Im Frühjahr nächsten Jahres eröffnet in Almaty ein neues Shoppingcenter – das Prime Plaza im Gebiet Aksai. Für die Positionierung und das Management ist der Deutsche Olaf Warzecha verantwortlich. Stolz führt der Experte durch das sich im Bau befindende Einkaufszentrum und erzählt über kasachische Kundenwünsche, seine Erfahrungen im internationalen Shoppingcenter-Business und warum er selbst am liebsten auf dem Grünen Basar einkauft.

/Bild: Christine Karmann. ‚Olaf Warzecha: „Der Shoppingcenter-Markt in Almaty ist noch lange nicht gesättigt.“’/

Marmorwaschbecken und pfirsichfarbener Deckenanstrich im Wickelraum – Olaf Warzecha, 37 Jahre, Shoppingcenter-Manager aus Deutschland, achtet darauf, dass die Wohlfühlatmosphäre im Shoppingcenter Prime Plaza, das Anfang nächsten Jahres in Almaty eröffnet wird, überall spürbar ist.

„Beim Haupteingang habe ich extra darauf geachtet, dass die Fliesen tiefer liegen und die Laufmatten einheitlich abschließen, damit kein Kunde in das Center stolpert“, sagt Olaf Warzecha. „Die Fußabtreter sind wichtig, damit die Menschen vor allem im Winter keinen Schneematsch in das Einkaufszentrum reintragen“.

Zur Sauberkeit im Einkaufsparadies tragen schon jetzt auch die Bauarbeiter bei, die in schwindelerregender Höhe an den Rolltreppen die Folie abziehen. „Es gab noch zuviel Baudreck im Inneren des Gebäudes, deswegen beginnen wir erst jetzt die Rolltreppen freizulegen. Die Säulen sind noch in Schutzfolie eingepackt“, sagt Olaf Warzecha.

Marktplatz für die Mittelklasse

Das Shoppingcenter Prime Plaza soll der neue Marktplatz für die Mittelklasse im Arbeiterviertel Aksai werden. Die Planer kalkulieren mit 800 Dollar durchschnittlichem Familieneinkommen pro Monat. Supermarkt, Kino, Elektrohandel, Modeboutiquen, Cafes und Kinderland – das Shoppingcenter soll alle Wünsche erfüllen. „Nach außen Emotion, nach innen Funktion“, sagt Olaf Warzecha und führt über das Treppenhaus in die dritte Etage des Einkaufszentrums.

Hier oben beginnt der Amüsierbereich von Prime Plaza mit einer Schlemmermeile, in der man sich mit Kebab, Plow, Sushi, Hamburger und Lagman durch die kulinarische Fastfood-Welt wird essen können. Die Bedürfnisse der Einkaufsfreudigen in Almaty unterscheiden sich nicht von denen in Hamburg, Moskau oder Minneapolis. In der Stadt im Norden der USA entstand im Jahr 1956 das weltweit erste, in einem einzigen Gebäude integrierte Einkaufszentrum.

Die Geschichte des Shopping-Center-Booms begann in Amerika. Die Einkaufzentren sollten ein innerstädtisches, europäisches Ambiente nachahmen, da sich in den USA anders als in Europa große Geschäfte nicht zentral im Ortsmittelpunkt, sondern verstreut entlang der Ausfallstraßen befanden. Das Konzept fand großen Anklang bei den Kunden und verbreitete sich rasch auch in Europa.

Versorgung und Freizeit

Das Konzept des Einkaufszentrums bietet dem Kunden neben integrierten Parkplätzen den Vorteil einer hohen Bandbreite aufeinander abgestimmter Läden und das alles hell, sicher und sauber und in schöner Atmosphäre. In Deutschland eröffnete das erste Einkaufszentrum im Jahr 1964 – das Main-Taunus-Zentrum in Sulzbach bei Frankfurt am Main. Als erstes vollklimatisiertes, zweigeschossiges Einkaufszentrum Europas folgte im Jahr 1967 das Donau-Einkaufszentrum in Regensburg.

Wie erklärt sich der Experte den besonderen Erfolg von Shopping-Centern überall auf der Welt? „Ein Shoppingcenter ist ein Marktplatz mit Versorgungsfunktion“, sagt Olaf Warzecha. „Shopping verbindet die menschlichen Grundbedürfnisse Versorgung und Freizeit miteinander.“

Olaf Warzecha kennt den Einzelhandel in all seinen Facetten. Er hat als Pulloververkäufer bei der deutschen Warenhauskette Karstadt angefangen und sich nach Ausbildung und Betriebswirtschaftsstudium zum Abteilungsleiter hochgearbeitet. Seit seinen Anfängen in der Herrenboutique bei Karstadt wollte Olaf Warzecha immer, dass die Menschen gut aussehen. Er selbst geht mit gutem Beispiel voran und könnte in seinem modischen Anzug, die vollen lockigen Haaren modern frisiert und mit leicht gebräunter Haut in seinem eigenen Werbekatalog als zufriedener Käufer abgebildet werden.

