Das Verhältnis zwischen Deutschland und Kirgisistan steht auf einem stabilen Fundament – doch es gibt viel Raum für Ausbau. Die neue deutsche Botschafterin in Bischkek Monika Lenhard erläutert im Interview, welche Rolle Bildung, Wirtschaft und zivilgesellschaftliche Kontakte für die Zukunft der Partnerschaft spielen.

Frau Lenhard, Sie sind seit kurzem Botschafterin in Bischkek. Was waren Ihre ersten Eindrücke von Kirgisistan und seinen Menschen?

Meine ersten Eindrücke von Kirgisistan sind durchweg positiv. Das Land hat mich schon auf den ersten Blick mit seiner beeindruckenden Natur und seiner landschaftlichen Vielfalt begeistert. Insbesondere die Berge sind sehr beeindruckend! Zugleich sieht man, dass Kirgisistan ein Land ist, das sich kontinuierlich entwickelt und an vielen Stellen im Wandel begriffen ist. Es gibt eine Mischung aus traditionellen Lebensformen und moderner Urbanität, die sehr spannend ist. Besonders hervorheben möchte ich aber die Menschen. Die Herzlichkeit, Offenheit und Gastfreundschaft, die ich überall erlebt habe, haben den Einstieg in meine neue Aufgabe sehr angenehm gemacht. Man wird nicht nur respektvoll, sondern auch mit ehrlichem Interesse empfangen – das schafft sofort eine Verbindung.

Haben Sie in Ihrer diplomatischen Laufbahn bereits Berührungspunkte mit dem postsowjetischen Raum oder der Region Zentralasien gehabt?

Ja, diese Region begleitet mich tatsächlich schon seit längerer Zeit. Bereits im Studium habe ich mich intensiv mit politischen und historischen Fragen des postsowjetischen Raums beschäftigt. Später hatte ich beruflich die Gelegenheit, einige Jahre in Moskau zu arbeiten, was den direkten Austausch mit Akteuren und Institutionen der russischen Zivilgesellschaft einschloss. Außerdem war ich im Auswärtigen Amt im Referat für Südkaukasus und Zentralasien tätig, das an der Überarbeitung der EU-Zentralasienstrategie 2019 maßgeblich beteiligt war. Dadurch war die Region für mich nicht nur politisch, sondern auch konzeptionell immer präsent.

Kirgisistan war für mich dabei schon lange ein Land, das ich gerne einmal intensiver kennenlernen wollte. Ich habe es daher auch bewusst auf meine Wunschliste der möglichen Entsendungsziele aufgenommen. Dass ich schon an der Universität Russisch gelernt habe, erweist sich nun als wertvolle Grundlage, um auch hierzulande schnell ins Gespräch zu kommen.

Wie würden Sie den aktuellen Stand der bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Kirgisistan beschreiben?

Die Beziehungen zwischen unseren Ländern haben ein stabiles Fundament und basieren auf einem gewachsenen, vertrauensvollen Dialog. Deutschland ist für Kirgisistan ein wichtiger Partner in Europa, und Kirgisistan spielt innerhalb der Region Zentralasien eine bedeutende Rolle.

Wir beobachten in den letzten Jahren ein zunehmendes Interesse der deutschen Wirtschaft an Kirgisistan. Unternehmen schauen auf Themen wie Handel, Rohstoffe, nachhaltige Entwicklung, Energie und Logistik. Auch der Tourismussektor entwickelt sich positiv – Kirgisistan wird als Reiseziel bekannter, und das schafft neue Möglichkeiten für den Aufbau von Kontakten von Mensch zu Mensch. Gleichzeitig findet der politische Austausch auch auf höherer Ebene regelmäßig statt, unter anderem im Rahmen der strategischen Regionalpartnerschaft „Zentralasien 5 + 1“, der 2023 vom damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz ins Leben gerufen wurde und auch unter der neuen Bundesregierung fortgeführt wird. Dieser Dialog ist wichtig, weil er gemeinsame Perspektiven für die gesamte Region eröffnet.

In welchen Bereichen sehen Sie das größte Potenzial für eine Vertiefung der Zusammenarbeit – in der Wirtschaft, im Bildungswesen, in der Kultur oder in der Energiepolitik?

Ich sehe in allen Bereichen Potenzial. Besonders hervorheben möchte ich jedoch den wirtschaftlichen Bereich. Hier erleben wir derzeit zunehmende Delegationsbesuche, Sondierungen und zum Teil auch konkrete Gespräche. Themen wie Transportwege, Infrastruktur und Logistik spielen eine immer größere strategische Rolle – Kirgisistan ist geografisch ein Knotenpunkt, und diese Position kann noch stärker genutzt werden. Diversifizierung ist dabei ein Schlüsselwort: sowohl für Kirgisistan als auch für die jeweiligen Partnerländer.

