Vergangene Woche bereiste Natalie Pawlik, die Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Kasachstan. Im Zuge ihres Aufenthalts in Almaty besuchte die Bundestagsabgeordnete am 25. Mai auch das Theaterfestival „Spielbergata“, bei dem Jugendliche aus Kasachstan, Polen und Usbekistan die (kasachstan-)deutsche Kultur spielend kennen lernen konnten.

Nur eines der acht Theaterstücke, die am Freitag, den 24. Mai 2024 am Deutschen Theater in Almaty aufgeführt wurden, konnte am darauffolgenden Tag bei der Preisverleihung als bestes Stück ausgezeichnet werden. Dennoch betonte Natalie Pawlik, dass es „am heutigen Tag nur Gewinner“ geben könne, und lobte den Elan und den Spaß, mit denen die Bühne des Theaters an diesen Tagen erfüllt war.

Mit einer Delegation aus Deutschland besuchte sie mehrere Städte in Kasachstan. Ein Teil dieser Reise war ein Treffen mit kasachischen Senatsabgeordneten und der Botschafterin Monika Iwersen in Astana (die DAZ berichtete). Darunter war auch Yevgeniy Bolgert, Aufsichtsratsvorsitzender der Gesellschaftlichen Stiftung „Wiedergeburt“, deren Jugendorganisation das Theaterfestival unter der Leitung von Kristina Larina und Maksat Amanschol ausrichtete.

Freiwilliges Engagement wichtig für gesamte Minderheit

Kristina Larina eröffnete dann auch am 25. Mai den Tag der Preisverleihungen, den letzten Tag des Festivals, mit einem kurzen Interview mit Natalie Pawlik. Die Bundestagsabgeordnete sagte, sie sei „sehr positiv beeindruckt von Kasachstan“ und der Vielfalt von Menschen, die hier leben. Sie lobte auch die Motivation, das Engagement und die vielfältige Arbeit der Jugendverbände und die freundschaftliche Art und Weise, mit der die Projekte umgesetzt werden. Das freiwillige Engagement sei keineswegs selbstverständlich, aber nur dadurch könne diese „Arbeit leben und in die Zukunft getragen werden für die gesamte deutsche Minderheit“. Sie habe große Erwartungen an das Festival und wisse, wie viel Engagement hereingebracht wurde.

Nachdem die Gäste Platz genommen hatten und auch von Dmitry Redler, dem Geschäftsführer der Stiftung „Wiedergeburt“, begrüßt wurden, präsentierten die Jugendlichen die Ergebnisse der Workshops der letzten Tage. In einem Halbkreis stehend spiegelten sie zunächst die Gesten und Worte des Theaterpädagogen Fjodor Stepanow. Im Anschluss gab es mehrere kurze Schwänke mit Bezug zur wolgadeutschen Geschichte. Abgerundet wurde der Block mit einer Choreographie zum aktuell im deutschsprachigen Raum viralen Hit „Rhabarber Barbara“ unter der Leitung von Gulnas Baiguanyschewa vom Deutschen Theater.

Die Preisverleihung wurde eingeleitet durch ein Video mit Statements der Jugendlichen darüber, was das Festival für sie persönlich bedeute. Für die meisten war die Verbindung zur deutschen Kultur, zur deutschen Geschichte und zur Sprache am wichtigsten. Aber auch Schauspielfähigkeiten und Einblicke in die Welt der Kunst spielten eine große Rolle.

Sowohl herausfordernd als auch erfüllend

Das Deutsche Theater war stark in die Organisation miteinbezogen. Nicht nur mit Natascha Dubs als künstlerischer Leitung, sondern auch mit den Schauspielerinnen und Schauspielern, die mit ihren deutschen Trachten die Atmosphäre authentischer machten. Der Regisseur der Gruppe A-Theater aus Almaty, Iwan Worontschichin, der am Deutschen Theater unter anderem als Darsteller des Andri in „Andorra“ brillierte, bezeichnete die Arbeit mit den Jugendlichen aufgrund deren fehlender Erfahrung sowohl als herausfordernd als auch als erfüllend. Und seine Arbeit sollte sich auszahlen, denn er gewann den Preis als bester Regisseur. Folgende Preise wurden an jenem Abend verliehen:

• Beste musikalische Gestaltung: Gruppe „Jugendstern“ aus Taschkent
• Bestes schauspielerisches Ensemble: Gruppe „Talente“ aus Taras
• Beste Inszenierung: Gruppe „Bunt“ aus Aksu
• Beste Schauspielerin: Alice Zakharova, Gruppe „Die drei Spatzen“ aus Uralsk
• Bester Schauspieler: Bruno Gawlik, Gruppe „Alles nur Theater“ aus Polen
• Bester Regisseur: Iwan Worontschichin aus Almaty mit der Gruppe „A-Theater“
• Bestes Deutsch auf der Bühne: Gruppe „Diamant“ aus Astana
• Beste Theateraufführung: Gruppe „Theater Zodiak“ aus Kokschetau

Ausgewählt wurden die Gewinnerinnen und Gewinner von der Jury bestehend aus Marek Gryglewicz vom Goethe-Institut Almaty, Olga Beder aus der Regionalgesellschaft „Wiedergeburt“ in Semei und Natascha Dubs.

