Die Regierung Massimow ist etwas mehr als ein Jahr im Amt – Zeit, ein Resümee ihrer Arbeit zu ziehen. Das geht nur anhand der offiziellen Verlautbarungen und Fakten, die nicht immer alle Probleme und die wirkliche Situation widerspiegeln können oder sollen.
Der Leser sei daran erinnert, dass die kasachische Regierung nicht vom Volk gewählt, sondern vom Präsidenten ausgewählt wird. Dieser hat auch die Befugnis, die gesamte Regierung oder auch einzelne Minister kurzfristig zu entlassen, ohne dass deswegen Neuwahlen anberaumt werden müssten. Formell ist natürlich die Zustimmung des Parlaments zu all diesen Personalangelegenheiten notwendig, aber das ist absolut keine Hürde, da ein Einparteienparlament gegeben ist. Weiterhin ist anzumerken, dass der Großteil der strategischen Arbeit vom Apparat des Präsidenten geleistet und als eine Art Vorgabe der Regierung überreicht wird.
Es ist jetzt die siebte Regierung, die in der kurzen Zeit der Unabhängigkeit Kasachstans das Land verwaltet und zum Teil auch politisch führt. Regierungen haben hier eine relativ kurze Existenzdauer, was der Qualität des Regierens nicht unbedingt zuträglich ist. All diejenigen, die in irgendeiner Art direkt mit den Ministerien zu tun haben, können ein Klagelied darüber singen, wie schwer es bei dem oftmaligen Wechsel von Ministern und anderen verantwortlichen Beamten ist, die Kontinuität der eigenen Arbeit zu sichern. Dennoch ist zu sagen, dass an die Regierung Massimow auch die Erwartung gerichtet ist, längerfristig stabil und effektiv zu arbeiten. Ob ihr das gelingt, wird sich allerdings erst in ein paar Jahren zeigen.
Angeschoben wurden im ersten Jahr der Regierung Massimow durchaus eine ganze Reihe wichtiger Dinge: Infrastrukturprojekte, die Schaffung von Rahmenbedingungen zur Sicherung eines nachhaltigen Wirtschaftens, die Weiterführung der Reform des staatlichen Verwaltungssektors, die Sozialpolitik, die Diversifizierung der Wirtschaft über die berühmten 30 Stoßprojekte und das Einrichten von unabhängigen Regulierungsbehörden für staatliche Halbmonopolzweige wie Telekom, Eisenbahn, Post und Energieversorgung. Der Effekt aus diesen Projekten wird erst allmählich eintreten, Sensationen sind eher nicht zu erwarten.
Erreicht wurde eine ganze Menge – wenn auch nur zum Teil durch Eigenleistung bedingt: die Wirtschaft wuchs weiter, 41 Industrieobjekte wurden mit staatlicher Finanzhilfe errichtet und in Betrieb genommen. Das brachte rund 240.000 neue Arbeitsplätze. Außerdem wurden 226 Kindergärten und 242 Schulen eröffnet. Die Reallöhne stiegen um 17 Prozent, und der Anteil derjenigen. Die unter der offiziellen Armutsgrenze leben, sank von 17,7 Prozent auf 13,8 Prozent, um nur einige Punkte zu nennen. Dieser kurze Querschnitt positiver Dinge zeigt, dass es durchaus Anlass zum Jubeln gibt. Das soll man auch tun, aber dabei die Realitäten nicht aus den Augen verlieren.
Die Probleme – sowohl hausgemachte, als auch von den Weltmärkten importierte – häufen sich. Deren Bewältigung aber wird wohl das Maß sein, mit dem die Regierung Massimow zu messen sein wird. Zunächst wird sich das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr deutlich verlangsamen. Dabei ist ein geringeres Wirtschaftswachstum vernünftig und wünschenswert, weil so die negativen Folgen einer gegebenen Überhitzung der Wirtschaft steuerbarer sein dürften. Als weiteres Problem steht die weltweite Finanzkrise, von der noch im Frühherbst 2007 behauptet wurde, dass sie in Kasachstan Ende des letzten Jahres ausgestanden sei.
Doch jetzt nehmen gerade diese Krise und ihre Folgen, einen zentralen Platz in den Vorhaben der Regierung für dieses Jahr ein: nicht unerhebliche Mittel im Staatshaushalt sind zur eventuellen Krisenbewältigung eingeplant. Natürlich ist auch das Dauerthema Inflation nicht vom Tisch. Im vergangenen Jahr sind landesweit zum Beispiel die Tarife für Elektroenergie um etwa 30 Prozent, die für Wasser um 13 Prozent und weitere mit der Sicherung von Grundbedürfnissen der Bevölkerung verbundene Dienstleistungen um 22 Prozent nach oben geschnellt. Die allgemeine Inflationsrate für 2007 von 18,8 Prozent kann hässlich genannt werden, ökonomisch ist sie schon eine kleine Katastrophe. Wenn nämlich die Löhne real um 17 Prozent gestiegen sind und die Inflation 19 Prozent beträgt, müssen die Löhne nominal, also einschließlich Inflation, um 36 Prozent gestiegen sein. Das ist enorm und bedeutet vor allem eine Verteuerung der Arbeitskraft, der eine Produktivitätssteigerung von „nur“ sieben Prozent entgegensteht. Die Regierung hat also mehr als genug zu tun, allzu lange kann sie sich nicht mit dem Feiern des Erreichten aufhalten.
Bodo Lochmann
29/02/08