Ich bin umgezogen. Und das finden alle ganz aufregend. Wenn es ums Wohnen geht, redet jeder mit. Weil es existenziell ist. Weil es wichtig ist, dass man sich heimisch fühlt und ein schönes Nest hat. Das Wohnen verrät viel über den Menschen, da werden die Eigenarten und Vorlieben offensichtlich. Und weil jeder auf dem Gebiet des Wohnens ein Experte ist, erfahre ich derzeit viel darüber, wie man am besten und liebsten wohnt.
Viele kommen mit meinem Wohnungswechsel schlechter zurecht als ich selbst. Man solle doch lieber in Köln bleiben, Rösrath sei so weit weg. Es sind aber doch nur 15 Minuten mit der Regionalbahn bis zum Kölner Hauptbahnhof und mit dem Auto sind es 20 Minuten. Trotzdem, finden viele, sei der Ort zu weit weg. Weil es eben nicht mehr Köln ist, sondern eine andere Vorwahl, eine andere Postleitzahl hat. Zwischen Köln und Rösrath ist viel Wald. Die meisten waren allenfalls mal beim Rösrather Möbelzentrum, aber das hat nicht besonders beeindruckt. Manche kann ich mit meinem riesengroßen Loft überzeugen, das man sich nicht in Köln, sondern nur in Rösrath leisten kann. Ein einziger großer Raum mit hohen Decken, in dem alles, was man zum Wohnen braucht, bequem Platz findet. Ich brauche 25 Schritte, um vom einen zum anderen Ende des einen Raumes zu gelangen. 50 Schritte sind es vom Bett bis zum Schreibtisch. Wer nicht in einem Loft wohnen will, der findet das zu groß. „Kann denn Wohnraum zu groß sein?“, frage ich mich.
Wahrscheinlich geht es um den vermeintlichen Preis. Wer immer noch zweifelt, dass ich für mich die richtige Entscheidung getroffen habe, will durch den Mietpreis bestätigt haben, dass die Sache doch einen Haken haben muss. Dass ich weniger Miete als für die Kölner Wohnung zahle, lässt die Skeptiker innehalten, überzeugt aber nicht. Eine Frage, die ich nicht beantworten kann, lautet: Warum ich denn überhaupt umgezogen sei, was der Impuls gewesen sei? Tja… irgendwie wollte ich mich wohl wohnlich verändern. Das stellt nicht zufrieden. Dass es so plötzlich ging, irritiert.
Noch gestern wohnte ich in Köln-Ehrenfeld, schon heute bin ich in einem Rösrather Loft. Das geht vielen zu schnell. Wohl, weil es für viele Leute ein wichtiges Thema ist, über das man lange nachdenkt, das man viele Male mit Bekannten und Freunden bespricht. Die ganz großen Skeptiker sehen mich schon bald zurückkehren. Na, mal sehen. Nicht allen habe ich verraten, dass ich gar keinen Mietvertrag habe, dass ich derzeit noch mit vier Männern in einer Quasi-WG wohne, mein Vermieter, sein Sohn und seine beiden rumänischen Angestellten wuseln auch noch hier rum. Ich bekomme sie aber kaum zu Gesicht und nach und nach entzerrt sich die Wohngemeinschaft, bis ich ganz allein in meinem großen Revier übrig bleibe.
Eigentlich ist Umziehen ganz einfach, fand ich und finde ich noch. Man mietet etwas an, packt alle Sachen in Kisten, lässt sie von starken Kerlen ins neue Heim bringen, packt alles wieder aus und findet sich ein. Und wenn es sich dort doof wohnen sollte, zieht man eben wieder weg, mit selbiger Prozedur. Dass Umziehen viel Arbeit bedeutet und teuer ist, kann ich nicht bestätigen. Was ich jetzt brauche, hatte ich vorher schon. Klar, ein paar Dinge wollen erledigt werden, aber auch das ist überschaubar. Alles bestens! Natürlich, ein wenig Wehmut packt mich schon, mein vertrautes Revier zu verlassen aber ich kann ja jederzeit wieder hin, wie gesagt, in nur 15 Minuten bin ich dort. Morgen gehe ich erst mal zum Bürgermeister meiner neuen Stadt, stelle mich vor und hole mein Willkommensgeschenk ab. Dann besuche ich die Bürgerfeste der Stadtteile und besaufe mich in meiner neuen Stammkneipe. Prost Rösrath!
Julia Siebert
14/08/09