Leidenschaften verfolgen und sich nicht entmutigen lassen

Der Höhepunkt des Tages sollte die Aufführung der Gewinnergruppe aus Kokschetau sein, doch zunächst mussten sich die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler vorbereiten und die Gäste und Jugendlichen nutzten die Pause für eine kurze Frage- und Antwortrunde mit Natalie Pawlik im Foyer. Pawlik erzählte von ihrer eigenen Migration von Sibirien nach Deutschland im Alter von sechs Jahren, dem Beginn ihres Engagements während der Schulzeit und wie sie dadurch politisiert wurde, die Wahlen 2017 noch verlor und es 2021 dann in den Bundestag schaffte. Sie gab den Jugendlichen mit auf den Weg, ihre Leidenschaften zu verfolgen, sich nicht entmutigen zu lassen und für die eigenen Interesse einzustehen. Am Ende der Fragerunde überredeten die Jugendlichen Natalie Pawlik ebenfalls dazu, ein TikTok-Video mit dem „Rhabarber Barbara“-Tanz aufzunehmen.

Dann war es so weit. Im großen Saal des Deutschen Theaters Almaty kehrte Stille ein. Das Stück „Der unterbrochene Film“ warf die Zuschauer zurück ins Jahr 1948, in ein kleines Dorf in der Sowjetunion. Die Protagonisten sind Willi und Rebecca, die bei ihrer Tante und Großmutter wohnen und auf ihre Eltern warten, die an der Front im Kampf gegen die Faschisten sein sollen. Die Kinder versuchen, einen Film über den Krieg zu schauen, werden aber aus dem Kino hinausgeworfen. Da sie das Ende des Films verpasst haben, kommt ihnen die Idee, es selbst zu inszenieren. Bei der wilden Schlacht geht allerdings das Gemüsebeet der Familie kaputt und Tante Lisa ist schrecklich wütend. Während der Bestrafung zeigt die Großmutter zunächst erstaunliche Milde. Dann tritt jedoch ein Soldat hinzu, der einen Brief überreicht. Der Inhalt des Briefs lässt sich nur erahnen, denn die Großmutter sinkt zu Boden und bricht in Tränen aus.

Die Aufführung der Jugendlichen aus Kokschetau war beeindruckend. Wie die anderen Stücke zeigt auch „Der Unterbrochene Film“ einen Teil der Geschichte der ethnischen Deutschen in der Nachkriegszeit der Sowjetunion, deren Lebensrealität von Verlusten, von Deportation und von Isolation geprägt war. Beim Stück aus Polen ging es um deutsch-schlesische Schriftsteller und so fügt es sich ein in den roten Faden, in die Geschichte der ethnischen deutschen Minderheiten.

Ein unvergessliches Erlebnis

Nach stehenden Ovationen gab es abschließende Dankesworte an das Deutsche Theater, die Stiftung „Wiedergeburt“, den Verband der Deutschen Jugend Kasachstans und deren Freiwillige für die Organisation und an das Bundesministerium des Innern und für Heimat, mit deren finanzieller Unterstützung das Projekt realisiert werden konnte.

Für die Teilnehmenden war Spielbergata ein unvergessliches Erlebnis und die Chance, Schauspielerfahrung zu gewinnen und etwas über die Geschichte ethnischer deutscher Minderheiten zu lernen. Für das Publikum war es ein unterhaltsamer und lehrreicher Nachmittag mit interessanten Kurzgeschichten, Tänzen, Improvisationstheater und schließlich der spannenden Inszenierung der Gewinnergruppe aus Kokschetau. Allerdings, und da ist Natalie Pawlik Recht zu geben, kann es bei einer solchen Veranstaltung nur Gewinner geben, und dem Mut und Engagement der Jugendlichen sollte auch in Zukunft durch solche Veranstaltungen die Möglichkeit gegeben werden, sich zu entfalten.

Lukas Grebenstein

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1 Kommentar

  1. Danke für diesen tollen Bericht, Herr Grebenstein.
    Ich fühle mich durch ihre authentische und bildlich darstellende Schreibweise als wäre ich persönlich dabei gewesen.
    Weiterhin werde ich Ihre Zeitungsartikel aufmerksam verfolgen und freue mich in diesem Zuge auf viele weitere.
    Vielleicht schreiben Sie mal ein Buch oder veröffentlichen ihre eigenen Memoiren, mich haben Sie definitiv vollends von Ihrer Schreibkunst überzeugt.

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