Die kleine Gemeinde Alpen in NRW ist offiziell Partnerstadt des Rajons Medeu in Almaty. Wie es zu dieser außergewöhnlichen Zusammenarbeit kam und was der Alpener Bürgermeister im fernen Kasachstan erlebte, schildert er gegenüber der DAZ. Den Beitrag widmen wir einem Jubiläum.

Am 11. Februar feiern Deutschland und Kasachstan das 30-jährige Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Beide Länder erinnern aus diesem Anlass an die großen Fortschritte in der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit. Nicht zu kurz kommen dürfen dabei allerdings auch die kleinen Anekdoten von menschlichen Begegnungen, die die Beziehungen zwischen zwei Ländern erst lebendig machen.

Eine dieser Anekdoten kann Thomas Ahls erzählen. Der 58-jährige CDU-Politiker ist Bürgermeister von Alpen am Niederrhein, einer 13.000-Seelen-Gemeinde am äußersten westlichen Rand der Bundesrepublik, in der es eher beschaulich zugeht. Sechs Kirchenbauten gibt es dort, vier Schulen, einige erfolgreiche mittelständische Unternehmen, etliche Gastronomiebetriebe, und die üblichen Freizeitangebote von Feuerwehr bis Sportverein. Exotisch wird es allerdings, wenn man sich auf der Gemeinde-Seite zu der Rubrik „Partnerstädte“ durchklickt. Neben einer Stadt in Belgien taucht dort nämlich auch das Tausende Kilometer entfernte Almaty auf – besser gesagt dessen Stadtteil Medeu.

Bei der Unterzeichnung des Partnerschaftsabkommens

Und weil Thomas Ahls diese Partnerschaft praktisch von seinem Vorgänger „geerbt“ hatte, als er 2004 sein Amt antrat, führte ihn auch seine erste Dienstreise direkt ins ferne Kasachstan. Nur wenige Wochen nach seiner Wahl machte er sich mit einer kleinen Delegation auf nach Almaty, um die „Partnerschaft für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit“ mit Medeu zu unterzeichnen. „Eingefädelt hat das Ganze ein Kasachstandeutscher, der damals bei einem Alpener Ingenieurbüro arbeitete“, erinnert sich Ahls.

Steppe, Shymbulak und Schwarzwald in einer Woche

Erste Kontakte zwischen dem Unternehmen und der kasachischen Seite gab es demnach auf der Hannover Messe, wo auch Vertreter des späteren Technologieparks Alatau päsent waren. Deren Hoffnung war es seinerzeit, den ebenfalls in Alpen ansässigen Landmaschinenhersteller Lemken in den Technologiepark zu holen. Der wirtschaftliche Aspekt stand von Anfang an im Vordergrund der Zusammenarbeit, was Ahls durchaus skeptisch stimmte. „Eine Städtepartnerschaft lebt ja vor allem vom sozial-kulturellen Austausch“, sagt er. „Und da stößt man angesichts der Entfernung schnell an seine Grenzen.“

Zu Besuch im Kernforschungszentrum…

Nichtsdestotrotz freute sich der frisch gewählte Bürgermeister auf seine Mission in Almaty, die er gemeinsam mit seiner Frau antrat. Der kasachstandeutsche Mitarbeiter des Alpener Ingenieurbüros begleitete die kleine Delegation als Dolmetscher, auch sein Chef war mit dabei. Auf die Gruppe wartete eine intensive Woche mit Ausflügen zu Unternehmen und Forschungseinrichtungen, in die kasachische Steppe und das Skigebiet Shymbulak, zur Süßwarenfabrik Rachat und schließlich zur örtlichen Vertretung der Kasachstandeutschen, wo Tänze aufgeführt wurden, „die mich allerdings eher an den Schwarzwald erinnerten“, wie Ahls sagt.

