Über die internationalen Verbindlichkeiten der kasachischen Wirtschaft, vor allem des Bankensektors, ist in der hiesigen Presse schon ziemlich viel geschrieben und unter Experten viel diskutiert worden. Aktuell ist die Schallmauer von 100 Milliarden Dollar Auslandsschulden durchbrochen worden. Die Zahl, die man übrigens problemlos auf den Internetseiten der Nationalbank finden kann, ist jedoch so beeindruckend, dass sich kommentierende Erläuterungen geradezu aufdrängen.

Zum einen ist da das enorme Wachstum der Verbindlichkeiten innerhalb kürzester Zeit. Betrugen Ende 2005 die gesamten internationalen Zahlungsverpflichtungen Kasachstans noch etwa 43 Milliarden US-Dollar und damit etwa 75 Prozent vom damaligen Bruttoinlandsprodukt (BIP), sind sie bis zum 1. Juli dieses Jahres auf fast 101 Milliarden Dollar gestiegen, was fast 92 Prozent vom aktuellen BIP ausmacht. International ist es üblich bei 75 bis 80 Prozent Alarm zu geben, weil die kritische Marke erreicht ist. Kasachstan liegt im Moment also deutlich im roten Bereich.

Das Problem der Außenschulden wurde mit Beginn der Finanzkrise vor etwa einem Jahr hochaktuell, auch weil nun die Rückzahlung der aufgenommenen kurzfristigen Kredite infolge der heimischen Immobilienkrise besonders problematisch wurde. Den kasachischen Banken, die im Moment fast die Hälfte der Außenschulden zu verantworten haben, ist es gelungen die im ersten Halbjahr 2008 anstehenden Rückzahlungen von etwa 14 Milliarden Dollar termingerecht zu realisieren. Das klingt gut und ist auch gut. Es müssten sich demnach nun auch die Außenschulden entsprechend verringert haben. Doch das ist fast nicht der Fall. Denn diese gingen lediglich um 0,8 Milliarden Dollar zurück. Folglich haben entweder die rückzahlenden Banken neue Kredite aufgenommen, um alte zurückzuzahlen, oder manche Banken haben sich erstmals neu verschuldet. Die Aufnahme neuer Kredite, um alte abzulösen, ist zwar durchaus normal, dass der Schuldenstand so hoch bleibt und sogar noch wächst, ist aber eher nicht wünschenswert. Für die Banken ist die Rückzahlung natürlich keine leichte Angelegenheit, und es werden ja jetzt auch alle Anstrengungen unternommen, um die dafür notwendigen Mittel heranzuschaffen. Für die Bankkunden ist das erst einmal nicht schlecht, schließlich gehen so die Zinsen für Geldanlagen zumindest etwas in die Höhe, ohne allerdings die Verluste der Kaufkraft durch die Inflation – im Moment bei etwa 18 Prozent – ausgleichen zu können.

Beunruhigend ist aus Sicht der Liquiditätssicherung nach wie vor der hohe Anteil an zweifelhaften („faulen“) Krediten im Gesamtkreditportfolio der Geschäftsbanken. Dieser liegt mit fast 60 Prozent in einer schwindelerregenden Höhe. Nun sind von diesen 60 Prozent nicht alle Kredite in ihrer Rückzahlung akut bedroht, aber kritisch ist die Lage trotz aller Beruhigungsrethorik auf jeden Fall und wird es wohl noch mindestens zwei, drei Jahre bleiben.
Zum Aspekt der Aufnahme vor allem kurzfristiger Kredite, die auch kurzfristig zu bedienen sind, kommt nun als aktuelles praktisches Problem noch der steigende Zinssatz für diese. Die im Ausland aufgenommenen Kredite unterliegen überwiegend einer variablen Verzinsung, sie hängen also von Angebot und Nachfrage an den Geldmärkten ab. Infolge der aktuellen Liquiditätskrise und der allgemeinen Vertrauenskrise auf den internationalen Finanzmärkten hat sich das Zinsniveau in den letzten Monaten bereits etwa verdreifacht: Von 2,07 Prozent im Juni auf 6,64 Prozent vor ein paar Tagen. Die noch vorhandenen Kredite werden also automatisch teurer, und bei der schleppenden Nettotilgung werden die Gesamtschulden wohl noch weiter steigen.

Volkswirtschaftlich ist die Höhe der Außenschulden mittlerweile auch deshalb verstärkt im Blick zu behalten, weil sich die Relation der Schulden zu den internationalen Devisenreserven Kasachstans weiter verschlechtert. Da die genannten Mittel in ausländischer Währung aufgenommen wurden, sind sie auch in dieser zurückzuzahlen. Die Dollar und Euro dafür beschaffen sich die Banken im Normalfall auf dem Devisenmarkt, wo die Exporteure einen Teil ihrer Devisenerlöse verkaufen. Die sinkenden Ölpreise könnten jedoch zu einem Rückgang des im Moment noch ziemlich hohen Devisenangebots führen. Dann müsste die Nationalbank den Geschäftsbanken aus ihren Reserven, die derzeit bei 21 Milliarden Dollar liegen, entsprechende Mittel verkaufen. Im Moment könnte damit jedoch nur ein Fünftel der (Devisen-)Außenschuld beglichen werden. Doch das ist eher eine theoretische Rechnung, denn die Rückzahlungen sind über einen längeren Zeitraum und nicht zu einem gemeinsamen Zeitpunkt fällig. Aber sich deshalb ruhig zurücklehnen kann keiner der Verantwortlichen. Schließlich ist alles die Zukunft Betreffende ungewiss, und jähe Wendungen kann niemand ausschließen.

Bodo Lochmann

17/10/08

Teilen mit:

Все самое актуальное, важное и интересное - в Телеграм-канале «Немцы Казахстана». Будь в курсе событий! https://t.me/daz_asia