Es wird nicht nur in Kasachstan Alarm geschlagen. Prof. Dr. Bodo Lochmann findet, dass Wirtschaftswachstum zwar notwendig sei, jedoch nicht um jeden Preis. Selbst die Volksrepublik China habe seine Wachstumsprognosen zurückgeschoben. Dafür erhole sich gerade die amerikanische Wirtschaft.

Die Weltwirtschaft insgesamt hat sich noch nicht in allen wesentlichen Punkten von der schweren Krise der Jahre 2008-2009 erholt, da droht bereits wieder neues Ungemach. Alle wesentlichen internationalen Forschungsagenturen haben ihre Wachstumsprognosen für dieses Jahr und auch die Folgejahre nach unten korrigiert. Zumindest nach der heute am weitesten verbreiteten Denkweise ist das problematisch, obwohl man das auch anders sehen kann. Heutzutage verbinden wir Wirtschaftswachstum mit Sicherung oder Schaffung von Arbeitsplätzen, als deren Folge steigenden Wohlstand, als deren Folge politische und soziale Stabilität. Die andere Seite des Wachstums wird immer noch ungenügend problematisiert, vor allem die Tatsache, dass immer mehr Produktion auch immer mehr Ressourcenverbrauch und damit immer mehr Belastung unserer natürlichen Lebensgrundlagen bedeutet. Weil Wirtschaftswachstum – zu oft auch um fast jeden Preis – oben angestellt wird, stößt die Menschheit doch nun zunehmend an die natürlichen Grenzen des Wachstums. Wir beuten die Erde mittlerweile unvernünftig und trotz allen Geredes darüber, keinesfalls nachhaltig aus.

Der prognostizierte Rückgang des Zuwachstempos der Weltproduktion auf etwa 3 bis 3,5 Prozent in den nächsten zwei Jahren löst mancherorts schon Alarmstimmung aus. Klar, ein Großteil des Produktionszuwachses wird benötigt, um die unausweichlich wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Doch rein rechnerisch würden dafür die 3 Prozent ausreichen. Allerdings wäre dann die Ernährung nur auf dem jetzigen Niveau sicherbar und das ist in vielen Regionen der Welt bekanntlich völlig unzureichend.

Auch in Kasachstan wird Alarm geschlagen. In 2013 ist das hiesige BIP real noch um 6 Prozent gewachsen, für das laufende Jahr wird von 4,1 Prozent plus ausgegangen, für die nächsten beiden Jahre jeweils weniger als 5 Prozent. Das sind zwar Zuwächse, von denen andere Länder nur träumen können, doch hinter diesen relativen Zahlen steht oft eine wesentlich geringere absolute Summe als in Ländern mit einem geringeren prozentualen Wachstum. Das ist dem noch niedrigeren Ausgangsniveau Kasachstans geschuldet. So beträgt zum Beispiel das hiesige BIP pro Kopf knapp 30 Prozent der Gesamtbevölkerung des deutschen BIP, sodass ein Prozent Zuwachs in Deutschland absolut etwa der gleiche Wert ist wie 3 Prozent hier in Kasachstan.

Besonders drastisch wurden die Wachstumsprognosen für Russland zurückgenommen, sie liegen jetzt nur noch unwesentlich über Null, also dicht bei Stagnation. Das ist neben dem drastischen Verfall der Weltmarktpreise für Erdöl und andere Rohstoffe auch auf die Wirkung der westlichen Sanktionen gegenüber der Russischen Föderation zurückzuführen. Mit bangem Blick schauen die Wirtschaftsanalytiker vor allem aber auf China, das in den letzten 10 Jahren immer die Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft war. Zeitweise konnte die Volksrepublik auf mehr als 10 Prozent BIP-Zuwachs verweisen, allerdings auch von einem niedrigen Niveau aus. Jetzt nähern sich die Wachstumsprognosen der 7 Prozent-Marke, das heißt die Nachfrage nach Importwaren auf dem chinesischen Großmarkt reduziert sich ebenfalls, was für viele exportorientierte Unternehmen zum Problem werden kann. Auf dem Pfad der Erholung befindet sich momentan dagegen die Wirtschaft der USA, deren Produktionszuwachs mit bis zu 4 Prozent pro Jahr bewertet wird. Zwar sind die USA auch ein großer Importmarkt, der weitaus größte Teil der wachsenden Nachfrage wird jedoch von den in der Nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA) ansässigen Unternehmen abgedeckt, so dass die in andere Länder reichenden Nachfrageimpulse eingeschränkt bleiben. Neben den erwarteten geldpolitischen Maßnahmen der US-Notenbank (tendenziell wieder ansteigende Zinsen) ist die wieder erstarkende industrielle Macht der USA der Hauptgrund für das Erstarken des US-Dollars, von dem wir uns trotz vieler Unkenrufe noch lange nicht verabschieden sollten.

Bodo Lochmann

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