Der russische Angriff auf die Ukraine setzt auch der dortigen deutschen Minderheit zu. In Mariupol und in anderen Städten wurden bereits Begegnungszentren und Wohnhäuser von Deutschstämmigen zerstört. Viele Ukrainedeutsche sind nach Deutschland geflohen und kommen wahrscheinlich auch nicht mehr zurück. Der Verband der deutschsprachigen Medien im Ausland zeigt sich in einer Mitteilung alarmiert.

Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine ist Mariupol im Südosten des Landes hart umkämpft. Mittlerweile gleicht die Stadt einem Trümmerfeld. Wie von Deutschstämmigen vor Ort zu erfahren war, wurde kürzlich auch das regionale Begegnungszentrum der deutschen Minderheit in der strategisch wichtigen Hafenstadt am Schwarzen Meer in mehreren Etappen beschossen und letztendlich zerstört. Zahlreiche Ukrainedeutsche sind aus der Küstenregion bereits geflohen – oft nach Deutschland.

Vor dem Beginn der Kampfhandlungen war das Zentrum, das mit deutschen Fördergeldern erst 2021 hergerichtet und renoviert wurde, ein auffallend gepflegter, friedvoller und idyllischer Ort für Kulturveranstaltungen und Sprachkurse. Es galt als Symbol der deutsch-ukrainischen Freundschaft. Davon ist jetzt nur noch das kleine Denkmal im verwüsteten Vorgarten des Zentrums mit zwei ineinander greifenden Händen übrig geblieben – eine Hand in Schwarz-Rot-Gold und die andere in Blau-Gelb. Dem Haus der deutschen Minderheit fehlen das Dach, die Fenster und große Teile der Außenmauer. Die Fassadenreste sind alle verkohlt. Nach dem Einschlag von Granaten brannte das komplette Gebäude lichterloh. Jetzt steht die Ruine nur noch als Zeichen dafür, wie schnell eine jahrhundertealte Minderheit vernichtet werden kann.

Deutsche Minderheit von Auslöschung bedroht?

Björn Akstinat, Leiter des Verbandes der deutschsprachigen Medien im Ausland (IMH-Internationale Medienhilfe): „In den letzten Volkszählungen haben sich über 33.000 Ukrainer zu ihren deutschen Wurzel bekannt. Man kann davon ausgehen, dass mindestens doppelt so viele deutsche Vorfahren besitzen, denn häufig haben Menschen noch immer Hemmungen, ihre Abstammung den Behörden offen zu nennen. Zu oft wurden sie in kommunistischen Zeiten genau dafür verfolgt, gefoltert und vertrieben.

Es kann gut sein, dass durch den Krieg die deutsche Minderheit der Ukraine weitgehend ausgelöscht wird, da nun viele Deutschstämmige gezwungenermaßen ins Ausland geflohen sind und voraussichtlich nur in kleiner Zahl zurückkehren werden. Dies wäre außerordentlich tragisch, weil die Deutschen seit Jahrhunderten in der Region siedeln und stark zu ihrer Fortentwicklung beigetragen haben.

Noch vor rund 100 Jahren gab es im Gebiet der heutigen Ukraine weit über eine halbe Million deutschstämmiger Menschen, die in mehr als 2.000 deutschen Siedlungen lebten und vor allem evangelisch-lutherischen oder mennonitischen Gemeinden angehörten. Bis zum Kriegsausbruch erschienen in Kiew und auf der Krim deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften. Im Februar 2022 – also direkt vor dem Krieg – waren noch in mehr als 60 ukrainischen Städten und Dörfern deutsche Begegnungs- und Kulturzentren aktiv.“

DAZ

Teilen mit: