Nun sind sie – für mich, endlich – vorbei, die Olympischen Spiele von Peking. Ich sage „endlich“, weil diese Art von Massenpsychose nicht mein Fall ist, obwohl ich selbst einmal Leistungssport betrieben habe. Hier in Europa ist nach der Vergabe Olympias an China vor sieben Jahren viel über die Richtigkeit dieser Entscheidung diskutiert worden.
Auch während der Spiele und nach ihrer Beendigung gab und gibt es viele unterschiedliche Bewertungen. Neben dem Gigantismus der Bauten und Veranstaltungen sowie dem Perfektionismus der Organisation werden die ursprünglichen Erwartungen an Olympia in Peking heftig diskutiert: Die Öffnung des Landes hin zu mehr Demokratie und Menschenrechten, auch unter Beachtung der Besonderheiten Asiens. In dieser Frage sind sich die Beobachter anders als bei der Bewertung der sportlichen Seite eher uneins. Die meisten gehen davon aus, dass die Spiele hinsichtlich der politischen Öffnung nicht allzu viel gebracht haben dürften. Aber das kann nur langfristig beurteilt werden.
Immer wieder ist vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und den chinesischen Organisatoren beschworen worden, dass es keine politischen Absichten hinter den Spielen gäbe. Das ist natürlich Unsinn. Gerade Peking hat die Politisierung dieser Veranstaltung gezeigt. Die Organisation lag fest in der Hand der Politiker, der ganze Staat und die Gesellschaft wurden von oben mobilisiert, um der Welt ein modernes China zu präsentieren, das es so wahrscheinlich nicht gibt. Wenn – um nur ein Beispiel zu nennen – zwei Frauen von 80 Jahren zu einem Jahr Erziehungslager verurteilt werden, nur weil sie einen Antrag abgegeben haben, um in den offiziell eingerichteten Protestzonen ihren Unmut über die fehlende Entschädigung ihrer für olympische Bauten geopferten Wohnungen zu protestieren, ist das natürlich Politik. Nach europäischer Lesart allerdings nicht Politik der feinsten Art.
Doch uns interessiert hier die Seite der Ökonomie, obwohl die nicht von der politischen zu trennen ist. Solche Großveranstaltungen kosten natürlich enorm viel Geld und bisher ist es nur selten gelungen, in der Endabrechnung von Olympischen Spielen eine schwarze Null oder gar einen leichten Gewinn zu verbuchen. In China wird die finanzielle Endziffer sicher tiefrot sein. Die Ausgaben waren deutlich höher als die Einnahmen. Man hat sich schließlich mehr als gigantische Spiele gegönnt. Alle Sportstätten und Infrastruktureinrichtungen wurden neu gebaut, modernste Technik aus aller Welt und die besten Architekten und Trainer aus allen Ländern eingesetzt. Da haben sich etwa 40 Milliarden Dollar Ausgaben angesammelt. Noch nie hat eine Stadt – die bekommt ja die Spiele zugesprochen, nicht das Land – soviel Geld ausgeben können, wie Peking. Dabei ist das nur die offizielle Zahl. Expertenschätzungen gehen eigentlich von doppelt so hohen Ausgaben aus. Die Kosten für die vielen Sicherheitskräfte, die Peking bevölkert haben, sind dabei nicht berücksichtigt. Auf der Einnahmenseite aber scheint es nicht so rosig auszusehen. Zumindest beklagt die Mehrzahl der ausländischen Sponsoren, dass die Zuschauerzahlen deutlich unter den Erwartungen geblieben sind. Das liegt zum einen an den Restriktionen bei der Vergabe von Visa für ausländische Touristen, die offiziell mit Sicherheitsfragen begründet wurden. Zum anderen war das Interesse der chinesischen Zuschauer vorwiegend nur dann gegeben, wenn auch chinesische Sportler am Start waren. Das ist zwar psychologisch verständlich, wirtschaftlich jedoch problematisch. Dabei muss auch an der nach außen perfekt erscheinenden Organisation etwas nicht gestimmt haben. Schließlich waren offiziell alle Zuschauerplätze als ausverkauft gemeldet, während bei vielen Veranstaltungen dann die Ränge doch halbleer waren. Zwar wurde noch versucht, durch das Herankarren von Studenten, Schülern und Arbeitskollektiven die Plätze besser zu besetzen, der Unmut der Sponsoren konnte aber nicht ganz beseitigt werden.
Bleibt die Frage, was aus den beeindruckenden, aber von ihren Ausmaßen her doch gigantischen und auch im laufenden Unterhalt sehr teuren Sportstätten nach den Spielen wird. Es wäre mehr als unerfreulich, wenn sie dasselbe Schicksal erleiden würden, wie die von Athen, also dem Ort der letzten olympischen Sommerspiele. Die wurden danach eigentlich nicht mehr benutzt, vergammeln und dürften in nicht allzu langer Zeit eher ein Fall für die Abrissbirne sein. Es wäre ja gut, wenn die Pekinger Spiele die Sportbegeisterung der Chinesen so weit angespornt hätten, dass sich ihre Sportstätten sinnvoll nutzen ließen.
Aus deutscher Sicht waren die errungenen 16 Goldmedaillen eher eine Enttäuschung, man hatte fest mit 20 bis 25 gerechnet. Die deutsche Wirtschaft ist jedoch sehr zufrieden. Schließlich haben deutsche Unternehmen von der Energiesparlampe, über Beschallungstechnik bis zum Hochgeschwindigkeitszug so ziemlich alles nach China verkauft, was Deutschland an Technik zu bieten hat. Also, auch aus deutscher Sicht ist die Bilanz zweigeteilt.
Bleibt der Ausblick auf London. Mich persönlich freut die Erwartung, dass die Spiele dort nicht so gigantisch und teuer sein sollen. Sie werden nicht militärisch perfekt organisiert sein, sondern einen starken Zug von Gelassenheit tragen. Man wird die Spiele weniger aus Showgründen gestalten, sondern mehr als Fest der Völker und Kulturen auf den Straßen und Plätzen der Stadt. Das hat mir an Peking gefehlt, und das ist schade.
Bodo Lochmann
29/08/08