Bereits zum 26. Mal fand in Almaty am vergangenen Donnerstag der Tag der deutschen Wirtschaft in Kasachstan statt. Unter dem Motto „Status Quo und aktuelle Herausforderungen der Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und Deutschland“ hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, sich über den Stand der kasachisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen zu informieren und neue Kontakte zu knüpfen.

Die Veranstaltung wurde von der Vereinigung der Deutschen Wirtschaft in der Republik Kasachstan (VDW) gemeinsam mit der Delegation der Deutschen Wirtschaft für Zentralasien (AHK) organisiert. Themen wie die digitale Transformation der Industrie und die Anpassung der deutschen Unternehmen an die sich verändernde regulatorische Landschaft in Kasachstan wurden dabei näher in den Blick genommen. Anwesend waren zahlreiche Vertreter beider Länder aus Politik und Wirtschaft.

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Dias Assanov, dem amtierenden Vorsitzenden des Verbandes der Deutschen Wirtschaft in der Republik Kasachstan und Direktor der Niederlassung der Siemens AG in Kasachstan. Er betonte das deutliche Wachstum der Investitionen aus Deutschland. Auch stieg der bilaterale Handelsumsatz zwischen beiden Ländern nach offiziellen Angaben im vergangenen Jahr um 40 Prozent und erreichte rund 3,5 Milliarden Euro. Ebenfalls einen deutlichen Zuwachs verzeichneten die Direktinvestitionen aus Deutschland. Nicht unerwähnt ließ der Redner den jüngsten Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Astana, der einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung der kasachisch-deutschen Beziehungen markiert und neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit vor allem im wirtschaftlichen Bereich eröffnete.

Die deutsch-kasachischen Wirtschaftsbeziehungen voranbringen

Auch Vertreter der in Kasachstan ansässigen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland waren beim diesjährigen Tag der Deutschen Wirtschaft anwesend. So etwa betonte Matthias Kiesler, neuer Generalkonsul der BRD in Almaty, dass es für ihn und das in Almaty ansässige Generalkonsulat in Zusammenarbeit mit der Botschaft in Astana wichtig ist, wenn „Botschaft und Generalkonsulat an einem Strang ziehen, denn wir wollen gemeinsam die deutsch-kasachischen Wirtschaftsbeziehungen voranbringen und uns gegenseitig ergänzen. Es ist unstrittig, dass Kasachstan großes Potential mit sich bringt, die Wirtschaftszahlen sind im stetigen Wachstum. Das Potential betrifft auch deutsche Firmen, Handel und Investitionen. Seit ich hier bin, habe ich eine ganze Reihe von deutschen Firmenvertretern kennengelernt. Sie sind sehr zufrieden und es läuft gut. Aber es gibt Herausforderungen und Probleme, und dabei zählt auch, anzusprechen, wo es möglicherweise hakt“, so der Generalkonsul wörtlich.

Anschließend ergriff Ullrich Kinne, Ständiger Vertreter der Botschafterin Iwersen sowie Leiter des Wirtschaftsreferats der Botschaft in Astana, das Wort. Kasachstan biete große Chancen für die deutsche Wirtschaft, nicht zuletzt, da Kasachstan in diesem Jahr seine beste Bewertung im Moody’s-Rating (wir berichteten, Anm. d Red.) seit der Unabhängigkeit erhalten hat. Untermauert würde dies durch die zahlreichen, während des Astana-Besuches von Kanzler Scholz mit einem Gesamtwert von sechs Milliarden Euro unterschriebenen Absichtserklärungen. Kasachstan nehme eine anerkannte regionale Führungsrolle ein und sei ein wichtiger Stabilitätsfaktor in der Region.

Usbekistan – ein Konkurrent?

