Wenn über Russland und Energie debattiert wird, dann dürfen die Schlagwörter „Einsatz der Energiewaffe“ und „Rohstoffnationalismus“ nicht fehlen. Entgegen diesem Trend etabliert sich eine besondere Energiepartnerschaft zwischen Russland und Kasachstan – wobei die Zweckgemeinschaft hinter den Kulissen nicht ganz ungetrübt ist.

Vor einem Jahr verkündete Russlands Außenminister Sergej Lawrow, dass Kasachstan ein wichtiger Ressourcenstaat sei, mit dem Kooperation lohne. Und Kooperation mit seinem flächenmäßig großen und energiereichen zentralasiatischen Nachbarn prägte Russlands jüngere Energiepolitik.

Energiekooperation erwünscht?

Anders die Situation im Westen: Im Vorfeld des letzten EU-Russland-Gipfels machte der Royal- Dutch-Shell-Vorsitzende auf einer Wirtschaftskonferenz in Helsinki deutlich: „Wir wollen klare Signale hören, dass internationale Ölfirmen weiterhin willkommen sind in Russland.“ Prägnanter ist die westliche Besorgnis wegen des Trends der Renationalisierung in der Putinschen „neuen Industriepolitik“ nicht auf den Punkt zu bringen. Ausdruck der Gesamtsituation ist das Ausbleiben von Ergebnissen im europäisch-russischen Energiedialog. Hinter den Kulissen russisch-europäischer Kontroversen schwingt sich Kasachstan zum Energiepartner Russlands auf – ohne andere Interessenten an seinen Ressourcen zu verprellen. Vornehmlich in den letzten zwölf Monaten wurden hier beachtliche Fortschritte erzielt. Zum einen wurden nach dem G8-Weltwirtschaftsgipfel in St. Petersburg eine russisch-kasachische Übereinkunft über drei Joint Ventures zur zivilen Atomenergienutzung unterzeichnet. Anfang Dezember förderte das Gemeinschaftsunternehmen seine erste Tonne Uran.

Energiesymbiose Russland-Kasachstan

Neben der Atomkooperation wurde im Windschatten des G8-Gipfels eine weitreichende Kooperation in der Gaswirtschaft vereinbart. Das mündete darin, dass am 3. Oktober und in Anwesenheit der Präsidenten Nursultan Nasarbajew und Wladimir Putin die Energieminister Russlands und Kasachstans die Gründungsdokumente eines weiteren Gemeinschaftsvorhabens signierten. Die Übereinkunft sieht vor, dass Kasachstan zu 50 Prozent an der russischen Gasaufbereitungsanlage in Orenburg an der Grenze zu Kasachstan beteiligt wird. Pro Jahr sollen dort 15 Milliarden Kubikmeter kasachischen Erdgases aus dem Förderfeld Karatschaganak aufbereitet werden. Nach kasachischen Angaben werden sechs Milliarden Kubikmeter zu einem Preis von 54 US-Dollar pro 1.000 Kubikmeter zur Versorgung des Heimatmarktes genutzt. Die restlichen neun Milliarden sollen von Russland aus direkt in Pipelines nach Europa eingespeist werden. Damit die Kapazitäten für Russland verfügbar sind, wurde ein Energie-Tauschhandel mit Usbekistan vereinbart. Danach wird Usbekistan 2007 bis 2009 jährlich 3,5 Milliarden Kubikmeter Gas nach Südkasachs-tan exportieren. Kasachstan kann so eigene frei gewordene Kapazitäten an Russland verkaufen. Denn Kasachstan ist auf Russland angewiesen, um sein Erdgas auf dem Weltmarkt und vor allem nach Europa zu verkaufen.

„Kasachstans Exportrouten nach Europa sind durch die geographische Lage beschränkt und somit besteht die Notwendigkeit, Zugang zu den Gasexportrouten Russlands zu haben“, so der KazTransGas-Chef Serik Sultangalijew. „Wir verstehen sehr gut, dass in dieser Situation die Entwicklung der kasachischen Erdgasindustrie ohne Kooperation mit Russland unmöglich ist“, so Sultangalijew weiter. „Allerdings schauen wir gleichzeitig auch nach neuen Wegen, Energie auf den Weltmarkt zu exportieren“ unterstreicht er. Eine Option wäre ihm zufolge eine Gaspipeline am Boden des Kaspischen Meeres von Aktau nach Baku.

