Wahlen, Diplomatie und Wandel – die Region Zentralasien erlebte 2023 eine Reihe von wegweisenden Entwicklungen. Wir blicken in unserem Jahresrückblick auf die letzten zwölf Monate zurück.
Die Welt wird unruhiger. An dieser Grundtendenz hat sich auch 2023 nichts geändert. Im Gegenteil – sie hat sich noch weiter verstärkt. Zu dem Krieg in der Ukraine ist jener zwischen Israel und der Hamas gekommen, was die Sorgen vor einem Flächenbrand in der ganzen Region verstärkt hat; und auch die Beziehungen zwischen Großmächten wie China und Russland auf der einen und den westlichen Ländern auf der anderen Seite hat sich nicht verbessert. Hinzu kommen die großen drängenden internationalen Fragen wie Migration und Klimawandel, deren Auswirkungen auch im abgelaufenen Jahr spürbar waren.
Die Länder Zentralasiens halten sich in dieser geopolitischen Gemengelage durchaus stabil. Der Grenzkonflikt zwischen Kirgisistan und Tadschikistan hat sich abgekühlt, die Januar-Unruhen Kasachstans keine Neuauflage erlebt, und die Länder sind als Partner gefragter denn je. Das liegt freilich auch an ihrem Ressourcenreichtum, ihrer strategischen Lage und dem Zerwürfnis des Westens mit Russland. Zugleich treten Kasachstan und Co. auch auf der weltpolitischen Bühne souverän auf, weisen auf eigene Erfolge hin und formulieren Forderungen. So etwa wenn Kasachstans Präsident Tokajew eine Reform des UN-Sicherheitsrates unterstützt, die darauf abzielt, dass aufstrebende Entwicklungsländer in dem Gremium ein höheres Gewicht erhalten.
Doch auch jenseits der großen weltpolitischen Ereignisse gab es eine Reihe von Ereignissen, die für die Länder der Region von Bedeutung waren. Wie auch im Vorjahr, präsentieren wir im Folgenden Fragmente aus DAZ-Beiträgen über die wichtigsten Ereignisse 2023.
Weltmächte buhlen um Kasachstan
Auch 2023 war der Krieg in der Ukraine eines der überragenden Themen der Weltpolitik. Die westlichen Staaten haben Russland mit harten Wirtschaftssanktionen belegt und suchen nach Alternativen, um ihren Energiehunger zu stillen. Kasachstan beginnt mit Öllieferungen nach Deutschland, verspricht bis zu sechs Millionen Tonnen Öl pro Jahr. Ranghohe Politiker aus Deutschland, anderen europäischen Staaten und der EU reisen nach Kasachstan, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Im Gegenzug kommen die Staatschefs der Region nach Berlin; später treffen sie sich zudem mit US-Präsident Joe Biden. Auch Frankreichs Präsident Macron besucht im Laufe des Jahres Astana.
Doch auch China sieht seine Chance gekommen, die Länder Zentralasiens enger an sich zu binden. Erst lädt Staatschef Xi seine zentralasiatischen Amtskollegen zum Gipfeltreffen nach Xi‘an, später kommt es zu einem Wiedersehen beim Großen Seidenstraßen-Forum in Peking. Im Zuge einer allgemeinen Lockerung seines knallharten Covid-Regimes öffnet China seine Grenzen, die Freihandelszone Khorgos an der kasachisch-chinesischen Grenze macht nach drei Jahren Stillstand wieder auf. Auch vereinbaren Kasachstan und China die beiderseitige Einführung eines visafreien Regimes.
Russland dagegen sieht seinen Einfluss in der Region schwinden, seit es in der Ukraine gebunden und international geächtet ist. Armenien entfernt sich wegen Russlands Rolle im Bergkarabach-Konflikt immer weiter von der russisch dominierten OVKS, die Mitgliedstaaten Kirgisistan und Tadschikistan tragen Grenzkonflikte gewaltsam und blutig aus. Um Präsenz zu zeigen, unternimmt Putin im Herbst seine erste Auslandsreise des Jahres nach Kirgisistan, nachdem der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) mit Sitz in Den Haag im März einen Haftbefehl gegen ihn erlassen hat. Später reist der Kremlchef auch nach Astana, was Spekulationen weckt, dass Moskau damit auf die hohe Frequenz der Besuche westlicher Staats- und Regierungschefs reagiert.
