Ich will ein paar Tage in einer Hirtenhütte auf Korsika verbringen. Und das ist gar nicht so einfach. Hinfahren, dort wohnen, entspannt wiederkommen, fertig. Dachte ich, weil die Hütte Monika gehört, und Monika sehr unkompliziert ist; weil die Hütte spartanisch eingerichtet ist und in der Natur liegt.
Und so dachte ich, wo nicht viel ist, kann ich auch nicht viel falsch machen – so, wie in einem spießigem Ambiente, wo man ständig Angst hat, Rotweinflecken zu machen und Dinge an die falsche Stelle zu stellen.
Aber auch wenig braucht viele Regeln, musste ich nun erfahren – umso mehr, je mehr Natur mit im Spiel ist. Monika hat mir eine 7-seitige Hausordnung zugeschickt, die wir dann persönlich miteinander durchgegangen sind. Hausordnungen stressen per se, aber wenn die Regeln tatsächlich und einsehbar wichtig sind und unbedingt beachtet werden müssen, erhöht das immens den Stressfaktor. Und da es hier nicht um die Befindlichkeiten und Machtgelüste von irgendjemandem geht, sondern um die Macht der Natur, hilft da auch keine Haftpflichtversicherung, sondern nur Disziplin und Ordnung – was ich so nicht mit einem spartanischen Urlaub verbunden hätte. Wahrscheinlich ist es genau anders herum. Um vor Disziplin und Ordnung sicher zu sein, muss man viel Geld für Luxus ausgeben.
In erster Linie geht es um Mäuse und Ameisen, die ja an sich sehr klein sind, aber großen Schaden anrichten können. Mäuse fressen so ziemlich alles an, was nicht niet- und nagelfest ist, Mäusekacke stinkt, und es bleibt selten bei nur einer Maus. Ich solle also im Dienste der Hütte die Mausefallen benutzen, immerhin habe ich die Wahl Tot- Lebendfallen. Aber sowieso muss immer alles bestens verstaut werden, und außer den Mäusen kommen sonst auch die Ameisen. Auch Ameisen wirken zunächst wie ein kleines Problem, aber wenn es zu viele werden, locken sie größere Probleme an, nämlich Wildschweine, die gern Ameisen verspeisen und damit zwar das Ameisenproblem beheben. Aber nun frage ich mich, um das konsequent weiter zu denken, wen oder was locken dann die Wildschweine an?! Um das nicht leibhaftig auszutesten, brenne ich mir ins Hirn: IMMER ALLES gründlich verstauen und sofort spülen.
Nebenbei erwähnt, könnte es noch sein, dass auf dem Grundstück die Pferde vom Nachbarn weiden. Zwar ist mir das Pferd an sich vertrauter als das gemeine Wildschwein, aber lieber hätte ich doch das Anwesen für mich gehabt. Einzig kann ich mich über die Schildkröten freuen, die in dem Bach leben, der das Grundstück abtrennt. Über deren Größe und Eigenarten haben wir zwar nicht gesprochen, aber ich gehe davon aus, dass es putzige Tierchen sind, die sich nicht weit vom Wasser fortbewegen.
Ich dachte ja, ich hätte schon reichlich Erfahrung mit der Natur in Sibirien gesammelt, da habe ich immerhin schon einen Bären zu Gesicht bekommen. Aber das entscheidende Detail ist, dort hatte ich stets einen wild- und waldkundigen Jäger an meiner Seite. Es ist ein Unterschied, jemandem in die doppelt so großen Fußstapfen zu folgen, der vorpirscht und einem den Weg freischießt. Dieses Mal, und es ist das erste Mal, werde ich ganz allein mit der wilden Natur konfrontiert. Was ich bei dieser Expedition auch vergessen habe einzuplanen, ich bin ein ziemlicher Hasenfuß. In meiner Vorstellung sah ich mich besinnlich-beschaulich auf der Veranda sitzen und in die funkelnden Sterne blinzeln. In der Realität zucke ich bei jedem Knacken zusammen, stiere ins Gebüsch, um die Ungeheuer, die mich überfallen werden, wenigstens vorher gesehen zu haben, und werde die ganze Nacht über kein Auge zutun. Ich frage mich inzwischen: Worauf habe ich mich da nur eingelassen?! Ein Pauschalurlaub in Mallorca wäre weniger stressig.
Julia Siebert
22/02/08