Gleichzeitig ist die Zusammenarbeit im Bildungs- und Kultursektor ein unverzichtbares Fundament. Sprache, Bildung und kultureller Austausch schaffen langfristiges Vertrauen. Das im Aufbau befindliche Deutsch-Französische Kulturinstitut leistet bereits jetzt wertvolle Kulturarbeit. Darüber hinaus arbeiten wir eng mit kirgisischen Bildungseinrichtungen zusammen, um junge Menschen zu ermutigen, internationale Perspektiven zu entwickeln. Wo Menschen miteinander lernen, arbeiten und schließlich gemeinsame Erfahrungen teilen, entstehen tragfähige Beziehungen, die weit über politische oder wirtschaftliche Projekte hinausreichen.

Hatten Sie bereits Gelegenheit, die deutsche Minderheit in der Kirgisischen Republik kennenzulernen? Wenn ja, welchen Eindruck hat die Gemeinschaft bei Ihnen hinterlassen?

Ja, und das war mir persönlich sehr wichtig. Mein erstes Treffen fand am 
28. August statt, dem Gedenktag an die deportierten Russlanddeutschen. Dieser Tag ist nicht nur ein historischer Erinnerungstag, sondern auch ein Moment, der deutlich macht, wie eng Schmerz, Erfahrung, Identität und Gemeinschaft miteinander verbunden sind.

Obwohl die deutsche Minderheit zahlenmäßig mit rund 8.000 Menschen vergleichsweise klein ist, ist sie bemerkenswert aktiv, engagiert und gut vernetzt. Das neue Deutsche Haus in Bischkek dient dabei als ein lebendiger Ort des kulturellen Austauschs. Was mich besonders beeindruckt hat, ist die innere Stärke dieser Gemeinschaft: Sie bewahrt ihre Traditionen, pflegt die deutsche Sprache und Kultur – und ist gleichzeitig ein sehr hoch geschätzter Teil der kirgisischen Gesellschaft, wie mir Gesprächspartner immer wieder versichern. Diese Gemeinschaft zeigt, wie kulturelle Identität Verbindungen über Zeit und Raum hinweg schaffen kann.

Viele junge Kirgisinnen und Kirgisen interessieren sich für ein Studium in Deutschland. Wie kann die Botschaft den akademischen Austausch und die Vernetzung zwischen beiden Ländern weiter fördern? Gibt es Pläne, die deutsche Sprache in Kirgisistan stärker zu fördern?

Der akademische Austausch ist eine der tragenden Säulen unserer bilateralen Beziehungen. Wir arbeiten eng mit dem DAAD zusammen, dessen Regionalbüro in Bischkek eine wichtige Rolle spielt, denn es verbindet Studierende mit Hochschulen in Deutschland, berät umfassend und vermittelt Kontakte. Auch wachsen hier verschiedene Alumni-Netzwerke und tragen so die Erfahrungen weiter.

Ein weiterer wichtiger Partner ist die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA). Sie unterstützt die acht PASCH-Schulen im Land, an denen Kinder und Jugendliche Deutsch lernen und internationale Bildungswege kennenlernen können.

Wir sehen allerdings, dass die strukturellen Rahmenbedingungen für den Deutschunterricht teilweise verbessert werden könnten – insbesondere im Hinblick auf die Anzahl der Unterrichtsstunden, um den Schülerinnen und Schülern eine gute Grundlage in der deutschen Sprache zu vermitteln. 

Ein großes Zukunftsfeld ist zudem der Bereich der beruflichen Bildung. Gemeinsam mit dem Bildungsministerium möchten wir Modelle der praxisorientierten Ausbildung stärken und weiterentwickeln. Das eröffnet jungen Menschen neue Chancen und unterstützt die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

Was wünschen Sie sich persönlich für Ihre Zeit in Bischkek?

In erster Linie wünsche ich mir viele offene und bereichernde Begegnungen – und ich bin sicher, dass es davon viele geben wird. Kirgisistan ist ein Land mit einer lebendigen Zivilgesellschaft, engagierten jungen Menschen, kreativen Köpfen und großen Ambitionen. Ich freue mich darauf, diese Vielfalt kennenzulernen.

Persönlich hoffe ich sehr, dass der Ausbau der Radwege in Bischkek weiter voranschreitet. Ich fahre leidenschaftlich gerne Fahrrad, und sichere, gut angelegte Radwege würden nicht nur zur Lebensqualität, sondern auch zur Nachhaltigkeit beitragen. Und natürlich möchte ich das Land intensiv bereisen. Ich war bisher schon am Issyk-Kul und in der Stadt Dschalal-Abad, die jetzt in Manas umbenannt wurde. Demnächst werde ich nach Osch reisen – aber es gibt hier ja noch sehr viel mehr zu sehen!

Vielen Dank für das Gespräch. Die Redaktion der DAZ wünscht Frau Lenhard einen guten Start und eine erfolgreiche diplomatische Mission in Kirgisistan. 

Das Interview führte Annabel Rosin. 

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