Von Deutschland über Russland nach Kasachstan

Hamburg, Berlin, Leipzig, Karlsruhe, Koblenz, Köln – seine Shoppingcenter-Laufbahn führte ihn durch ganz Deutschland. Im Jahre 2006 wagte der deutsche Einkaufsexperte den Sprung auf den russischen Markt. Keine Liebe auf den ersten Blick, aber eine abwechslungsreiche Herausforderung. „Ich war hin- und hergerissen von dem mir bis dahin unbekannten Land. Die Möglichkeiten waren sehr groß und das Geschäftsklima sehr lebendig, aber es gab auch Grenzen, und an den russischen Stolz musste ich mich erst gewöhnen“, sagt Olaf Warzecha.
Im Mai 2009 eröffnete das von ihm mitkonzipierte 60.000 Quadratmeter große Shopping-Center „Filion“ in der russischen Hauptstadt. Im November 2008 gab er der Moskauer Zeitung ein Interview und berichtete über russische Geschäftspraktiken. „Hektisch“ und „stressig“ sei die Stadt, „dominant und aggressiv“ seine Geschäftspartner, und der aus Deutschland mitgebrachte „kooperative Führungsstil“ funktioniere angeblich in seinem Team nicht.

Vielleicht hatte Olaf Warzecha einfach einen schlechten Tag, vielleicht brauchte er auch einfach Zeit, um die Sprache zu lernen und sich auf das Abenteuer Ost einzulassen. Heute scherzt Olaf Warzecha in tiefstem Umgangsrussisch mit den kasachischen und türkischen Bauarbeitern des Einkaufszentrums und fachsimpelt in gepflegtem Businessenglisch mit den Architekten. Ein Beispiel von kooperativem Führungsstil wie aus dem Lehrbuch.
Olaf Warzecha ist in Hamburg aufgewachsen, in einer multikulturellen Familie mit einem polnischen Vater, aber nicht zweisprachig. „Das war damals noch nicht in Mode, die polnische Sprache hatte damals noch nicht das Renommee von heute. Vielleicht hat mich mein osteuropäisches Blut 30 Jahre später dann doch wieder in den Osten gezogen, wo sich die Menschen bis vor 15 Jahren fast noch vollständig auf Märkten versorgten“, sagt Olaf Warzecha.

Shoppingcenter extrem

Welchen Standpunkt nimmt der deutsche Experte zu der Frage Einkaufen auf dem Markt oder im Shoppingcenter ein? „Ein Shoppingcenter bietet gegenüber dem Markt viele Vorteile: Der Kunde bekommt keine nassen Füße, kann seine Waren bequem mit dem Einkaufswagen direkt zum Kofferraum schieben, ist sicher vor Anrempeleien und anderen Bedrohungen und kann sich stets bei Fragen an freundliche Ansprechpartner wenden. Eine Atmosphäre, die zum entspannten Einkaufen einlädt“, sagt Olaf Warzecha.

In Moskau hat Olaf Warzecha auch das andere Extrem des Shoppingcenters kennen gelernt. Ein Marktplatz der Luxusklasse, in dem alles Leben wie ausgesperrt wird. Ein Extrem, das besonders in Moskau seine Liebhaber findet. Ein russischer Freund war bei seinem Hamburgbesuch begeistert von dem modernen City-Konzept „Hafencity“, das versucht, eine Stadt nachzubilden. „Aber er konnte es gar nicht verstehen, dass sich die Menschen bei Nieselwetter auch vor meiner Haustür auf dem Flohmarkt vergnügten, um ausgerechnet alten und schon gebrauchten Plunder zu erwerben, wo die Stadt doch so tolle Einkaufsmöglichkeiten in Shoppingcentern bietet“, sagt Olaf Warzecha.

Der deutsche Experte kann das Verhalten der Flohmarktbesucher in Deutschland so erklären: „Der Trend geht in Westeuropa wieder ein wenig zurück von der künstlichen Einkaufswelt hin zu mehr natürlichen Erlebnissen. Kasachstan als junger Markt hingegen ist aufgeschlossen und zugänglich für neue Entwicklungen und action- und entertainmenthungrig. Die Kasachen haben keine Berührungsängste mit neuen Themen. Im Obergeschoss des Shoppingcenters werden wir eine Achterbahn bauen, in der sich Kinder und Erwachsene vergnügen können“, sagt Olaf Warzecha, das wäre in Deutschland undenkbar.