Bei der Konferenz wurde auch die Rivalität zwischen Kasachstan und Usbekistan bei der Anwerbung von Investoren angesprochen. Ulf Schneider, Präsident und Gründer des internationalen Beratungsunternehmens SCHNEIDER GROUP, die deutschen Firmen bei der Expansion in Länder des postsowjetischen Raumes hilft, stellte fest, dass die auf eine Initiative von Präsident Kassym-Schomart Tokajew zurückgehende Ausarbeitung neuer Steuergesetze für gegenwärtige und zukünftige Investoren im Land weitreichende Folgen haben wird. Jetzt gehe es für Kasachstan darum, potenzielle neue Investoren nicht aus Angst vor steuerlichen Risiken in die Flucht zu schlagen und sie dazu zu verleiten, nach Alternativen in der Region zu suchen. Zu diesem Zweck sei es notwendig, eine Dialogplattform für die Diskussion von Innovationen im Bereich der Unternehmensbesteuerung zu schaffen. Er wies auch darauf hin, dass Kasachstan gut daran täte, sich an den deutschen Erfahrungen mit der Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen zu orientieren. Deutsche Firmen können mit ihrem Fachwissen im Bereich der industriellen Produktion zur Modernisierung kasachischer Unternehmen beitragen. „Ich möchte betonen, dass Kasachstan mit anderen Ländern wie Usbekistan und vielleicht auch mit anderen eurasischen Staaten konkurrieren kann. Auch diese Länder versuchen, Investitionen anzuziehen und ihre Gesetzgebung zu reformieren, um sie für Investoren aus verschiedenen Sektoren attraktiver zu machen. Aber ein solcher Wettbewerb stimuliert die Entwicklung des Landes und sendet ein positives Signal an Investoren“, so der Unternehmer wörtlich. Usbekistan habe, laut Schneider, ein sehr großes Bevölkerungswachstum und entwickle sich rasant. Daher müssen „alle Länder der Region daran arbeiten, ihre Position auf der Weltbühne zu stärken“.

Anschließend betonte auch Ulf Wokurka, Mitglied im Aufsichtsrat der Eisenbahngesellschaft JSC NC „Kazakhstan Temir Zholy“, dass die Veränderung der geopolitischen Lage für alle Unternehmen eine Herausforderung darstellt, aber auch neue Chancen bietet. Man müsse sich anpassen und neue Partner suchen, um gemeinsam Lösungen für neue

Probleme zu finden. Dies betreffe auch die Anforderungen an Dienstleister im Bereich Transport und Logistik. Wokurka hob auch die Position Kasachstans als wichtiges Bindeglied zwischen den Märkten in Ostasien und in Europa hervor, wobei der Entwicklung des Mittleren Transportkorridors, der über das Kaspische Meer führt, eine besondere Bedeutung zukomme. Mehrere deutsche Unternehmen wie die Deutsche Bahn AG und die Rhenus SE & Co.KG arbeiten bereits mit der „Kazakhstan Temir Zholy“ zusammen, um Teile des Mittleren Transportkorridors auszubauen.

 

Am Nachmittag konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in zwei parallelen Sessions über die digitale Sicherheit, die Entwicklung von künstlicher Intelligenz sowie die Auswirkungen von Handelsbeschränkungen und Sanktionen der EU gegen Russland auf in Kasachstan tätige Unternehmen informieren. Den geselligen Ausklang des 26. Tages der Deutschen Wirtschaft in Kasachstan bildete das Oktoberfest im Paulaner Brauhaus im Zentrum von Almaty.

Der Verband der Deutschen Wirtschaft in der Republik Kasachstan (VDW) wurde 1994 unter dem Namen Deutscher Wirtschaftsklub (DWK) gegründet und im Juli 2012 umbenannt. Der VDW ist ein freiwilliger Zusammenschluss von deutschen Unternehmen und Organisationen, die aktive Geschäftsbeziehungen mit Kasachstan pflegen und größtenteils ständig in Kasachstan präsent sind. Er steht unter der Schirmherrschaft der Deutschen Botschaft in Kasachstan und gestaltet seine Tätigkeit in enger Abstimmung mit der Delegation der Deutschen Wirtschaft für Zentralasien. Die Repräsentanz der deutschen Wirtschaft in Zentralasien vertritt die Interessen der deutschen Wirtschaft in politischen und wirtschaftlichen Gremien und synchronisiert die Vorstellungen der deutschen Unternehmen mit Ministerien, Industrieverbänden und lokalen Handelskammern. Der VDW erhält keine Bundeszuwendung oder anderweitige staatliche Förderung, finanziert sich über Mitgliedsbeiträge und organisiert seine Tätigkeit selbstständig.

Annabel Rosin

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