Für die Menschen in Almaty scheint das Wasserproblem in Zentralasien in ferner Zukunft zu liegen. Dagegen wirkt der Klimawandel bereits: Gletscher schmelzen, und die Steppen drohen auszutrocknen.
Selbst in der drückenden Hitze in den Straßen von Almaty haben die Menschen andere Sorgen als Wasser – und die Frage, ob es auch in 10, 20, 30 Jahren noch genug für alle geben wird. Nicht nur in Almaty, sondern in ganz Kasachstan und seinen Nachbarstaaten in Zentralasien. Wasser ist nicht so wichtig, so lange es aus dem Hahn kommt und es von der Melone bis zum T-Shirt alles zu kaufen gibt. „Natürlich wissen die Leute, dass es ein Wasserproblem gibt. Aber die Menschen denken nur an heute: Sie sind zufrieden, solange es genug Wasser gibt und wenn es keins mehr gibt, suchen sie erst einen Schuldigen“, sagt Alexander Nikolajenko. Er ist regionaler Berater für Wassermanagement bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und hat eine Arbeitserfahrung von 20 Jahren. Selbst für ihn ist es schwierig, die Menschen auf eine wasserknappe Zukunft vorzubereiten. „Die meisten sind arm und schon voll damit beschäftigt, einfach nur ihre Familie zu ernähren. Es ist schwer, zu argumentieren, dass sie etwas für die kommenden Generationen tun müssen.“, erläutert Nikoljaenko.
Genau das wäre aber wichtig. Der Klimawandel wird das Wasserproblem noch verschärfen – die Gletscher schrumpfen. Bis zum Jahr 2050 soll Zentralasien im Sommer knapp ein Drittel weniger Wasser haben – im Winter wird es dafür mehr sein. Dabei haben die Länder schon jetzt mit Überschwemmungen zu kämpfen. Dies ist nach Ansicht des Wassermanagement-Experten künftig nicht das einzige Problem der zentralasiatischen Länder. „Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan sind Wüsten, Halbwüsten und Steppen: Wasser sichert ihnen das Überleben. Die Zahl der Einwohner steigt und man muss daran denken, wie die Menschen mit Nahrungsmitteln und Arbeit versorgt werden.“
Nicht nur in Zukunft, schon jetzt entgehen den Ländern riesige Einnahmen – weil sie beim Wasser nicht gut zusammenarbeiten. Insgesamt gäbe es ja genug Wasser, es wird nur schlecht verteilt. Tadschikistan setzt voll auf Strom aus Wasserkraft – damit wird im Winter geheizt. Dann ist aber im heißen Sommer kein Wasser mehr übrig für die Landwirtschaft flussabwärts, in Usbekistan und Kasachstan. Die Weltbank schätzt, dass der Wirtschaft in Zentralasien jedes Jahr deshalb drei bis vier Milliarden Dollar flöten gehen. Das ist so viel wie das gesamte Bruttoinlandsprodukt von Tadschikistan und Kirgisistan.
Am Aralsee sieht man das Wasserproblem kaum deutlicher: Früher war er einer der größten Seen der Welt, heute ist er im Vergleich eine salzige Pfütze, im Jahresdurchschnitt ist nur noch ein Zehntel des Wassers übrig. Tais Tretyakova war da. „Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass da vorher so viel mehr Wasser war. Man steht an einem Ort und über dir waren früher 13 Meter Wasser. Die Leute dort sagen, dass es trotzdem besser geworden ist in den letzten 10 Jahren.“
Der Aralsee wird von zwei mächtigen Flüssen gespeist. Das heißt, nur in der Nähe ihrer Quelle sind sie mächtig – auf dem Weg wird überall Wasser abgezweigt, vor allem für Reis und durstige Baumwollpflanzen. Aber die Kanäle sind undicht und das meiste versickert schon vor den Feldern.
Am Aralsee kommt nur noch ein kleiner Teil der Flüsse von früher an. Diese sind voll von Düngerresten und Pestiziden, die die Umwelt vergiften, und die Menschen krank machen. Das kann schon mal zu Streit führen. Er habe schon gesehen, dass Experten bei einer Konferenz handgreiflich wurden, sagt Alexander Nikolajenko: Aber irgendwie hatte die Katastrophe vom Aralsee auch etwas Gutes. Sie war nämlich der Anstoß dafür, dass sich etwas ändert. Etwas ändern, das ist auch das Ziel von Barbara Janusz-Pawletta. An ihrem Arbeitsplatz, der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) herrscht gerade gähnende Leere. Nach den Ferien kommen hier ihre Studenten wieder zurück, in ihre Kurse zum Wassermanagement. Die Studenten lernen hier nicht nur verhandlungssicher Englisch zu sprechen. Ihre Heimat sind die verschiedenen Länder Zentralasiens, dort sind sie meistens schon Experten, an Ministerien, Unis, Forschungseinrichtungen. Die Koordinatorin für den Studiengang hofft, dass die Absolventen ihr neues Wissen über Wasserrecht, Wasserpolitik und Wasserwirtschaft wieder mit in ihre Länder zurücknehmen. „Hoffentlich kommen sie irgendwann mal in die Posten, wo sie auch verhandeln müssen“, sagt Janusz-Pawletta.
Die an der DKU ausgebildeten Wasser-Experten sollen mehr Sachlichkeit in die Verhandlungen bringen und mehr Vertrauen. Damit Zentralasien mit seinem launischen Wasser besser umgehen kann.
Dieser Beitrag ist während der IX. Zentralasiatischen Medienwerkstatt (ZAM) entstanden. Die ZAM ist ein gemeinsames Projekt der Deutschen Allgemeinen Zeitung, des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa), des Goethe-Instituts Kasachstan und der Friedrich-Ebert-Stiftung.