Kasachstan: Viel Potential auf dem Shoppingcenter-Markt

Die Stimmung auf dem Shoppingcenter-Markt in Kasachstan sei trotz Finanzkrise gut und das Interesse der Händler groß, einen Laden in Prime Plaza zu mieten. Seltsam, dabei stehen doch in vielen Shoppingcenters Almatys die Läden leer. „Das ist großteils auf Missmanagement zurückzuführen“, sagt Olaf Warzecha.

„Viele Händler sind verunsichert. Sie wurden mit Versprechungen in die Center gelockt, die später nicht eingehalten wurden.“ Wie kann man denn einen Mieter verärgern?

„Man kann z.B. versprechen, dass ein bekanntes Unternehmen in den Nachbarladen einziehen wird, dabei ist in Wirklichkeit der Laden noch gar nicht vermietet. Man kann Werbeschilder aufstellen, so dass die Kunden den Laden vom Eingang aus nicht mehr sehen. Man kann das Center falsch ausleuchten, entweder in einem so grellen Licht, das kein Kunde sich mehr in seinen Anziehsachen wohl fühlt oder so schummrig, das die Kunden ihren Einkaufszettel nicht mehr sehen können“. Hier hält Olaf Warzecha inne und merkt an, dass man eventuell noch eine zusätzliche Lampenreihe in das Shoppingcenter Prime Plaza einbauen könnte.

Der Einfall wird sich gemerkt. Olaf Warzecha hat seinen Beruf on the job gelernt, macht mit jedem neuen Projekt neue Erfahrungen und lernt ständig dazu. Sein Handwerkszeug sind Checklisten, die er ständig parat hat. Vor allem versucht er sich so früh als möglich ein Bild über die Situation im Center zu verschaffen und möglichst alles zu testen – der Springbrunnen im Eingangsbereich funktioniert schon, das hat er gestern ausprobiert. Fische sollen erst mal nicht in den Brunnen, die Idee hatte er aber auch schon.

Olaf Warzecha telefoniert nach dem Elektriker. Während der Wartezeit erzählt er, dass es ihm in Kasachstan ganz gut gefällt und er die Stadt Almaty mit seinen freundlichen Bewohnern und den umliegenden bis 4.000 Meter reichenden Bergen besonders ins Herz geschlossen hat.

In Almaty möchte Olaf Warzecha seinen Traum verwirklichen, einmal ein Shoppingcenter vom ersten Bleistiftstrich an zu begleiten. Gibt es denn noch Bedarf für ein weiteres Shoppingcenter in Almaty? „Der Shoppingcenter-Markt ist in Almaty mit seinen 1,5 Millionen Einwohnern ist noch lange nicht gesättigt. Kazkommerts Invest Real Estate plant schon weitere Objekte“, sagt Olaf Warzecha und nimmt vor dem Springbrunnen, der mittlerweile sprudelt, wenn auch noch nicht in zufriedenstellender Höhe, für ein Foto Aufstellung.

Weiterentwicklung von Märkten

„Wenn man langfristige Beziehungen zu den Mietern aufbaut und das Vertrauen nicht durch leere Versprechungen zerstört, ist noch viel auf dem Shoppingcenter-Markt in Almaty möglich“, verrät Olaf Warzecha sein Rezept mit dem er den Einkaufsmarkt erobern will.
Mittlerweile warten schon die nächsten Mieter auf Olaf Warzecha. Stolz bittet er zum Gespräch in seinen Showroom, eine orange Wohlfühlwelt in einem Eckladen des Shoppingcenters mit Minimodell vom Prime Plaza, Heizstrahler und Ledersesseln. Bevor er die nächste vertrauensvolle Beziehung mit seinem potentiellen Mieter knüpft, muss er noch seinen Helm an den Haken hängen, die Locken in Ordnung bringen und die Frage beantworten, wo er selbst am liebsten einkauft.

Die Antwort kommt schnell: „Auf dem Grüner Basar.“ Das ist kein spontaner Versprecher des Einkaufsexperten. „Lokale Wochenmärkte sind lebendig, und die wird es immer geben. Shoppingcenter sind zwar die Weiterentwicklung von Märkten, aber beim Einkaufen möchte ich die Gegensätze spüren“, sagt Olaf Warzecha. Und jetzt muss er mit dem Kinomieter das Design besprechen.

06/11/09

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