Der April ist reich an Ereignissen – der erste Zentralasien-EU-Gipfel ging in Usbekistan zu Ende, und in Berlin tagt die Kasachisch-Deutsche Regierungskommission für die Angelegenheiten der in der Republik Kasachstan lebenden ethnischen Deutschen. Wir sprachen mit Roman Vassilenko, dem stellvertretenden Außenminister der Republik Kasachstan, über die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und Deutschland.
Herr Vassilenko, wie beurteilen Sie den aktuellen Stand und die Perspektiven der politischen, handelspolitischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und Deutschland?
Die Beziehungen zwischen Kasachstan und Deutschland entwickeln sich dynamisch und fruchtbar. Deutschland ist für uns ein wichtiger Partner in der Europäischen Union. In den letzten Jahren ist Kasachstan zu den 50 wichtigsten Außenhandelspartnern Deutschlands aufgestiegen. Im vergangenen Jahr erreichte das Volumen des bilateralen Handelsumsatzes 4 Milliarden Dollar. Es gibt 1.100 Unternehmen mit deutschem Kapital, die in Kasachstan tätig sind.
Meine deutschen Kollegen und ich führen einen intensiven politischen Dialog auf hoher und höchster Ebene und stärken unsere bilaterale Partnerschaft auf regionaler und internationaler Ebene. Zu diesem Zweck verfügen wir über einen umfassenden rechtlichen Rahmen. Unsere Regierungen sind daran interessiert, die kulturelle und humanitäre Zusammenarbeit und die Kontakte zwischen unseren Bürgern auszubauen.
Die Besuche des Präsidenten Kasachstans Kassym-Schomart Tokajew in Berlin und des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier in Kasachstan, die beide im Jahr 2023 stattfanden, sowie der Besuch des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz in Kasachstan im Jahr 2024 haben der bilateralen Zusammenarbeit wichtige Impulse gegeben.
Die beiderseitig vorteilhaften Vereinbarungen und Wirtschaftsverträge, die während der Besuche abgeschlossen wurden, bestätigen, dass unsere Partnerschaft ein qualitativ neues Niveau erreicht hat, das auf großem Vertrauen, Offenheit, gegenseitigem Verständnis und Unterstützung in vielen Fragen beruht.
Was die Aussichten auf die weitere Entwicklung betrifft, so sei darauf hingewiesen, dass im September letzten Jahres während des offiziellen Besuchs des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz in Astana die Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und Deutschland verabschiedet wurde, in der weitere Schritte in einem breiten Spektrum der bilateralen Partnerschaft festgelegt wurden.
Neben dem Ausbau der Zusammenarbeit in den Bereichen Industrie, Energie, Umweltschutz, Technologie und Innovation enthält dieser „Fahrplan“ auch Punkte zur Vertiefung der Kooperation in Wissenschaft und Bildung.
In all diesen Bereichen besteht ein gegenseitiges Interesse daran, die Interaktion beider Seiten weiter zu verstärken, nicht bei dem Erreichten stehen zu bleiben und maximale Anstrengungen zu unternehmen, um sicherzustellen, dass die kasachisch-deutsche Zusammenarbeit tatsächlich voll ihrem Potenzial entspricht.
Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach die Zwischenstaatliche Kommission für Deutschstämmige und andere wichtige bilaterale Plattformen – der Kasachisch-Deutsche Wirtschaftsrat und der Berlin Eurasian Club – für die Entwicklung der Partnerschaft zwischen unseren Ländern? Ist das Potenzial in diesen Bereichen ausreichend ausgeschöpft worden?
Die Deutschstämmigen Kasachstans leisten gemeinsam mit unseren in Deutschland lebenden ehemaligen Landsleuten und den dortigen Vertretern der kasachischen Diaspora einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern. Dies ist sozusagen unsere „lebendige Brücke“, die uns zur Vertiefung und Stärkung der Zusammenarbeit in allen Bereichen verpflichtet.
Im Rahmen der Regierungskommission befassen wir uns mit aktuellen Fragen der Unterstützung der in Kasachstan lebenden Deutschen sowie mit weiteren Schritten der Zusammenarbeit in den Bereichen kulturelle und humanitäre Zusammenarbeit, Informationsaustausch, Bildung, Jugendpolitik und anderen Themen.
Die Existenz solcher Plattformen wie die Zwischenstaatliche Kommission für Deutschstämmige, der Deutsch-Kasachische Wirtschaftsrat, der Berliner Eurasische Club und andere Foren für Treffen und Dialog zeugen von dem hohen Grad der Institutionalisierung der bilateralen Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und Deutschland.
Gleichzeitig unterstreicht die bevorstehende 43. Sitzung des Berliner Eurasischen Klubs und die 16. Sitzung des Wirtschaftsrates, die im Mai in Astana stattfinden werden, den langfristigen Charakter der kasachstanisch-deutschen Partnerschaft.
Die Möglichkeit, alljährlich auf verschiedenen Ebenen unter Beteiligung von Beamten und Wirtschaftsvertretern ein breites Spektrum aktueller Themen der bilateralen und multilateralen Agenda zu erörtern, spielt eine wichtige Rolle bei der weiteren Entwicklung des politischen Dialogs, beim Bereichern der handelspolitischen, wirtschaftlichen, kulturellen und humanitären Partnerschaft mit neuen Inhalten, neuen Ideen und Initiativen, was letztlich die Interaktion zwischen Astana und Berlin in genau definierten Bereichen auf eine neue Ebene heben wird.
