Drogen, Alkohol und schwarze Klamotten waren das Leben von Tobias. Bis er vor vier Jahren Gott entdeckte. Jetzt möchte er Missionar werden, und zwar dort, wohin Gott ihn schickt

„Der 15. Februar 2001 ist mein zweiter Geburtstag“, sagt Tobias. Doch kein Verkehrsunfall, den er überlebt hat, keine bestandene Prüfung und kein wiedergefundenes Familienmitglied markieren diesen besonderen Tag. Am 15. Februar 2001 hat Tobias Gott entdeckt.

Tobias Dietze, 18 Jahre alt. Hochgewachsen, lange lockige Haare, Nickelbrille – ein John-Lennon-Typ. Unter Gleichaltrigen wirkt er gesetzt, aber trotzdem witzig, einer, der über Außenseiter nicht lacht, sondern sich eine eigene Meinung bildet, einer, dem man vertrauen kann.

Keine schlechten Voraussetzungen für das, was Tobias vorhat. Er möchte Missionar werden. Das ist ungewöhnlich für einen Jugendlichen, zumal Tobias nicht den Eindruck erweckt, aus Angst vor dem Leben in die Religion zu flüchten. Im Gegenteil. Tobias hatte schon so viel Leben, dass es ihm selbst zuviel wurde. „Kiffen und Saufen, Musik und schwarze WGs“, so umreißt der junge Mann seine Pubertät, die Zeit, in der viele auf die Suche gehen. Auch er war auf der Suche, sagt Tobias, und manchmal waren seine Eltern auf der Suche nach ihm, weil er von zu Hause verschwand und bei seinen schwarzen, meist älteren Freunden unterkam, den Gothics.

Gothic ist schwarz, Musik von den „Sisters of Mercy“ und eine Lebenseinstellung. Für die meisten „Grufties“, wie die Anhänger dieser Szene auch genannt werden, ist Gothic vor allem eine Art, sich von anderen abzugrenzen. Weder politisch noch religiös sind die Gothics, weder militant noch pazifistisch. Sie sind einfach nur schwarz und bilden eine vor allem durch die Mode auffällige Gruppe unter den Jugendbewegungen. Hier fühlte sich Tobias zu Hause, unzufrieden war er trotzdem.

Tobias hat keine streng gläubigen Eltern. Doch wie sie, wurde auch er getauft, geht zum Konfirmandenunterricht. Dadurch hat er Gelegenheit, an Jugendfreizeiten seiner Gemeinde teilzunehmen. Von einem solchen Ausflug, bei dem die Jugendlichen ein paar Tage lang intensiv über ihren Glauben diskutieren, kehrt Tobias geläutert zurück.

Er erinnert sich noch genau: Jeder Teilnehmer hatte die Möglichkeit, mit einem Betreuer zu beten, über eigene Sünden nachzudenken und sie zu bereuen. Tobias durchforstete in Gedanken sein Leben und fand einiges, was ihm verzichtbar erschien: Rauchen, Drogen, Alkohol, Nichtstun. Ok, dachte er, kann man drüber nachdenken, beeindruckt mich aber nicht. Trotzdem ließ er für sich beten. Dabei sei es dann passiert, erzählt er. Mit einem Mal wäre ihm klar gewesen, was bisher falsch gelaufen sei, und dass er sich Gott zuwenden müsse, um sein Leben in den Griff zu bekommen. Wie ein Schlosshund habe er geheult, aber danach hätte er sich einfach nur befreit gefühlt.

Das darauf folgende Jahr war für Tobias ein Jahr der Veränderungen. Als erstes hat er seine schwarzen Sachen weggeworfen und sich mit farbigen Hosen und T-Shirts neu eingekleidet. Nach exzessiven Rückfällen trinkt er Alkohol nun nur noch in Maßen, mit Rauchen und Kiffen hat er völlig aufgehört. Viele Freunde hat er verloren, neue gefunden.

Der Dialog mit ihnen ist für Tobias wichtig, so wie sein Dialog mit Gott. Jeden Morgen steht er dafür um halb sechs auf, beginnt den Tag mit innerer Einkehr. Dann läuft er in seinem sieben Meter langen Zimmer auf und ab und redet mit Gott, fragt ihn, was der Tag bringen wird und worüber er nachdenken soll.

Inspiration für seine Gespräche ist Tobias die Bibel. Seine kleine Taschenbibel ist mit blauem, grünem, gelbem und rotem Textmarker in Gleichnisse, kritische, fragwürdige oder bemerkenswerte Passagen eingeteilt.

Psalm 51, die Geschichte von König David, ist gelb. Das heißt „außerordentlich wichtig“. David konnte seine Fehler eingestehen. So etwas beeindruckt Tobias.

Mittlerweile steht für ihn fest, dass der Glaube auch seinen Beruf bestimmen wird. Ein Theologiestudium sei ihm jedoch zu weit weg von den Evangelien und zu nahe dran an der Kirche, so der Abiturient, der in diesem Jahr die Schule beenden wird. Deshalb möchte er an einer Bibelschule studieren, wo er in vier Jahren seinen Bachelor der Theologie machen kann.

Vorher steht allerdings noch der Zivildienst an. Als Kriegsdienstverweigerer ist er bereits offiziell registriert. So, wie es jetzt aussieht, wird Tobias nach Rumänien gehen, wo er einem deutschen Missionars-Ehepaar bei der Arbeit mit Jugendlichen helfen wird.

Ähnlich stellt er sich auch seine eigene Zukunft vor. Dabei heißt Missionieren für ihn vor allem Sozialarbeit. Bekehren wolle er keinen, die Entscheidung für Gott müsse von jedem selbst kommen. Und überhaupt sei bekehren das falsche Wort. „Umkehr“ findet er viel besser. Auch er sei an jenem 15. Februar umgekehrt. Nachdem er sich vorher von Gott entfernt hatte, ginge er nun jeden Tag aufs Neue wieder auf Gott zu.

Wohin es ihn verschlagen wird, ist Tobias egal. Afrika oder Osteuropa, auch Zentralasien könne er sich vorstellen. Gott wird seinen Weg leiten, ist Tobias überzeugt.

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