Nun liegen die ersten Daten der Entwicklung der Wirtschaft Kasachstans im vergangenen Jahr vor. Das Bild ist bunt gemischt, manches ist schlechter ausgefallen, als erwartet, manches besser. Insgesamt ähneln die Grundprozesse trotz der Besonderheiten der kasachischen Wirtschaft den in vielen anderen Ländern.

Zunächst einmal ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht wie noch in der Mitte des Jahres radikal gefallen, sondern hat sich ungefähr auf Vorjahresniveau gehalten. Das ist zwar nicht das Ergebnis der eigenen Leistung der kasachischen Wirtschaft, sondern das der wieder gestiegenen Ölpreise, der positive Fakt bleibt trotzdem.

Dabei haben sich die einzelnen produzierenden Wirtschaftszweige ziemlich unterschiedlich entwickelt, insgesamt hat die Industrieproduktion keine beeindruckende Entwicklung gezeigt. Die Probleme der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der materiellen Produktion außerhalb der Rohstoffförderung bleiben demnach, und es war wohl auch kaum zu erwarten, dass die Krise daran etwas prinzipiell ändert.

Ein differenziertes Bild ist im Devisenbereich festzustellen. Die drastische Abwertung des Tenge zu den wichtigsten ausländischen Währungen im Februar 2009 hat den Export kräftig stimuliert und die Importe gebremst. Dadurch konnte das Saldo des Außenhandels positiv gehalten werden, die Devisenerlöse aus dem Export waren deutlich größer als die Devisenausgaben für die Importe.

Dadurch waren zwei Dinge möglich: zum einen brauchte die Nationalbank den freien Devisenumtausch nicht einzuschränken, denn Konzeptionen dafür waren sicherheitshalber schon in Vorbereitung gewesen; zum anderen konnte die Nationalbank größere Mengen nicht nachgefragter Devisen vom Markt aufkaufen und so den Wechselkurs zum Dollar stabil halten und die Devisenreserven des Landes aufbessern.

Die Gold- und Devisenreserven der Nationalbank sind um 14 Prozent angestiegen. Allerdings hat der nationale Reservefonds fast eine Milliarde Dollar verkaufen müssen, um das Loch im Staatshaushalt nicht zu groß werden zu lassen. Die Devisenreserven Kasachstans betragen zu Jahresbeginn fast 47 Milliarden Dollar. Diese Summe könnte im Vergleich zum BIP eigentlich sehr beruhigen; da jedoch die Außenschulden mehr als doppelt so hoch sind wie die Reserven, kann von Ruhestellung keine Rede sein.

Die Sicherung der Stabilität des Wechselkurses des Tenge zum Dollar, die noch bis zum 5. Februar 2010 anhalten soll, wurde durch ein rapides Wachstum der Geldmenge erkauft. Diese ist um enorme 61 Prozent zum Vorjahr gestiegen.

Zur Erklärung: die Nationalbank versteht unter Geld immer nur die eigene nationale Währung, die sie auch emittiert. Der Dollar hat den Status von Quasigeld, er ist kein zugelassenes Zahlungsmittel. Um den Wechselkurs zum Dollar stabil zu halten, musste die Nationalbank auf dem nationalen Devisenmarkt große Mengen nicht nachgefragtem Dollar aufkaufen und mit Tenge bezahlen.

Dem Zuwachs von 61 Prozent mehr Geld im Umlauf steht nun eine praktisch nicht gestiegene Warenmenge entgegen. Wird diese Disproportion beibehalten, wird sie zu erhöhter Inflation führen. Sicherheitshalber hat die Nationalbank für das laufende Jahr die Inflation schon mal mit acht bis neun Prozent angegeben, was nach den etwa sechs Prozent von 2009 doch wieder eine Verschlechterung ist. Sorgen bereitet im Geldsektor vor allem die Situation im Kreditbereich. Zwar hat sich die in den Büchern der Banken stehende Summe der vergebenen Kredite um etwa fünf Prozent erhöht, doch das ist nur der Abwertung und der damit verbundenen Umbewertung der Devisenkredite geschuldet. Real ist die ausgegebene Kreditsumme geschrumpft, obwohl die Nationalbank mit Hilfe ihrer Instrumente eigentlich für genügend Liquidität auf den Geldmärkten gesorgt hat.

Die Geschäftsbanken verfügen gegenwärtig über ca. neun Milliarden Dollar Liquidität, die sie aber nicht an den Realsektor weiterreichen. Infolge der nach wie vor labilen Finanzlage vieler Banken ist das Risiko der Vergabe der Mittel an den realen Sektor einfach zu groß. Sicherer ist es, die freien Mittel auf den Konten der Nationalbank zu halten oder Staatsanleihen zu kaufen, auch wenn damit nur sehr wenig Geld verdient werden kann.

Sicherheit geht im Moment klar vor Ertrag. In dieser Frage unterscheidet sich die Situation keinen Deut von der Lage in Deutschland, wo das Wort Kreditklemme alle Chancen hat, zu einem der meistgenannten Fachbegriffe neuerer Kreation zu werden.

Bodo Lochmann

22/01/10

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