Das Thema der Vor- und Nachteile der Nutzung der Kernenergie zum Zwecke der Stromerzeugung ist seit Anfang der 1970er Jahre ein Dauerthema in der deutschen Öffentlichkeit. In anderen Ländern verwundert die Diskussions- und Konfliktfreudigkeit der Deutschen in dieser Frage. Schließlich, so meint man in anderen Ländern, sind Fragen der Energieversorgung Fragen für Spezialisten. Entsprechendes Detailwissen ist jedoch gar nicht notwendig, schließlich interessiert es ja auch kaum jemanden, wie ein Auto oder Handy funktioniert, und trotzdem benutzen wir alle diese Technik und reden mit bei entsprechenden Streitfragen. Umso mehr beim unsichtbaren Strom: Wir bemerken ihn erst, wenn er mal nicht da ist oder teuer wird.

Die Kernenergienutzung, besser die sich um sie rankenden Fragen, haben nunmehr aber einen qualitativ völlig neuen Status erreicht. In Deutschland gar den Status des Entscheiders von Wahlen. Wenn in den 1970er und 1980er Jahren die Grünen, die aus der Antiatombewegung hervorgegangen sind, nicht nur belächelt, sondern auch beschimpft worden sind, so hat sich dieses Bild bis heute gewandelt. Heute kann sich keine, auch nicht die konservativste Partei oder Bewegung mehr leisten, auf ökologische Aussagen oder wenigstens einen Ökotouch, zu verzichten.

Neu entfacht ist die Diskussion um die Kernenergienutzung nun weltweit infolge der Atomkatastrophe in Japan. Sicher wird der Schadensfall irgendwie eingedämmt werden können, die wirtschaftlichen, sozialen und psychologischen Verluste sind jedoch enorm. Auch wenn dieser katastrophale Störfall durch spezifische Gründe ausgelöst wurde, sollte die Menschheit den Vorfall nutzen, um einzuhalten und nachzudenken.

Weltweit sind im Moment 440 Kernkaftwerksblöcke unterschiedlicher Bauart und Leistung am Netz. Sie werden in 31 Ländern genutzt, ihr Anteil an der Weltstromversorgung liegt bei etwa 17 Prozent. Zum gesamten Primärenergieverbrauch tragen sie etwa sieben Prozent bei. Die größten Nutzerländer sind die USA, Frankreich, Japan und in Zukunft China.

Jeder Störfall, jede Katastrophe hat ihre ganz spezifische Ursache. Technik kann niemals zu 100 Prozent sicher sein, es bleibt immer ein Restrisiko. Trösten kann dabei nicht, dass solche großen Störfälle laut Statistik nur alle 15 oder 20 Jahre auftreten. Jedes Vorkommnis ist eines zu viel. Unter der Atomkatastrophe in Tschernobyl, die nun schon 25 Jahre zurückliegt, leiden die betroffenen Menschen noch immer. Die Gegend rund um das ehemalige Atomkraftwerk ist nach wie vor nicht bewohnbar. Das wird auch über Generationen noch so
bleiben.

Sicher brauchen wir alle eine stabile, preiswerte und ökologisch sichere Energieversorgung. Der weltweite Energieverbrauch wird allein durch das stete Wachstum der Weltbevölkerung weiter zunehmen. Daran kann man nur bedingt etwas ändern. Ändern kann man jedoch die technologischen Grundlagen, mit denen Energie erzeugt beziehungsweise umgewandelt wird. Hier steht die Menschheit am Anfang einer sich bis Ende dieses Jahrhunderts hinziehenden Revolution. Es geht weg von der Verbrennung fossiler Brennstoffe hin zur Nutzung verbrennungsloser Technologien. Das dauert natürlich, kostet viel und setzt die Lösung vielfältiger Probleme voraus.

Die Kernspaltungstechnologie ist keine Verbrennungstechnologie, zumindest keine direkte. Sie könnte eigentlich zu den zukunftssicheren Energiequellen gehören, sollte sie jedoch lieber nicht. Ihr zentraler technischer Nachteil besteht darin, dass die verbrauchten Brennstäbe über Jahrtausende sicher gelagert werden müssen. Technisch ist das noch nirgendwo gelöst. Und gesellschaftlich verhindert die Kernenergienutzung den konsequenten Übergang zu neuen Technologien.

Bodo Lochmann

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