Bewerber mit Migrationshintergrund haben weniger Chancen, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, als Bewerber mit deutschen Namen. Laut einer Studie vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen liegt dies unter anderem an falschen Vorstellungen von Personalverantwortlichen. Was alles unternommen werden kann, zeigt die Kampagne „Berlin braucht dich!“

Wenn der Name des Bewerbers fremd klingt, verringern sich seine Chancen, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Eine Studie des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Migration und Integration belegt Diskriminierung beim Einstieg von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt.

Dies zeigt ein Korrespondenztest, der im Rahmen der von der Bosch-Stiftung geförderten Studie durchgeführt wurde. Um aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen, wurden jeweils 1.800 fiktive Bewerbungen mit gleichem Qualifikationsniveau für eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker und Bürokaufmann deutschlandweit verschickt.

Sieben Bewerbungen mehr

Bewerber mit deutschen Namen bekamen durchschnittlich auf jede fünfte Bewerbung eine Einladung zum Vorstellungsgespräch, die Bewerber mit türkischen Namen hingegen auf jede siebte. Für eine Ausbildung als Kfz-Mechaniker musste ein Bewerber mit türkischem Namen 1,5 Bewerbungen mehr schreiben, während es für eine Stelle als Bürokaufmann nur 1,3 Mal so viele waren. Das Ausmaß der Diskriminierung ist also in den verschiedenen Berufen unterschiedlich ausgeprägt.

Ein weiterer Faktor sei die Größe des Unternehmens, denn besonders auffällig seien die hohen Diskriminierungsraten in Kleinunternehmen, erklärt der Autor der Studie Dr. Jan Schneider dem „Migazin“, einem Informationsportal zum Thema Migration und Integration. Dass sich Unternehmen weigern, Jugendlichen mit Migrationshintergrund einen Ausbildungsplatz anzubieten, könne mittelfristig zu Fachkräftemangel führen, warnt er.

Warum sich Personalchefs immer häufiger für deutsche Namen entscheiden, dafür hat die Studie keine klare Antwort. Als Gründe werden Stereotype, Vorurteile und mangelndes Bewusstsein für gesellschaftliche Vielfalt angeführt. Wie schnell sich Personalverantwortliche von bestimmten Vorstellungen leiten lassen, auch wenn sie gut gemeint sind, zeigt der Fall der „tageszeitung“.

Multikulturelles Bewusstsein fördern

In Kleinunternehmen gibt es wenig Azubis mit Migrationshintergrund. | Bild: BQN

Die Berliner Zeitung bot zusammen mit der taz-Partnerstiftung, die sich grundätzlich für Vielfalt am Arbeitsplatz engagiert, eine Volontärstelle an. Laut Ausschreibung wurde eine „Frau mit Migrationshintegrund“ gesucht. Ein ukrainischer Bewerber empfand dies als Ungerecht und klagte.
Kürzlich urteilte das Berliner Arbeitsgericht, dass die taz Ausschreibungen zur Nachwuchsförderung nicht nur auf Frauen mit Migrationshintergrund beschränken dürfe.

Klage wegen Männer-Diskriminierung

Da es sich lediglich um die Besetzung einer Ausbildungsstelle handele, dürfen Männer nicht ausgeschlossen werden. Nun muss die „tageszeitung“ dem Bewerber drei Monatsgehälter zahlen, berichtete der Rundfunk Berlin Brandenburg. Das Volontariat wurde ausgeschrieben mit dem Bafög-Höchstsatz und einer Fahrkarte für den Berliner Nahverkehr. Die „tageszeitung“ fühlt sich ungerecht behandelt, denn eigentlich wollte sie mit der Ausschreibung etwas ganz anderes erreichen: Für mehr Vielfalt in der Redaktion sorgen. Dem rbb sagte taz-Chefin Ines Pohl, man werde gegen das Urteil in Berufung gehen.

Um solche Situationen zu vermeiden, bietet die SVR-Studie Handlungsvorschläge an. Diese sehen unter anderem vor, Personalverantwortliche verstärkt über das Problem aufzuklären und Ausbildern interkulturelle Kompetenz zu vermitteln. Außerdem sollten die Unternehmen anonymisierte Bewerbungsverfahren durchführen. Damit können die Bewerber auf die Namensangabe, ein Foto sowie die Auskunft zu Herkunft, sexueller Identität und Weltanschauung verzichten. Dieses Verfahren wurde bereits von der Stadt Hannover für externe Ausschreibungen in den Bereichen Gebäudemanagement und Stadtplanung getestet. Allerdings haben hier die Erfahrungen gezeigt, dass sich bezüglich der Diskriminierung von Bewerbern mit Migrationshintergrund keine Veränderungen gezeigt haben.

Interkulturelle Öffnung der Berliner Betriebe

Ähnliche Erfahrungen hat auch Klaus Kohlmeyer vom Beruflichen Qualifizierungsnetzwerk für Migranten und Migrantinnen gemacht (BQN). „Ich finde, anonyme Bewerbungsverfahren sind keine Lösung. Wenn man wie in Berlin den Anteil von Migranten und Migrantinnen unter den Beschäftigten erhöhen möchte, kann es auch dazu beitragen, die Zielerreichung zu behindern.“ Der Geschäftsführer des BQN bestätigt die Ergebnisse der SVR-Studie. Er weiß auch, dass die Probleme vielschichtig sind und viele Ursachen haben.

In Berlin hat der Senat schon 2006 reagiert und die Kampagne „Berlin braucht dich!“ ins Leben gerufen. Das ist eine Strategie zur interkulturellen Öffnung der Verwaltung, die gemeinsam mit dem BQN umgesetzt wird. Dabei geht es nicht nur um Werbung für mehr Ausbildungsplätze und Bewerber, sondern auch um die entsprechende Anpassung von Einstellungsverfahren.

Ebenso ist 2009 eine Zielvereinbarung abgeschlossen worden, in der Verwaltung den Anteil der Azubis mit Migrationshintergrund auf 25 Prozent zu erhöhen. Im vergangenen Jahr hat sich dazu auch die Berliner Metall- und Elektroindustrie bereiterklärt.

Integrationspolitische Pionierarbeit

Das schafft neue Perspektiven, denn in Berlin haben 43 Prozent der Jugendlichen unter 16 Jahren einen Migrationshintergrund. Arno Hager, der erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin begrüßt den Zusammenschluss der Berliner Industrie mit der Kampagne „Berlin braucht dich!“: „Bislang gab es Kooperationen zwischen einem Betrieb und einer Schule, nun schließen sich 46 Betriebe mit 32 Schulen zusammen“, freut er sich.

Während der Pilotphase im Schuljahr 2013/2014 haben die Betriebe der Metall- und Elektroindustrie über 620 Jugendlichen mit Migrationshintergrund die Möglichkeit gegeben, Einblick in die Praxis gewerblich- technischer Ausbildungsberufe zu erlangen. Hager hält dies für eine gut durchdachte und logische Schlussfolgerung: „Wenn Schüler/innen und Schulen davon profitieren, dann profitiert auch die Metall- und Elektroindustrie.“

Von Dominik Vorhölter

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