Die Finanzkrise zwingt die Unternehmen und die Politik in den meisten Ländern zu Reformen und zur Neuorientierung ihrer Strategie. Russland – der wichtigste strategische Handelspartner Kasachstans – macht da keine Ausnahme. Im Gegenteil, hier ist der Reformdruck besonders hoch, ist doch die russische Wirtschaft zum einen nach wie vor extrem abhängig von der Entwicklung der Rohstoffpreise auf den Weltmärkten, und zum anderen ist die russische verarbeitende Industrie keinesfalls in einer blendenden Verfassung.

Das demonstriert im Moment vor allem die Automobilindustrie des Landes. Der für dieses Jahr erwartete Einbruch der Wirtschaftsleistung wird mit etwa 11 Prozent fast dreimal höher ausfallen als im Weltdurchschnitt, die Industrieproduktion geht sogar noch ein paar Prozente mehr zurück. Ursachenforschung ist also gefragt, wobei es nicht sehr schwer ist, die Gründe für dieses Desaster der russischen Wirtschaftspolitik zu finden: zu starke Abhängigkeit von der Entwicklung der Weltmarktpreise für nur sehr wenige Exportprodukte aus dem Rohstoffsektor, nicht wettbewerbsfähige heimische Unternehmen und ein viel zu starkes direktes Einmischen des Staates in die Wirtschaftsprozesse.

Vor allem die Politik ist also gefragt, um einen Großteil der Missstände zu verändern. Und tatsächlich hört man neue Töne von den starken Männern Russlands, Töne, die noch vor kurzem so nicht zu vernehmen waren. Zwar werden immer noch große staatliche Unterstützungen für problembehaftete Wirtschaftszweige versprochen, doch der Ton bezüglich Gegenleistungen der Subventionsempfänger ist deutlich rauer geworden. Mit ziemlicher, bisher so nicht üblicher Schärfe hat der russische Präsident neulich von den Unternehmen gefordert, endlich energische Schritte zur Senkung des sehr hohen Energieverbrauchs der Produktion zu unternehmen.

Um 40 Prozent, so Medwedew, soll diese strategische Größe in kurzer Zeit sinken. Optimistisch stimmt auch die Zusage des russischen Präsidenten, den Ausstoß der klimaschädlichen Gase bis 2025 um 40 Prozent zu verringern. Das hat die Weltgemeinschaft mit Erleichterung aufgenommen, hatte doch Russland in dieser Frage in Vergangenheit eher gemauert. Dazu muss natürlich in moderne Technologien investiert werden, was bisher viel zu wenig passierte.

Auch die starke Rolle des Staates ist mittlerweile keine Selbstverständlichkeit mehr. „Wir sehen inzwischen auch die Konsequenzen einer zu starken Staatsbeteiligung bei den Unternehmen“, räumte der Premierminister neulich ein. Es gebe zu viel Verwaltung, zu viel Korruption und zu wenig Flexibilität. Dabei war es Putin selbst in seiner Amtszeit als russischer Präsident, der den Ausbau des staatlichen Einflusses in der Wirtschaft vorantrieb. Noch immer ist mehr als die Hälfte der russischen Wirtschaft unter direkter staatlicher Kontrolle.

Jetzt sollen – möglichst schnell – mehr als 5.000 Unternehmen privatisiert werden. Einen konkreten Fahrplan dafür gibt es noch nicht, auch ist nicht bekannt, um welche Betriebe es sich handeln soll. Das aus dem Verkauf dieser Unternehmen in den nächsten Jahren zu erwartende Geld benötigt der Finanzminister auch dringend. Das Haushaltsdefizit wird in diesem bei kaum weniger als 7 Prozent liegen, also eine unerfreulich hohe Zahl. Russland muss zur Deckung der geplanten Ausgaben erstmals seit längerer Zeit wieder Kredite im Ausland aufnehmen. 36 Milliarden Dollar sollen allein aus dem Ausland kommen. Doch ohne wesentliche Reformen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft werden diese Mittel und auch die benötigten hohen Auslandsinvestitionen nicht nach Russland fließen.

Zwar ist der Markt schon ob seiner Größe für viele ausländische Unternehmen interessant, doch die Risiken aus dem politischen Bereich sind in vieler Hinsicht kaum kalkulierbar. Das schreckt Investoren ab. Zumindest im Moment versprechen die hochrangigen Vertreter der russischen Politik den potentiellen Investoren und Unternehmern fast alles, vor allem jedoch „extreme Flexibilität und Offenheit“. Ob dies mehr als nur ein Versprechen unter dem Druck der aktuellen Not ist, wird sich zeigen, wenn die Energiepreise und damit die Exporterlöse wieder steigen. Sehr oft ist dann der Reformeifer von Regierungen wieder erlahmt.

Bodo Lochmann

04/12/09

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