Pferdefleisch und gekochter Schafskopf

Zur Begrüßung bekam der Alpener Bürgermeister eine Landestracht vom Akim des Rajons Medeu geschenkt. Außerdem waren die Begegnungen reich an Wodka und deftigem Essen, erinnert sich Ahls. „Ich habe noch nie in einem solchen Zeitraum so viel gegessen.“ Seine Frau, selbst Reiterin, tat sich indes sehr schwer damit, dass man bei den Mahlzeiten einfach nicht an Pferdefleisch vorbeikam. Das sei ja noch gar nichts, erwiderte ihr Gastgeber, und wies auf die kasachische Tradition hin, wonach wichtigen Gästen ein gekochter Schafskopf serviert wird, den der Gast zerschneidet und unter den Anwesenden verteilt. Zwei Tage später wurde die deutsche Delegation dann von einem ranghöheren Stadtpolitiker empfangen. „Und da gab es tatsächlich diesen Schafskopf“, erzählt Ahls lachend. „Unser Dolmetscher nahm sich die Zunge, was einer gewissen Symbolik nicht entbehrte.“

…in den Almatiner Bergen…

Auf den Besuch der Delegation aus Alpen folgte ein paar Monate später ein Gegenbesuch aus Medeu. Die Delegation um den Akim, seine Frau und deren Begleiter wurde im 10 Kilometer entfernten Xanten untergebracht, das zu der Zeit touristisch besser erschlossen war. Anschließend teilten sich Ahls und andere Gemeindevertreter die Touren auf, um den Gästen möglichst viel von der Region zu zeigen. Alpen ist Teil der grenzüberschreitenden Euregio Rhein-Waal mit etwa 4 Millionen Einwohnern, die zugleich Heimat vieler erfolgreicher Unternehmen ist. Möglicherweise, mutmaßt Thomas Ahls, seien die Gäste aus Kasachstan allerdings doch etwas ernüchtert gewesen, dass Alpen selbst nur so eine kleine Kommune war.

Nach den Besuchen riss der Kontakt ab

Der Gegenbesuch blieb jedenfalls das letzte Treffen der beiden Seiten, auch schriftliche Kontakte gab es dann kaum noch. Neben der Entfernung spielten dabei wohl auch sprachliche Verständigungsprobleme eine Rolle. Irgendwann herrschte gänzlich Funkstille, was bei Bürgermeister Ahls gemischte Gefühle hervorrief. „Zunächst war ich sehr traurig, dass es nicht weiterging, weil das sehr angenehme Begegnungen waren“, sagt er. „Später dann nicht mehr so sehr, weil es wirklich schwer gewesen wäre, das mit dem nötigen Ernst weiterzuverfolgen.“

…und bei den Deutschen Kasachstans

Auch in der einzigen weiterführenden Schule von Alpen trat schließlich Zurückhaltung an die Stelle von Euphorie. Nachdem die Schulleiterin zunächst begeistert war von der Partnerschaft, wurde schnell klar, dass gegenseitige Besuche von Schulklassen angesichts der abenteuerlichen Entfernung nicht in Frage kommen würden. Anfangs hielten die Klassen in Alpen und Medeu noch per Mail Kontakt, später verlief auch das im Sande.

Auch zu dem Kasachstandeutschen, der die Städtepartnerschaft damals einfädelte, haben heute weder Ahls noch sein Stellvertreter Thomas Janßen Kontakt. Letzterer aber erinnert sich noch lebhaft an die Gespräche, die er mit ihm über die alte Heimat Kasachstan führte. „Wir hatten damals bei der Firma seines Chefs Räumlichkeiten angemietet, um IT-Schulungen für unsere Mitarbeiter durchzuführen – damit kannte der sich aus.“ Während die beiden die halbe Nacht damit beschäftigt waren, ein Netzwerk einzurichten, habe der Kasachstandeutsche ihm dann berichtet, ein alter Studienfreund des damaligen Präsidenten Nursultan Nasarbajew zu sein. „Die Beiden kannten sich wohl gut, waren sogar Duz-Brüder. Das hat er mir damals erzählt, da kann ich mich noch genau dran erinnern.“

Christoph Strauch

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