Die jetzige Regierung ist in diesen Tagen drei Jahre im Amt. Für Kasach-stan ist das eine relativ lange Zeit, manche Regierungen hielten nicht einmal die Hälfte dieser Zeit durch.

Nach europäischen Maßstäben sind diese drei Jahre fast eine ganze Legislaturperiode, so dass man schon fragen kann, was die Regierung in dieser Zeit erreicht hat. Der Amtsantritt der Regierung fällt zufällig auch mit dem Inkrafttreten der „Strategie der industriell-innovativen Entwicklung bis 2015″ zusammen. Diese Strategie – ich erinnere – soll die Diversifizierung der kasachischen Wirtschaft, also die Sicherung der internationalen Konkurrenzfähigkeit von Waren und Dienstleistungen außerhalb des Rohstoffsektors, sichern. Von manchen Kommentatoren wurde dieses Papier seinerzeit gar mit der berühmten „Neuen ökonomischen Politik” Lenins in den 1920er Jahren verglichen. Diese hatte damals eine schnelle Wiederherstellung der sowjetrussischen Wirtschaft nach dem ersten Weltkrieg und dem Bürgerkrieg bewirkt. Ähnliches, aber im Sinne der Diversifizierung, wird von der genannten heutigen Strategie erwartet.

Natürlich, so eine Plan kann erst mittel- und langfristig wirken, und nach drei Jahren Arbeit daran ist es eindeutig noch zu früh, endgültige Aussagen zu treffen. Dennoch muss man sich anschauen, was bisher passiert ist. Was man da sieht, kann nicht unbedingt erfreuen. Klar, das Produktionsvolumen ist in den letzten Jahren mit einem außerordentlich hohen Tempo von etwa neun Prozent pro Jahr gewachsen, doch das wurde fast ausschließlich durch die wachsenden Weltmarktpreise für Energieträger getrieben. Die Produktion außerhalb des Energiesektors ist zwar auch gestiegen, aber wesentlich langsamer, als im Strategiepapier geplant. Die landwirtschaftliche Produktion gar, das ewige Sorgenkind, kann letztlich nur Stagnation vorweisen. Gleiches gilt für die Diversifizierungsziele: Die Einseitigkeit der kasachischen Wirtschaftsstruktur hat sich in den letzten drei Jahren nicht verringert, sondern sogar verstärkt. Jetzt kommen 90 Prozent des Exporterlöses aus dem Rohstoffsektor, wesentlich mehr als z. B. zu Sowjetzeiten. Das ist eine gefährliche Tendenz, die man als „Wachstum ohne Entwicklung” bezeichnen kann. Dabei mangelt es keinesfalls an Geld. Davon ist eigentlich eher zuviel als zuwenig da. Sicher muss man sich auch die Effizienz des Einsatzes der nicht geringen finanziellen Mittel anschauen, die bisher in die Innovationsinfrastruktur gepumpt wurden. Doch entscheidend ist auch das nicht. Es mangelt in Kasachstan vor allem an Projekten, bei denen dieses Geld in Form von Produktion auch wirken kann. Das aber beginnt nicht beim Investieren in Maschinen, sondern im Generieren von Ideen. Man muss also wissen, was man eigentlich verkaufen kann, ehe man sich um die Produktion kümmert. Hier aber sind die Schwächen mehr als offensichtlich, sprich, es gibt praktisch keinen Ideenvorlauf. Sicher, die Regierung  kann direkt keine Produktionsideen erstellen, das ist Sache der Unternehmer. Die aber müssen dann eben nicht nur mit Finanzen unterstützt werden, sondern z. B. auch mit Trainings zur Ideengenerierung. Erfolgsgarantien gibt es aber auch dann nicht.

Bodo Lochmann

07/07/06

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