Aus „Khorgos öffnet am 24. April wieder“, DAZ am 20. April 2023:
„Lange war es still um das Internationale Zentrum für grenzüberschreitende Zusammenarbeit „Khorgos“ (ICBC), das seit 2017 den Status einer Freihandelszone innehat und von den Initiatoren als „neues Dubai“ beworben wurde. Mit der Pandemie 2020 wurde das Sondergebiet an der kasachisch-chinesischen Grenze geschlossen, und erst als China vor wenigen Monaten mit der Lockerung seiner Zero-Covid-Politik begann, keimten erste Hoffnungen auf eine Rückkehr des Handels nach Khorgos auf. Nun ist es so weit: Am Donnerstag verkündete das Akimat der Region Zhetysu, dass Khorgos seine Arbeit am 24. April wieder aufnehmen wird.“
Aus „Staatschefs Zentralasiens reisen zu China-Gipfel“, DAZ am 15. Mai 2023:
„Am Donnerstag und Freitag findet in der zentralchinesischen Metropole Xi’an das erste Gipfeltreffen ‚Zentralasien – China‘ statt. Chinas Präsident Xi Jinping hat die Staatschefs der fünf Länder nach seiner Moskau-Reise Ende März zu diesem Format eingeladen, und alle haben ihr Kommen zugesagt. Laut Xi Jinping soll es bei dem Gipfel um neue Projekte und Initiativen gehen – vor allem in den Bereichen Transport und Logistik. Die Stadt Xi’an ist in der Hinsicht als symbolträchtiger Ort gut geeignet – sie gilt als östlicher Endpunkt der Seidenstraße.“
Aus „Kasachstan und China vereinbaren Visafreiheit und wollen Handel vergrößern“, DAZ am 18. Mai 2023:
„Im chinesischen Xi’an hat heute das Gipfeltreffen der zentralasiatischen Präsidenten mit Chinas Staatschef Xi Jinping begonnen. Bereits gestern traf Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew in der Seidenstraßen-Metropole ein und führte Gespräche mit seinem chinesischen Amtskollegen. 23 Dokumente wurden laut Tokajews Pressedienst im Zuge des Treffens unterzeichnet, wovon das wichtigste ein Abkommen zwischen den Regierungen beider Länder über Visafreiheit sein dürfte.“
„Durch die Einführung des visafreien Regimes könne Kasachstan künftig zu einem der beliebtesten Reiseziele für Touristen aus China werden, kommentierte Präsident Tokajew. ‚Dieser Schritt eröffnet Bürgern der Volksrepublik China eine riesige Vielzahl an Möglichkeiten, nach Kasachstan zu gelangen.‘ Gemeinsam, so Tokajew weiter, könne man‚ der Weltöffentlichkeit eine touristische Route anbieten, die die Seidenstraße einschließt.‘“
Aus „Bundespräsident Steinmeier trifft Kasachstans Präsidenten Tokajew“, DAZ am 20. Juni 2023:
„Frank-Walter Steinmeier hat in seiner politischen Karriere bereits mehrfach die Länder der Region Zentralasien besucht. Doch die Reise in dieser Woche, die den Bundespräsidenten erst nach Kasachstan führt und später weiter nach Kirgisistan, findet unter anderen Vorzeichen statt als frühere Staatsbesuche – etwa 2017 in Kasachstan oder 2019 in Usbekistan. Denn damals standen die südöstlichen Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetrepubliken weit weniger im Fokus der Weltöffentlichkeit als heute unter dem Eindruck der kriegerischen Auseinandersetzung in der Ukraine sowie des Ringens zwischen den westlichen Staaten und China um die führende Rolle in der Welt.“
Aus „Gute Zusammenarbeit ausbauen“, DAZ am 29. September 2023:
„‚Die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern haben sich in den vergangenen 30 Jahren stetig vertieft. Es ist mittlerweile eine gute Zusammenarbeit entstanden. Darüber freuen wir uns, und darauf wollen wir weiter aufbauen.‘ Das sagte Bundeskanzler Olaf Scholz beim Besuch des kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew am Donnerstag im Bundeskanzleramt in Berlin. (…) Scholz bezeichnete Kasachstan als wichtigen Partner, um die Lieferwege Deutschlands zu verbreitern, etwa beim Import von Rohöl. Dies ermögliche, unabhängig von russischen Energielieferungen zu werden. Das gleiche gelte mit Blick auf kritische Rohstoffe zur Gestaltung der Energiewende.“
Aus „Tokajew trifft Steinmeier in Berlin“, DAZ am 29. September 2023:
„Am zweiten Tag des offiziellen Staatsbesuchs des kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tojakew in Deutschland traf dieser auf den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Zunächst wurden die im Rahmen des jüngsten Besuchs des deutschen Staatsoberhauptes in Kasachstan getroffenen Vereinbarung thematisiert. Bei Steinmeiers Visitation im Juni wurden eine Reihe von Abkommen und Absichtserklärungen unterzeichnet, die unter anderem die Entwicklung des Mittleren Korridors und der Zusammenarbeit in der Energiepolitik beinhalteten (…) Zum Abschluss hinterließ Präsident Tokajew in der Residenz Bellevue eine Notiz im Buch der Ehrengäste.“
Aus „Tokajew trifft Xi am Rande von Seidenstraßen-Forum“, DAZ am 17. Oktober 2023:
„Die Beziehungen zwischen Kasachstan und China haben sich seit vergangenem Jahr noch weiter vertieft. Für seine wirtschaftlichen Wachstums- und Modernisierungspläne ist Peking auf Rohstoffe aus dem Nachbarland angewiesen, während Kasachstan an chinesischen Direktinvestitionen interessiert ist. Das Handelsvolumen ist zuletzt gestiegen, außerdem werden aktuell 52 gemeinsame Investitionsprojekte in einem Umfang von 21 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Zudem wollen beide Seiten den Tourismus durch gegenseitige Visafreiheit ankurbeln. Auch die Freihandelszone Khorgos an der Grenze zwischen Kasachstan und China ist in diesem Jahr nach langer Corona-Pause wiedereröffnet worden.“
Aus „Emmanuel Macron auf Staatsbesuch in Kasachstan“, DAZ am 1. November 2023:
„In einem gemeinsamen Statement vor Pressevertretern nannte Tokajew klassische und erneuerbare Energien, kritische Rohstoffe, Transport, Landwirtschaft und Gesundheit als Bereiche, in denen beide Seiten eine künftige Ausweitung der Zusammenarbeit besprochen hätten. (…) Darüber hinaus sprachen die beiden auch über die Bedeutung und Förderung der französischen Sprache in Kasachstan. Wir für unseren Teil werden alle Anstrengungen unternehmen, um in diesem wichtigen Bereich zusammenzuarbeiten‘, versprach Tokajew dem Gast aus Europa. ‚Ich denke, dass es für die Menschen in Kasachstan wichtig ist, mehr über die Menschen in Frankreich zu erfahren, über Ihre reiche Kultur, und natürlich Französisch zu lernen.‘
„Macron seinerseits betonte, dass man gemeinsam in der Lage sein werde, ‚bei wichtigen internationalen Themen voranzukommen und unser Engagement für die UN-Charta sowie Prinzipien wie territoriale Integrität und nationale Souveränität hervorzuheben‘.“
Aus „Putin besucht Kasachstan“, DAZ am 9. November 2023:
„Im Vorfeld von Putins Kasachstan-Reise war spekuliert worden, dass diese vor dem Kontext einer möglichen Annäherung der zentralasiatischen Länder an die EU und die Vereinigten Staaten geschehe. (…) Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte dagegen am Mittwoch, dass Putins Besuch in Kasachstan nichts mit den Reisen westlicher Staatschefs in die Region zu tun habe. Beim Treffen mit Tokajew gehe es lediglich um eine Bestandsaufnahme des gesamten Komplexes der beiderseitigen Beziehungen. Tokajew selbst betonte in einem umfassenden Interview im Vorfeld des Besuchs seines russischen Amtskollegen: ‚Ob bilaterale Kontakte oder multilaterale Verhandlungen im Rahmen von Integrationsverbänden, wir haben immer etwas zu besprechen.‘“
Wahlen und Referenden
Bis auf Turkmenistan und Tadschikistan befinden sich die Länder der Region im Wandel und durchlaufen politische, soziale und wirtschaftliche Reform- oder Umbauprozesse. In Kasachstan haben diese einen großen Schub durch die Januar-Unruhen des Vorjahres erhalten, die dazu führten, dass Präsident Tokajew seine Vision eines „neuen Kasachstan“ vor seinen Landsleuten ausbreitete und auch mit deren Umsetzung begonnen hat. Das konkrete Versprechen ist eine gerechtere Verteilung von Wohlstand, mehr Unterstützung für arme Familien, mehr Beteiligung, mehr Offenheit.
