgeordnete ist Marga Elser von SPD. Wir haben eine freundliche und vielseitige Zusammenarbeit. Ich nehme gern sowohl an allen von ihr vorgeschlagenen Sitzungen im Deutschen Bundestag teil als auch an informellen Treffen und Festen der SPD-Fraktion, wie zum Beispiel das Hoffest der SPD. Die gute Zusammenarbeit zwischen den Ländern ist wohl das Wichtigste in der Zeit der Globalisierung. Letztendlich wird sie von der Zusammenarbeit zwischen den Menschen verschiedener Nationalitäten geprägt. In Zukunft möchte Frau Elser gern Kasachstan besuchen, um die Sehenswürdigkeiten im Süden des Landes – entlang der Seidenstraße – zu besichtigen.

Solowyjewa: Mein Abgeordneter ist Wolfgang Börnsen von der CDU, aus dem Wahlkreis Bönstrup. Wir verstehen uns gut, er nimmt mich wirklich ernst. Das ist wohl das Wichtigste, wenn man zusammenarbeitet.

DAZ: Was gefällt Ihnen am politischen System Deutschlands und was nicht?

Abdraimow: Das ist eine schwierige Frage. Ich denke, jedes politisches System hat seine Vorteile und Nachteile. Einige der wichtigsten Kriterien sind die Möglichkeit der Beteiligung des Volkes an politischen Entscheidungen, das Niveau der Entbürokratisierung, die Bürgernähe. Das Vorhandensein dieser Merkmalen im politischen System Deutschlands macht es beispielhaft.

Solowyewa: Über das System selbst kann man allerdings auch streiten. Demokratie ist ja auch wieder nicht die perfekteste Regierungsform. Sie beinhaltet viele Diskussionen – und Diskussionen können bekanntlich zur Demagogie und Rednerei ohne wirkliche Taten führen. Die Folge ist, dass etwa ein schwieriger Begriff wie „Politikverdrossenheit“ inzwischen selbst bei den Ausländern bekannt ist. Was ich allerdings sehr gut am politischen System Deutschlands finde, ist seine Transparenz und Bürgernähe.

DAZ: Wo werden oder möchten Sie später arbeiten?

Solowyjewa: Ich würde gern später als Pressesprecherin oder im PR-Bereich tätig werden.

Abdraimow: Leider kann ich diese Frage zur Zeit nicht beantworten. Ich möchte nur sagen, dass ich meine Arbeit professionell machen will, egal was für eine Berufstätigkeit ich ausüben werde. Das ist für mich von sehr großer Bedeutung.

DAZ: Welche Erfahrungen aus Ihrer Arbeit im Bundestag möchten Sie in Ihrer Arbeit gern anwenden?

Solowyjewa: Jede Erfahrung ist wertvoll. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass alles, was ich hier gelernt oder beo-bachtet habe, mir in meinem weiteren (Berufs-)Leben vom Nutzen sein wird.

Abdraimow: Ich denke, alle Erfahrungen, die man im Leben macht, sind zu schätzen. Alle Erfahrungen aus meiner Arbeit im Deutschen Bundestag werde ich anwenden können.

DAZ: Was war das schönste Erlebnis Ihrer bisherigen Praktikumszeit?

Solowyjewa: Die Stiftungsreise war eines der schönsten Erlebnisse. Am Anfang des Praktikums haben wir eine mehrtägige Reise durch die vier größten politischen Stiftungen Deutschlands unternommen. Wir haben viele schöne Orte in Deutschland und auch in Brüssel gesehen, und die politische Landschaft des Landes im Großen und Ganzen kennen gelernt.

Abdraimow: Die schönsten Erlebnisse meiner Praktikumszeit sehe ich „dienstlich“ und „außerdienstlich“. Den Besuch des Wahlkreises in Aalen, der im Rahmen des Programms vorgesehen war, schätze ich als erfolgreich ein. Dabei habe ich mich an verschiedenen Aufgaben beteiligt. Es fanden dort Oberbürgermeister-Wahlen statt, wo ich außer anderen Aufgaben bei der Verteilung von Wahlprospekten einer Kandidatin mitgeholfen habe. Außerdem habe ich zum Zeitpunkt meines dortigen Aufenthaltes auch bei dem Infomobil des Deutschen Bundestages mitgewirkt. Dieses Infomobil informiert die Bürger in den Wahlkreisen der Abgeordneten über deren Arbeit, die Aufgaben und Arbeitsweise des Parlaments und den Hergang der Gesetzgebung.

Zu den schönen „außerdienstlichen“ Erlebnissen gehörte die Durchführung des kasachischen Kulturabends. Die Durchführung des Abends war für unsere kasachische „Delegation“ von großer Bedeutung, und es war eine Ehre für uns. Das Publikum des Abends bekam die Möglichkeit, mehr über die Kultur unseres Landes zu erfahren. Dazu gehören die traditionelle kasachische und die moderne kasachstanische Musik, Tanz, Modenschau und kulinarische Spezialitäten.

DAZ: Wie gefällt Ihnen Berlin?

Abdraimow: Berlin ist eine vielfältige Stadt. Man trifft auf zwei unterschiedliche Arten der Kultur in den östlichen und westlichen Stadtteilen. Ich wundere mich über die guten Verkehrmöglichkeiten zwischen den Stadtteilen und die multikulturelle Vielfalt, die man hier findet.

Solowyjewa: Ganz ehrlich, Berlin gefällt mir. Die Stadt ist zwar grau, viel zu viel Beton, jedoch scheint sie lebendig und lebensfroh zu sein, wie das Graffiti an den grauen Häuserwänden. Das Kulturangebot ist kaum zu übertreffen und das Multi-Kulti-Flair macht die Stadt unvergleichbar.

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch!

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