Meine Detektei schlummert so vor sich hin. Immer wenn die neue Fachzeitschrift aus meinem Abo „Der Detektiv“ ins Haus geflattert kommt, einmal im Quartal, erinnert mich das daran, dass ja auch ich als Privatdetektivin unterwegs sein will. Allein, mir werden keine Fälle übertragen. Gott sei Dank, da ich noch gar nicht richtig im Geschäft bin.

In Ermangelung eigener Fälle fiebere ich via Fachzeitschrift mit den Kollegen mit. Und kann mich so zumindest theoretisch und passiv auf das Schnüffelgeschäft einstellen. Mal sehen, was der Ermittlungsmarkt so zu bieten hat und wo ich meine Marktnische finden kann. Rubrik: Praxisfälle. Fallbeispiel: Der Ehestreit. Es galt, die Ursache für die gebrochene Nase einer Ehefrau herauszufinden. War es der Ehemann oder der Hund? Oh, wie spannend, solche Fälle kann man sich ja nur wünschen! Aber im Fernsehen sind die meisten banal wirkenden Fälle am Ende ziemlich komplex und äußerst spannend.

Anfangs sagen immer alle, zumindest der Pathologe und die Spurensicherer, dass es Herzversagen, Selbstmord oder ein plumper Raubüberfall war. Davon lassen sich jedoch die findigen und cleveren Detektive nicht irritieren. Sie erspüren mit all ihren Sinnen, dass eine verzwickte Mordgeschichte dahintersteckt, irgendwas mit Rache, Erbstreit, Betrug und sowieso mit einer Portion Eifersucht – und haben am Ende immer Recht, siehste! Gehen wir also der gebrochenen Nase auf den Grund. Bevor ich nachlese, was die Kollegen taten, überlege ich, was ich täte. Natürlich Beschattung von Mann und Hund. Abhöranlagen. Einsatz von Nachtsichtgeräten. Befragung sämtlicher Nachbarn, Verwandter und Freunde.

Und jetzt zurück zur Realität. Das beinharte Indiz: ein so genanntes Brillenhämatom im Gesicht der Frau. Verdächtig, verdächtig. Wie kam das zustande? Es mussten Recherchen auf dem Hundeausbildungsplatz angestellt werden, um zu erkunden, ob ein Brillenhämatom zu den durch Hunde verursachten üblichen Verletzungsfolgen zählt. Und tatsächlich! Wenn sich ein Hundebesitzer über seinen Hund beugt, um ihn zu loben oder zu begrüßen, und der Hund in seiner Erregung zugleich zu seinem Herrchen oder Frauchen aufspringt, dann kann es schon mal – peng! – zu solch einer Verletzung, eben dem verdächtigen Brillenhämatom, kommen. Na also, da haben wir‘s. Und die hintertückische Ehefrau wollte dies ihrem Ehemann unterjubeln. Tja, da hatte sie nicht mit einem erfahrenen und kompetenten Privatermittler gerechnet! Wie gut, dass ich mich fortbilde.

Wenn ich es mal mit einem Brillenhämatom zu tun bekomme, weiß ich sofort Bescheid und kann mir die umständlichen Ermittlungen sparen! Das macht natürlich das Honorar nicht günstiger, denn mühevoll angeeignetes Fachwissen muss man sich schließlich anrechnen lassen. Das ist ja Fachbildung im Schweinsgalopp. Nächster Fall: Der Würger. Oh, hier wird’s schon gefährlicher. Es galt, herauszufinden, ob eine Frau freiwillig oder gegen ihren Willen gewürgt wurde. Da sie schon mal gewürgt wurde, gab sie an, dass dies gegen ihren Willen geschehen sei.

Geheime Hinweise und umständliche Recherchen ergaben aber, dass diese Frau eben doch auch gern mal gewürgt würde, weil sie dadurch im Liebesspiel sexuell erregter sei. Die gewitzte Ermittlerin wandte die pfiffige Methode „Gleich und gleich gesellt sich gern“ an, um die vermeintlich Gewürgte in ein vertrauliches Gespräch zu verwickeln. Und sie gab alles zu. D.h. fast alles. Jedenfalls, dass sie solche sexuellen Praktiken bevorzuge. Was dem Würger nicht half, da sozusagen als Begleiterscheinung herauskam, dass er gern auch mal gewalttätig sei.

Jetzt frage ich mich: Wenn in Fachzeitschriften die wirklich interessanten, spannenden, komplexen, zumindest aber marktüblichen Fälle dargestellt werden, womit haben Detektive dann sonst zu tun? Ehrlich gesagt – das will ich gar nicht wissen und erhalte mir lieber noch ein Weilchen die Illusion, dass Detektive ein spannendes Leben führen.

Julia Siebert

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