Nachdem im Zuge eines Verfassungsreferendums die Zusammensetzung und Rolle der Staatsorgane verändert wurde, ist in Kasachstan eine Neubesetzung des Senats und eine Neuwahl des Unterhauses nötig. Bei der Parlamentswahl am 19. März gibt es erstmals seit vielen Jahren zwei neue Parteien, die den Registrierungsprozess erfolgreich gemeistert haben und antreten. Die Sitze werden erstmals im Rahmen eines Mischverfahrens aus Verhältnis- und Mehrheitswahl vergeben. Wie erwartet erlangt die umbenannte Regierungspartei Amanat die große Mehrheit der Sitze. Insgesamt schaffen es doppelt so viele Parteien in die Maschilis wie bei der vorangegangenen Wahl, darunter auch die neu zugelassene „Respublica“.
Auch in Usbekistan wird 2023 gewählt – und das gleich zweimal. Zum einen sind die Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, am 30. April im Rahmen eines landesweiten Referendums über weitreichende Verfassungsänderungen abzustimmen. Diese beinhalten nicht mehr den Passus, wonach die Autonomie der Region Karakalpakstan aufgehoben werden soll, nachdem diese Pläne zu schweren Protesten und deren gewaltsamer Niederschlagung geführt hatte. Wohl aber geht es um eine Stärkung der Stellung des Präsidenten, dessen Amtszeit auf sieben Jahre verlängert werden soll. Wie erwartet, stimmt eine große Mehrheit der Wählerinnen und Wähler für die Änderungsvorschläge. Eindeutig ist auch das Ergebnis bei der Präsidentenwahl im Juli, die Amtsinhaber Mirsijojew klar für sich entscheidet.
Aus „Vorläufiges Endergebnis: Amanat gewinnt Wahlen in Kasachstan“, DAZ am 20. März 2023:
„Die Zahl der in der Maschilis, dem Unterhaus des kasachischen Parlaments, vertretenen Parteien wird sich verdoppeln. So schafften es laut vorläufigem Ergebnis die Regierungspartei „Amanat“ (53,9 Prozent), die Landpartei „Auyl“ (10,9 Prozent), die neu zugelassene „Respublica“ (8,59 Prozent), die bisherigen Parlamentsparteien „Ak Schol“ (8,49 Prozent) und Volkspartei Kasachstans (6,8 Prozent) sowie die sozialdemokratische OSDP (5,2 Prozent) ins Parlament. Für die neu zugelassene Grüne Partei „Baitak“ reicht es demnach mit weniger als drei Prozent nicht für einen Einzug in die Maschilis.
Die Wahlbeteiligung lag bei über 50 Prozent. Die Wahlen fanden erstmals unter neuen Regeln statt, über die im vergangenen Jahr im Rahmen einer Volksabstimmung abgestimmt wurde. So wurden etwa 70 Prozent der Sitze über Parteilisten vergeben, die restlichen 30 Prozent in Direktwahlkreisen. Auch die Hürde für einen Einzug ins Parlament wurde von sieben auf fünf Prozent gesenkt.“
Aus „Usbekistan stimmt für Verfassungsänderungen“, DAZ am 2. Mai 2023:
„Usbekistan hat am Sonntag über die Verfassungsänderungen abgestimmt, die unter anderem die Machtstellung von Staatspräsident Shavkat Mirsijojew festigen. Das Endergebnis wurde am Montagabend veröffentlicht.“
„Der Gesetzentwurf sieht etwa 200 Änderungen der 1992 verabschiedeten Verfassung vor. So werden insbesondere die Todesstrafe verboten und Usbekistan zu einem „sozialen, Rechts- und säkularen“ Staat erklärt. Der wohl entscheidende Punkt betrifft aber die Position des Staatsoberhaupts: Dessen Amtszeit soll sich durch die Änderungen von fünf auf sieben Jahre verlängern. Zudem sollen die ersten beiden Mandate des amtierenden Mirsijojew annuliert werden, wodurch dieser die Möglichkeit hat, noch insgesamt 17 Jahre bis 2040 im Amt zu bleiben.“
Aus „Amtsinhaber Mirsijojew gewinnt Präsidentschaftswahl in Usbekistan“, DAZ am 10. Juli 2023:
„Laut Zahlen, die die Zentrale Wahlkommission am Montag veröffentlichte, kam der Amtsinhaber auf 87,05 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die drei anderen Kandidaten waren demnach weit abgeschlagen.
