Drehscheibe für den Handel zwischen den Ländern der Europäischen Union und allen Ländern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten: Das Bundesland Hessen gehört zu den wirtschaftsstärksten Regionen Deutschlands. Hessische Firmen exportieren nach Kasachstan vor allem chemische und pharmazeutische Erzeugnisse, Maschinen und Elektronikprodukte. Aus Kasachstan werden Halbwaren, Fahrzeugzubehör sowie Eisen- und Metallwaren nach Hessen geliefert. „Die Krisenjahre 2008 und 2009 bedeuten einen Einschnitt, aber mit dem Überwinden der Wirtschaftskrise entstehen neue Chancen für Handel und Investitionen“, sagt Dieter Posch, Hessischer Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung.

/Bild: Hessisches Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung. ‚Dieter Posch, Hessischer Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung’/

Herr Minister Posch, welche Vorteile bietet Hessen für Unternehmen aus Kasachstan, die Geschäftskontakte mit deutschen Partnern suchen?

Hessen ist die ideale Drehscheibe für den Handel zwischen den Ländern der Europäischen Union und allen Ländern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. Mit dem Flughafen Frankfurt bieten wir das Tor in den deutschen Markt und in den europäischen Wirtschaftsraum mit seinen 500 Millionen Verbrauchern. Hessens Wirtschaft ist von einem starken Dienstleistungssektor und sehr erfolgreichen Industrieunternehmen geprägt. Unsere Firmen zeichnen hohe Produktivität und hervorragende Innovationskraft aus. Hessische Industriebetriebe erzielen 50 Prozent ihres Umsatzes in den Exportmärkten. Damit sind sie für international ausgerichtete Unternehmen in der ganzen Welt attraktive Partner – auch für Firmen in Ihrem Land. Wer Kooperationspartner in der hessischen Wirtschaft sucht, erhält Unterstützung durch die hessische Wirtschaftsförderung. Wer ein Vertriebsbüro eröffnen möchte, erhält Hilfe bei der Standortwahl. Für die Geschäftspartnervermittlung und die Standortberatung ist die HA Hessen Agentur GmbH der kompetente Ansprechpartner.

Wer bietet den kleinen und mittleren Unternehmen aus Hessen Unterstützung beim Markteintritt in Kasachstan?

Kleine und mittlere Unternehmen unterstützen wir mit Informationen zu Marktpotenzialen, mit Hilfe beim Markteintritt durch Vermittlung von Geschäftspartnern und mit Unterstützung bei der Ausweitung der Auslandsgeschäfte. Wichtig ist die Messeförderung, mit der die Teilnahme an Auslandsmessen erleichtert wird. Wir unterstützen hessische Firmen, damit sie aus einer Position der Stärke den Handel mit den Schwellenländern ausweiten und neue Vertriebswege aufbauen können. Die Delegation der deutschen Wirtschaft für Zentralasien mit ihrem Sitz in Almaty und weiteren Niederlassungen in Astana und Taschkent bietet hessischen Firmen die Hilfe beim Markteintritt in Kasachstan und den zentralasiatischen Nachbarländern.

Gibt es in Kasachstan regionale Präferenzen und Branchenschwerpunkte?

Deutsche Firmen werden zunächst ihre Geschäftspartner in der Hauptstadt Astana und in Almaty suchen. Mit dem Rohstoffsektor, der verarbeitenden Industrie und dem Ausbau der Infrastruktur in Kasachstan ergeben sich Kooperationsmöglichkeiten für Firmen aus Hessen. Firmen der Chemie- und Pharmabranche, des Maschinenbaus und der Elektroindustrie stehen in einer guten Ausgangsposition.

Auf dem Finanzplatz Frankfurt sind mehrere russische Banken mit Repräsentanzen vertreten, zum Beispiel die VTB-Bank, die Bank of Moscow und die Sberbank. Die kasachischen dagegen fehlen noch. Wie wollen Sie trotz und gerade wegen der Finanzkrise Banken aus Kasachstan anlocken?

Frankfurt ist das führende Finanzdienstleistungszentrum des europäischen Kontinents. In Frankfurt befindet sich der Sitz der Europäischen Zentralbank. Mit der Deutschen Börse werden 90 Prozent des gesamten deutschen Börsenumsatzes am Finanzplatz Frankfurt erwirtschaftet. In Frankfurt haben 236 Bankinstitute ihren Sitz, darunter 163 Auslandsbanken und 43 Repräsentanzen ausländischer Banken. Die internationale Finanzkrise hatte ihren Ausgangspunkt in den US-amerikanischen Finanzmärkten. Es spricht vieles dafür, dass nach dem Überwinden dieser Krise der europäische Finanzplatz Frankfurt sich gestärkt dem Wettbewerb mit den Finanzdienstleistungszentren in Großbritannien, in Nordamerika und in Asien stellen kann. Wir müssen niemand locken. Banken in Kasachstan, die ihre Dienstleistungen im bilateralen Handel zwischen unseren Ländern anbieten, werden sich für Frankfurt entscheiden.

Das unterschätzte und ambitionierte Schwellenland Kasachstan agiert mitunter im Windschatten Russlands, ist jedoch in wirtschaftlicher Hinsicht manchmal schneller, flexibler, pragmatischer als sein großer russischer Bruder. Trotz räumlicher Distanz, Imageproblemen und Landesspezifika: Ist es als Absatzmarkt und Industriestandort für hessische Unternehmen interessant?

Hessens wirtschaftliche Stärke – und damit die Sicherheit unserer Arbeitsplätze – ist ganz entscheidend vom Erfolg unserer Unternehmen im internationalen Wettbewerb geprägt. Die weltweite Wirtschaftskrise hat den Wandel der Rahmenbedingungen erheblich beschleunigt. Wachstum und Nachfrage verlagern sich in Richtung der Auslandsmärkte, insbesondere der Schwellenländer. Die logische Konsequenz ist, dass unsere Unternehmen dort ihre Präsenz erweitern müssen. Dabei wollen wir die hessischen Firmen unterstützen – und damit sichern wir zugleich Arbeitsplätze in Hessen. Denn auslandsaktive Unternehmen sind in der Regel wettbewerbsfähiger, innovativer und zeigen ein höheres Beschäftigungswachstum. Russland ist mit seinen Rohstoffschätzen und mit seinem großen Nachfragepotenzial für uns von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Kasachstan und die übrigen Länder der Gemeinschaft der Unabhängigen Staaten werden für Geschäftspartner in Deutschland an Interesse gewinnen, wenn es diesen Ländern gelingt, neue Wachstumserfolge zu erlangen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Wo sehen Sie die bilateralen Beziehungen in fünf Jahren?

Mit dem Überwinden der internationalen Finanzkrise können wir an die beeindruckende Periode des Wachstums unserer Handelsbeziehungen in den Jahren 2002 bis 2007 anknüpfen. In fünf Jahren werden die nationalen Volkswirtschaften in den globalen Märkten noch enger verbunden sein. Hieraus ergeben sich Chancen für Unternehmen in Hessen wie auch für ihre Partner in Kasachstan.

Das Gespräch führte Konstantin Dallibor.

21/05/10

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