Die EU unterstützt dies und betrachtet Kasachstan als potenziell eigenständigen Energielieferanten, wie der aus Lettland stammende EU-Energiekommissar Andris Piebalgs nicht müde wird zu betonen. Russland ist gegen solch eine Gasexportroute, da es weiter sein durch das Pipelinesystem der Sowjetzeit begründetes Exportmonopol versilbern will. Das gleiche Spiel im Atomenergiebereich: Anfang Dezember unterzeichneten Kasachstan und die EU ein Kooperationsabkommen im Uranbereich – obgleich Kasachstan hier schon eng mit Russland kooperiert. Der Standpunkt Sultangalijews, die Positionierung der EU und der Zankapfel kasachische Pipeline durch das Kaspische Meer verdeutlichen, dass die russisch-kasachische Energiekooperation nicht ungetrübt ist.

Profilschärfung als eigenständige Energienation

Die russische Energiewirtschaft hat es nicht einfach, ihre Fühler nach Kasachstan auszustrecken. Die aufstrebende Wirtschaftsmacht Zentralasiens profiliert sich mehr und mehr als eigenständige Energienation und als ein Rohstoffexporteur von Weltrang und schielt auf die Erschließung eigenständiger Exportwege. Dies nach dem Motto des kasachischen Ex-Außenministers Kasymschomart Tokajew, der den Ausspruch prägte: „Je mehr Pipelines es gibt, desto besser.“ Im Sommer 2006 sondierte der ehemalige kasachische Premierminister Daniel Achmetow Investitionsmöglichkeiten im Energiesektor Bulgariens. „Unzweifelhaft ist Bulgarien von großem Interesse für uns und das nicht nur als Markt, sondern als Tor zur EU“, so der kasachische Ex-Premier damals. In dieser Region Europas könnten Kasachstan und Russland in naher Zukunft zu direkten Konkurrenten werden. Auch Russlands Lukoil und Gazprom versuchen, in Südosteuropa zu expandieren. Jüngst suchten russische Energiediplomaten den Kontakt zum EU-Beitrittskandidaten Kroatien, um dort Investitionsmöglichkeiten zu sondieren.

Doch nicht nur der Kreml und die Europäer schielen auf die kasachischen Rohstoffe, und deswegen geben sich Kommissionen und Staatsgäste aus aller Herren Länder mit Interesse am kasachischen Öl, Gas und Uran in Astana die Klinke in die Hand. Kasachstan wird vor allem auch von den USA, China, Indien und Japan als Energielieferant umworben. Just zum Jahreswechsel besiegelte das staatliche chinesische CITIC-Konglomerat (China International Trust and Investment Corp) den Kauf von Anteilen an der kasachischen Ölfirma JSC Karazhanbasmunai mit Förderrechten im Mangistau Oblast für 1,9 Milliarden US-Dollar. Da die Energieabnehmer nach kasachischen Plänen breiter diversifiziert werden sollen, verwundert es auch nicht, dass das zentralasiatische Land im Oktober einer Tochter der indischen Mittal Stahl Anteile an einer Öllagerstätte offerierte. Zuvor hatte die Mittal-Stahl-Tochter Neftegaztruba Temirtau für fast 33 Milliarden US-Dollar ein Werk zur Produktion von Ölpipelines in Aktau in Betrieb genommen.

Die energiepolitische Rückschau auf das Jahr 2006 zeigt deutlich, dass einerseits die kasachisch-russische Energiepartnerschaft vertieft wurde, andererseits jedoch die Konkurrenzsituation zwischen den beiden Energiemächten zunimmt. Gerade die aufstrebenden Mächte Asiens mit ihrem riesigen Energiehunger sowie die geographisch günstig liegende EU zeigen reges Interesse an den kasachischen Erdressourcen und scheuen sich nicht, Russlands Strategie des Transportmonopols zu durchkreuzen. Aufgrund der noch fix gegebenen Infrastruktur ist Kasachstan in den nächsten fünf bis zehn Jahren allerdings noch von durch den Kreml kontrollierten Energieexportrouten abhängig – doch das wird sich Schritt für Schritt ändern.

Von Gunter Deuber und Manuel Paffrath-Dorn

19/01/07

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