So erhielt die Zweitplatzierte Robakhon Makhmudova, welche als einzige Frau für das Amt kandidierte, 4,43 Prozent der Stimmen. Ulugbek Inoyatov belegte mit 4,02 Prozent den dritten Platz. Auf Rang vier landete mit 3,74 Prozent Abdushukur Khamzayev. Die Wahlbeteiligung lag nach offiziellen Angaben bei 79,88 Prozent. Die Hauptstadt Taschkent war hierbei mit einer Wahlbeteiligung von 72,97 Prozent das Schlusslicht.
In einem Telefongespräch gratulierte Kasachstans Präsident Tokajew dem wiedergewählten Mirsijojew und sprach in dem Zusammenhang von einem überzeugenden Sieg.“
Sonstige Ereignisse
Auch jenseits der großen geopolitischen Themen ereignete sich in Zentralasien viel, was von Relevanz für die Region war. Bemerkenswert waren unter anderem die Entwicklungen in Kirgisistan, wo zu Beginn des Jahres Ex-Präsident Almasbek Atambajew auf freien Fuß gesetzt wurde, der zuvor eine mehrjährige Haftstrafe abgesessen hatte. Viel Aufmerksamkeit erregte auch der Vorstoß des amtierenden Präsidenten Sadir Schaparow, alle bisherigen Präsidenten des Landes an einen Tisch zu bringen. Über den Ablauf des Treffens gibt es später unterschiedliche Angaben. So spricht Präsident Schaparow davon, dass die anwesenden Politiker ihre Unzulänglichkeiten eingeräumt und sich „gegenseitig vergeben“ hätten. Nach den Wort Atambajews gingen die Differenzen dagegen so weit, dass dieser das Treffen letztlich ohne Verabschiedung verlassen habe.
In Turkmenistan sorgt einmal mehr Dauerpotentat Gurbanguly Berdimuhamedow für Aufregung. Der Vater des amtierenden Präsidenten, der die Macht erst ein Jahr vorher an diesen übertragen hatte, rückt zurück ins politische Rampenlicht und lässt sich zum „Nationalen Führer“ erklären. Mit der Schaffung eines extra auf ihn zugeschnittenen Postens sichert er sich weitreichende Vollmachten. Zudem vertritt er anstatt seines Sohnes Turkmenistan bei mehreren Treffen auf der höchsten Ebene, so etwa beim Gipfel Deutschlands und der zentralasiatischen Länder in Berlin.
Kasachstan bleibt als Energielieferant im Fokus. Insbesondere seine Rolle in dem Verbund der erdölproduzierenden Staaten und ihrer Verbündeten, der OPEC+, ist hier von überregionaler Bedeutung. So beteiligt sich Kasachstan in der ersten Jahreshälfte an den Förderkürzungen, die eine Reihe von Staaten unternehmen, um den Ölpreis zu stützen. Zudem vereinbart es mit Deutschland, einen Teil der russischen Energielieferungen zu ersetzen und über das Kaspische Meer zu schicken. Im Dezember bringt ein schwerer Sturm über dem Kaspischen Meer große Teile der kasachischen Produktion zum Erliegen.
