Das Klima verändert sich. Häufig sind vom Klimawandel die Länder betroffen, die nur wenig zum weltweiten Anstieg der Treibhausgasemissionen seit dem Beginn der Industrialisierung beigetragen haben. So auch Kirgisistan. Robert Bierkandt arbeitet als deutsche Fachkraft beim kirgisischen Wetterdienst. Mit seinen Kollegen entwickelt er Szenarien, um aufzuzeigen, wie sich das Klima in den nächsten Jahrzehnten in dem zentralasiatischen Land verändern wird.

Sein Interesse für Kirgisistan begann mit Tschingis Aitmatow. Der kirgisische Schriftsteller hatte das Fernweh geweckt. Es ist ein grauer, kalter Dezembertag in Bischkek. Dichter Smog hängt über der Stadt und macht das Atmen schwer. Robert Bierkandt sitzt in seinem Büro unweit des Stadtzentrums. Das Gebäude erinnert an die sowjetische Vergangenheit der kirgisischen Hauptstadt.

Seit Juni 2017 arbeitet er als Experte des Centrums für internationale Migration und Entwicklung (CIM) beim kirgisischen Wetterdienst Kyrgyzhydromet. Dabei wird er vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert und seine Arbeit unterstützt ein Projekt zur nachhaltigen Resourcennutzung in Zentralasien der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Robert Bierkandt, kurze braune Haare, Brille, Fünftagebart, ist studierter Physiker und baut mit seinen kirgisischen Kolleginnen einen Klimadienst auf. Das Büro, an dessen Wänden jede Menge Karten, Wetterdaten und Projektbeschreibungen hängen, teilen sie sich zu viert.

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Milde Winter, trockene Sommer

„Wir entwickeln verschiedene Klimamodelle, die auf zwei Szenarien basieren. Das eine geht davon aus, dass es kein Klimaabkommen gibt. Das zweite, dass es eines gibt“, erklärt Bierkandt. Im Dezember 2015 einigte man sich auf der Pariser Klimakonferenz, die globale Erderwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius im Vergleich zu Beginn des Jahrhunderts zu begrenzen. Ohne globale Maßnahmen zum Klimaschutz kann die Erwärmung in Zentralasien bis zum Jahr 2100 fünf oder sechs Grad Celsius betragen.

Zwar unterscheiden sich die verschiedenen Modelle in Form und Auswirkung, doch zeigen sie fast alle eine ähnliche Tendenz: Die Winter in Zentralasien werden milder und feuchter, die Sommer trockener. Für Kirgisistan heißt dies vor allem, dass die Gletscher schmelzen – eine wichtige Wasserquelle in dem Hochgebirgsland, wenn im Spätsommer kein Wasser mehr durch die im Frühjahr einsetzende Schneeschmelze verfügbar ist. Kurzfristig bedeutet dies zwar mehr Wasser, doch auf lange Sicht wird dieses der Bevölkerung und der Landwirtschaft fehlen.

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Von der Theorie in die Praxis

„Ich möchte, dass meine Arbeit eine gesellschaftliche Relevanz hat“, sagt Bierkandt. Während des Physikstudiums beschäftigte sich der gebürtige Stralsunder noch mit Grundlagenforschung. Seine Diplomarbeit schrieb er auf dem Gebiet der Astro-Elementarteilchenphysik. Durch verschiedene Auslandsaufenthalte, unter anderem in Kenia und Ruanda, wuchs sein Wunsch, praktischer zu arbeiten.

Für seine Doktorarbeit ging er dann ans Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Dort hat er die Auswirkungen von Klimaextremen auf die Weltwirtschaft untersucht. „Wenn wir vom Klimawandel reden, ist es oft etwas Abstraktes, das kleine Staaten in der Südsee betrifft. Dabei können der Westen und die sogenannten Industriestaaten ebenso betroffen sein“, erklärt der 36-Jährige.

Die Entwicklung von Klimawandelszenarien ist in Bischkek nur ein Teil von Bierkandts Arbeit. Der andere Teil besteht darin, einen Klimadienst an sich aufzubauen. Das bedeutet: Die Gründung einer neuen Abteilung anregen und Kyrgyzhydromet beim Aufbau unterstützen, Stakeholder ansprechen, Workshops anbieten. Gleichzeitig hilft er sechs verschiedenen Abteilungen bei der Einführung neuer Methoden, wie zum Beispiel die Warnung vor Lawinen oder Überschwemmungen.

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Mit Menschen arbeiten

„Kyrgyzhydromet ist die einzige Institution in Kirgisistan, die lokale Zukunftsszenarien für einen möglichen Temperaturanstieg und sich verändernde Niederschlagsmuster anbietet. Diese Szenarien basieren auf Modellsimulationen globaler Klimamodelle. Die Daten können nützlich für die Regierung, Ministerien und Gemeinden sein“, so Bierkandt. Letztendlich gehe es darum, dass sich die lokale Bevölkerung besser den veränderten Klima– und Wetterbedingungen anpassen kann. „Mir selbst ist erst hier die Relevanz von Klimadienstleistungen bewusst geworden. Das müssen wir nach außen kommunizieren.“ Er hofft, dass der Aufbau des Klimadienstes in den kommenden Monaten abgeschlossen sein wird.

Seine Arbeit in Kirgisistan kommt Bierkandts Vorstellung vom anwendungsorientierten Arbeiten schon sehr nahe: „Ich kann zu etwas beitragen, eigene Entscheidungen treffen.“ In einer Behörde zu arbeiten, sei ganz anders als in der Forschung. „Trotzdem ist es sehr interaktiv und ich habe das Gefühl, in alle Prozesse eingebunden zu werden“, sagt er. Dennoch hätte er gern noch mehr Interaktion, vor allem mit den Betroffenen. Die Bauern vor Ort wissen schließlich am besten, was es für die Ernte bedeutet, wenn im Sommer der Regen häufiger ausbleibt.

Bis zum Sommer 2019 wird er noch in Kirgisistan bleiben. Die Zeit will er nutzen, um das Land und seine Bewohner besser kennenzulernen. Dafür lernt er fleißig Russisch; bisher kommuniziert er mit seinen Kollegen vor allem auf Englisch. Außerdem würde er gern öfter reiten, erzählt Bierkandt und ist sich eines sicher: „Hier hat zwar niemand auf mich gewartet, aber trotzdem sind alle froh, dass ich da bin.“

Othmara Glas

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