Immer wieder denke ich über andere Kulturen nach und frage mich, was „typisch“ für sie ist. Doch wie denken eigentlich andere über uns Deutsche? Und was ist an uns typisch?
Ziehen wir mal die Berichte einiger Gastdozenten über ihren Aufenthalt in Deutschland zu Rate. Demnach sind wir Deutsche regel- und gesetzestreu. Ich würde sagen, das stimmt weitgehend. Auf der anderen Seite wird uns mangelnde Spontaneität und Herzlichkeit vorgeworfen. Ja, schon. Wobei ich einige Regionen, vor allem das Rheinland, ausnehmen möchte. Etwas stärker betont, gelten wir sogar als kalt, reserviert und distanziert. Das kann ich nicht ganz abstreiten. Auch heißt es, wir seien egozentrisch, arrogant und „bestenfalls indifferent gegenüber ausländischen Gästen“. Hierzu möchte ich einschränkend erwähnen, dass wir bzw. diejenigen, die so auftreten, sicherlich nicht nur ausländischen Gästen gegenüber so sind, sondern auch allgemein. Manche Stimmen gehen differenzierender vor und äußern sich wie folgt: „Die Leute sind freundlich, aber sie mögen nicht, wenn man sie stört. Sie stören auch andere nicht.” Und: „Die Deutschen sind sehr großzügig, außer mit ihrer Zeit.“ Ja, das kann ich bestätigen. Mitunter vergessen wir vor lauter Erledigungsdrang das Miteinander. Dazu passt auch der Vorwurf, dass wir ungeduldig sind und immer sofort „durch“ und „vorbei“ müssen. Denn wir haben immer so schrecklich viel zu erledigen. Und es kommt uns immer so schrecklich wichtig vor, was wir zu erledigen haben. Auch, dass wir „sehr ehrlich, aber undiplomatisch“ seien, scheint mir wahr. Weiter heißt es, Deutsche seien grundsätzlich hilfsbereit, einige finden, dass wir uns jedoch erst ausdrücklich um Hilfe bitten lassen. Aber manch einer war auch begeistert von der außerordentlichen Hilfsbereitschaft. Nun, hier gilt die gesamte Palette. Wirkliche Pluspunkte können wir uns bei der staatlichen Ordnung holen. Insbesondere werden die Verfassungsfreiheiten und die soziale Ausgewogenheit gelobt. In Deutschland lebe es sich einfach, so dass es fast schwierig sei, sich wieder an das schwere Leben im Heimatland zu gewöhnen. Vor allem Frauen fühlen sich in Deutschland wohl und bezeichnen es als „eine besondere Freude, niemals diskriminiert zu werden“. Na, also! Auch unser kulturelles Angebot und die Medien kommen sehr gut weg. Ja, muss ich auch sagen. Vollkommen zufriedenstellend. Aber was die Bildung angeht, wird uns zu viel Gemächlichkeit und Disziplinlosigkeit vorgeworfen. Wir sollten früher mit dem Lernen anfangen, schneller lernen und auch früher wieder damit aufhören. Hey! Hier habe ich große Einwände! Lernen kann durchaus Spaß machen! Und weil wir Deutschen so gern so viel lernen, gibt es auch den stabilen Trend: „Lebenslanges Lernen“. Es gab noch andere Äußerungen, zum Beispiel über die Bürokratie, das Bankenwesen, die Geschäfte. Situationen und Menschen, über die man sich geärgert hat. Nun gut. Keine größeren Überraschungen, vielem kann ich zustimmen. Und alles in allem lässt sich mit diesem Deutschlandbild gut leben.
Von Julia Siebert
25/08/06