Aus „Berdimuhamedow Senior wird zum ‚Nationalen Führer‘“, DAZ am 25. Januar 2023:
„Seit Gurbanguly Berdimuhamedow die Macht in Turkmenistan an seinen Sohn Serdar übergeben hat, war es lange Zeit ruhig um den exzentrischen Langzeitherrscher. Nun aber wird der Senior wieder präsenter im politischen Geschehen des zentralasiatischen Landes. Grund dafür ist eine abermalige Verfassungsreform, die dem Ex-Präsidenten weitere Vollmachten und einen neuen Status einräumt. So stimmten am Samstag in einer nur wenige Stunden dauernden gemeinsamen Sitzung beide Parlamentskammern dafür, das Zweikammernparlament in ein Einkammernparlament umzuwandeln.“
Aus „Kirgisistan: Ex-Präsident Atambajew auf freiem Fuß“, DAZ am 15. Februar 2023:
„Almasbek Atambajew ist am Dienstag aus der Strafkolonie entlassen worden. Der Oberste Gerichtshof Kirgisistans hob ein früheres Urteil gegen den kirgisischen Ex-Präsidenten auf, das elf Jahre Haft vorsah. (…) Der Vorsitzende von Atambajews Sozialdemokratischer Partei verkündete die Freilassung am Dienstag in den sozialen Medien, seine Anhänger begrüßten ihn wenig später. Dabei verkündete Atambajew, dass seine Gesundheit sich in den vergangenen dreieinhalb Jahren in Haft verschlechtert habe und er sich daher einer medizinischen Behandlung im Ausland unterziehen wolle. Zugleich versprach er auf Nachfrage der anwesenden Journalisten: ‚Ich werde zurückkommen.‘“
Aus „Schaparow trifft Ex-Präsidenten Kirgisistans“, DAZ am 20. Februar 2023:
„Ungewöhnliches Gipfeltreffen: Der amtierende Präsident Kirgistans Sadyr Schaparow hat am Wochenende alle fünf ehemaligen Staatsoberhäupter seines Landes zu einer Zusammenkunft eingeladen. Ziel der Aktion, wie Schaparow in den sozialen Medien verlauten ließ: eine Aussöhnung innerhalb der kirgisischen Gesellschaft und die Schaffung nationaler Einheit.“
„Atambajew […] erklärte in einem eigenen Statement, er habe dem Treffen zugesagt, ohne zu wissen, dass auch andere Ex-Staatsoberhäupter anwesend sein würden. Er äußerte zudem in Bezug auf Bakijew den Standpunkt, dass es zunächst an den Angehörigen der Opfer des Aufstandes von 2010 sei, die damaligen Taten zu vergeben, und dass die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden müssten. Friede und Einigkeit im Land und die Rückkehr der Bakijews seien zwei sehr unterschiedliche Dinge.“
Aus: „18 Jahre Haft für Massimow“, DAZ am 25. April 2023:
„Der ehemalige kasachische Premierminister Karim Massimow ist am Montag von einem Gericht in Astana zu 18 Jahren Haft verurteilt worden. Das in der Hauptstadt ansässige überregionale Gericht sprach den 57-Jährigen des Staatsverrats, der versuchten Machtergreifung und der Kompetenzüberschreitung für schuldig. Laut dem Urteil werden auch Massimows Vermögen beschlagnahmt, ihm die Ausübung öffentlicher Ämter untersagt, und der allgemeine Dienstgrad sowie staatliche Auszeichnungen aberkannt.“
Aus „Neues Gesetz: Beamte in Kirgisistan müssen Kirgisisch können“, DAZ am 18. Juli 2023:
„Kirgisistans Präsident Sadyr Schaparow hat ein Gesetz unterzeichnet, das alle Beamten des Landes verpflichtet, die kirgisische Sprache zu beherrschen. Das Gesetz war bereits im Mai von den Abgeordneten des kirgisischen Parlaments in dritter Lesung beschlossen worden. Initiiert hatte es das Ministerkabinett noch im Vorjahr. Es sieht vor, dass die Verwendung von Kirgisisch in allen staatlichen Stellen, lokalen Regierungen, Unternehmen, Institutionen und Organisationen jeglicher Eigentumsformen obligatorisch ist.“
„Aus Russland gab es teils scharfe Kritik an dem Gesetz. Russische Medien nannten es unter anderem ‚skandalös‘, sprachen von Populismus oder witterten den Versuch ausländischer Mächte, Kirgisistan und Russland zu entzweien. Präsident Schaparow beteuerte dagegen, dass das Gesetz nicht auf eine Unterdrückung der russischen Sprache abziele. Kirgisistan halte sich an den Grundsatz, dass alle ethnischen Gruppen auf seinem Territorium ihre Sprache frei nutzen könnten.“
Aus „OPEC+: Kasachstan beteiligt sich freiwillig an Kürzungen“, DAZ am 2. Dezember 2023:
„Mit einiger Verzögerung haben sich die Länder der OPEC+-Gruppe am vergangenen Donnerstag doch noch zusammengefunden, um darüber zu diskutieren, ob die bestehenden Beschränkungen für die Ölproduktion verlängert bzw. erweitert werden. Das Ergebnis: Ein neues Reduktionsziel für die Gruppe als Ganzes wird es nicht geben; dafür haben sich mehrere Angehörige des Bündnisses zu freiwilligen Beschränkungen ihrer Fördermengen bereit erklärt – darunter auch Kasachstan.“