In diesem Jahr wurde das lang erwartete Verfahren zur Vereinfachung der Visaregelung zwischen Kasachstan und den europäischen Ländern eingeleitet. Was sind die nächsten Schritte bei der Entwicklung der strategischen Partnerschaft?
Wir begrüßen die Entscheidung des Europäischen Rates, der Europäischen Kommission ein Mandat für das Aushandeln eines Abkommens über Visaerleichterungen zwischen Kasachstan und der EU zu erteilen. Nun haben wir viel Arbeit vor uns, um die Texte der Abkommen zu harmonisieren.
Generell können wir eine hohe Dynamik der politischen Kontakte und die systematische Entwicklung einer vielseitigen Zusammenarbeit sowohl auf bilateraler als auch auf regionaler Ebene feststellen.
Insbesondere möchte ich das Gipfeltreffen zwischen Zentralasien und der Europäischen Union erwähnen, das letzte Woche in Samarkand stattfand. Eines der wegweisenden Ergebnisse des Gipfels war der gemeinsame Beschluss, die Beziehungen zwischen Zentralasien und der Europäischen Union zu einer strategischen Partnerschaft aufzuwerten.
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, bezeichnete das hochrangige Treffen als den Beginn einer „neuen Ära“ in der Geschichte der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Regionen und nannte die zentralasiatischen Länder „zuverlässige Partner“.
Das Gipfeltreffen führte zur Verabschiedung einer gemeinsamen Erklärung, in der vorrangige Bereiche der Zusammenarbeit und Vereinbarungen in den Bereichen Verkehrsanbindung, kritische Rohstoffe, Klima, „grüne“ Energie, Digitalisierung und Entwicklung des Humankapitals festgehalten wurden.
Wie wirkt sich die internationale Agenda auf die Interaktion zwischen unseren Ländern aus und wird der Zufluss deutscher Investitionen nach Kasachstan voraussichtlich zunehmen?
Wir sehen, dass sich die Volkswirtschaften von Kasachstan und Deutschland in vielerlei Hinsicht ergänzen und aufgrund der Wettbewerbsvorteile beider Seiten effektiv miteinander arbeiten können.
In dem sich verändernden internationalen Umfeld nimmt das Interesse unserer Länder an einer Vertiefung des politischen Dialogs und der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zweifelsohne zu.
So haben beispielsweise die erzwungenen Verschiebungen auf den Weltenergiemärkten dem Handel zwischen unseren Ländern in diesem Bereich einen zusätzlichen Impuls verliehen. Gleichzeitig kann das Potenzial der bilateralen Zusammenarbeit im Energiebereich ohne Übertreibung als enorm bezeichnet werden. Dies gilt sowohl für die traditionellen Energieträger als auch für „grünen“ Wasserstoff und alternative Energien.
Anfang April besuchte eine kasachische Delegation unter Leitung des Ersten Stellvertretenden Ministerpräsidenten Roman Sklyar Deutschland. Ziel der Reise war es, die Wirtschaftsbeziehungen zu führenden deutschen Bundesländern wie Hessen und Bayern auszubauen. In Frankfurt am Main fand ein großes Forum „Kazakhstan Investment Day 2025“ statt, an dem etwa 200 Personen, darunter Beamte, Geschäftsleute und Experten beider Länder, teilnahmen. Die Ergebnisse der vergangenen Verhandlungen und Veranstaltungen haben gezeigt, dass bei unseren Partnern in Deutschland ein wachsendes Interesse an Investitionen in vielversprechende und für beide Seiten vorteilhafte Projekte besteht.
Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Aktivitäten der deutschen gesellschaftlichen Einrichtungen? Was ist wichtig zu beachten?
Gesellschaftliche Organisationen spielen eine große Rolle bei der Entwicklung der Gesellschaft und der Umsetzung der vom Staat geförderten Reformen, indem sie zur Förderung kreativer Werte und zur Bildung einer neuen Qualität der Nation beitragen.
Während meiner langjährigen Tätigkeit als Ko-Vorsitzender der Kasachisch-Deutschen Regierungskommission für Deutschstämmige konnte ich den bedeutenden Beitrag deutscher Organisationen zur Erhaltung der kulturellen Vielfalt in Kasachstan beobachten.
Wie das Staatsoberhaupt bereits auf der vierten Sitzung des Nationalen Kurultai feststellte, „bedeutet Kultur nicht nur Gebäude und Institutionen, sondern ist eine solide Grundlage für die Stärkung unserer nationalen Identität in der globalen Welt.“
Ich bin davon überzeugt, dass weitere Aktivitäten der gesellschaftlichen Organisationen der Deutschen im Bereich der Kultur, der Wissenschaft und der Bildung nicht nur eine größere Resonanz in der kasachischen Bevölkerung finden werden, sondern auch eine Garantie für den weiteren Wohlstand unseres Landes sein werden.
Die Deutschen in Kasachstan sind für ihre Tugenden wie Fleiß, Genauigkeit und Pünktlichkeit bekannt. Unsere Gesellschaft schätzt ihren großen Beitrag zur reichen sozialen und kulturellen Palette und Entwicklung unseres multinationalen Landes.
Und es ist sehr wichtig, dass dank der Unterstützung der Regierungen Kasachstans und Deutschlands, unserer zwischenstaatlichen Kommission und natürlich der aktiven Arbeit der gesellschaftlichen Organisationen der Deutschen immer mehr unserer deutschen Mitbürger ihre Zukunft mit unserer gemeinsamen Heimat – der Republik Kasachstan – verbinden.
Vielen Dank für das Gespräch. Interview: Olesja Klimenko.
Übersetzung: Annabel Rosin.