Das Wasser in Zentralasien wird immer knapper, die Böden trockener, und damit steigt auch das Risiko für zwischenstaatliche Auseinandersetzungen. Um dagegen vorzugehen, braucht es in erster Linie vertrauensvolle Messmethoden und internationale Zusammenarbeit in den Wissenschaften. Das deutsche Unternehmen I-WES zeigt dabei einen Vorstoß mit der Weiterentwicklung des Monitoringprogramms MODSNOW.

Zentralasien liegt sowohl in einer gemäßigten, als auch in der subtropischen Steppenklimazone. Die Vielfalt an bergigen und flachen, von Mischwäldern dicht bewachsenen und kargen, wüstenähnlichen Landschaften ist für jeden Naturliebhaber ein wahr gewordener Traum. Doch mit der Erderwärmung verschieben sich die Klimazonen. Die trockenen Gebiete dehnen sich aus, mittlerweile schon 100 Kilometer gen Norden seit den 1980er Jahren. In den höheren Lagen regnet es zwar häufiger, aber als Ausgleich für die heißen Sommer braucht es Schnee und Eis.

Wassermangel, Durst und Hunger, die fehlende Abkühlung und Hitzeschocks – dies alles führt nachgewiesenermaßen auch zu einer verstärkten Gewaltbereitschaft und bedroht das Miteinander der jungen zentralasiatischen Staaten. Denn wer die Macht über die Versorgung hat, entscheidet sich leicht dafür, das eigene Leben und das der eigenen Nation zu sichern. Gleichzeitig schürt es die Frustration derer, die wortwörtlich nicht an der Quelle sitzen. So kommt etwa das verbrauchte Wasser in Turkmenistan zu 94 Prozent aus dem Ausland, in Usbekistan zu 77 Prozent.

Lösungsansätze bestehen in einer sinnvollen Verteilung des Wassers. Die Initiative „Interstate Commision for Water Coordination“ (ICWC) – ein Teil des „International Fund for Saving the Aral Sea“ (IFAS) – bringt seit über 30 Jahren die fünf Staaten Zentralasiens an einen Tisch und versucht damit, soziale Unruhen und wirtschaftliche Ungleichheit aufgrund von Wasserknappheit zu verhindern. Denn wenn es ums Wasser geht, stehen internationale Kooperationen vor besonderen Herausforderungen. Die Flüsse sind vor allem im Spätsommer ausgetrocknet oder leiden unter sichtbarem Wasserverlust. Aber wie kommt das viel benötigte Wasser dann in die trocknen Regionen? Hier richtet sich der Blick auf die weißen Gipfel des Altai, Pamir und Tian Shan.

Die Bedeutung von Gletschern

Gletscher sind große Wasserspeicher, die für eine Stabilisierung der Temperatur und Ausgleich in wasserarmen Jahreszeiten sorgen. Sie sind vor allem in Regionen wichtig, in denen das Umland sehr trocken werden kann – wie in den heißen Steppen Zentralasiens. Im Sommer verdunstet das Wasser schneller und in den Bergen fällt weniger Schnee, welcher nur als temporärer Wasserspeicher dient. Gletscher bedeuten seit jeher Sicherheit – das unendliche Eis, der niemals endende Wasservorrat.

Die Kyrosphäre reagiert aber schnell auf Temperaturveränderungen, da das Eis sowieso schon nah am Schmelzpunkt liegt und somit geringste Unterschiede den Phasenübergang einleiten. Die Folge ist neben dem langfristigen Verlust des wichtigen Wasserspenders im Sommer auch das Auftreten von Erdrutschen und herunterbrechendem Geröll. Die bevölkerungsreichsten Städte Zentralasiens wie Almaty, Bischkek und Taschkent liegen am Fuß dieser Gebirge. Ihre Außengebiete und Infrastruktur könnten davon bedroht werden. Ein weiterer Risikofaktor ist das Ansteigen der Meeresspiegel. Die Wassermoleküle verlieren sich nicht im Nirgendwo, sondern finden sich an vulnerablen Küstenregionen wieder, die vermehrt von Überschwemmungen betroffen sind.

Es ist also Teil eines direkten und indirekten, weltweiten und lokalen Phänomens, wenn die Gletscher in einer bestimmten Region schmelzen. Dementsprechend benötigt es sowohl nationale als auch internationale Anstrengungen, um die Auswirkungen abzumildern.

Es gibt bereits eine kaum überschaubare Anzahl an Natur- und Umweltschutzorganisationen – staatliche Institute, NGO’s oder internationale Komitees. Die Schwierigkeit liegt in der gleichzeitigen Berücksichtigung der Staatspolitik und des Umweltschutzes nach allgemeinen, humanitären Werten. Die zentralasiatischen Staaten erkennen die Vorgaben der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und ihre Sustainable Development Goals an. Um dem Anspruch wissenschaftlich neutraler Forschung gerecht zu werden, braucht es Monitoringmechanismen, die in allen staatlichen Instituten angewendet werden. Denn ungenaue und ungleiche Messwerte können vorerst zu Vorwürfen, dann zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und Umweltkatastrophen führen.

Deutsch-zentralasiatische Zusammenarbeit

Wissenschaftliche Netzwerke, die sich international schnell und unkompliziert austauschen können, sind dafür entscheidend. Seit 2008 können Studierende aus zentralasiatischen Ländern sowie Afghanistan einen Master in „Wasserressourcenmanagement“ an der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) abschließen. Dieser wurde in Zusammenarbeit mit dem DAAD und der Freien Universität Berlin entwickelt. Im selben Jahr stärkte auch das GeoForschungszentrum Potsdam (GFZ) in Zusammenarbeit mit dem Zentralasiatischen Institut für Angewandte Geowissenschaften (ZAIAG) in Bischkek Beratungsmöglichkeiten in der Wasserwirtschaft und Umweltpolitik.

Dabei wurde auch das Monitoringprogramm MODSNOW an der Universität Stuttgart entwickelt, das nun seit 15 Jahren an hydrometeorologischen Diensten in den jeweiligen Ländern eingesetzt wird. Es dient der täglichen Kontrolle der Wassermenge in den Flüssen für zeitnahe Prognosen. Diesen Sommer hat das von Dr. Abror Gafurow 2019 gegründete I-WES (Innovative Water & Environment Solutions) in Berlin eine Weiterentwicklung des Programms in den zentralasiatischen Instituten vorgestellt, welches auch die Gletscherschmelze berücksichtigt. „In Zentralasien gibt es über 50.000 Gletscher, und brauchbare Zeitreihen gibt es von ungefähr zehn. Man weiß von ihnen aus Messungen, wie sie sich verhalten. Von den restlichen weiß man das nur indirekt, indem man das modelliert mithilfe von Temperatur- und Niederschlagsbestimmungen”, erklärt der Mitarbeiter des I-WES Friedrich Busch.

Auf einer Gletscherexpedition diesen Sommer hat das Unternehmen zusammen mit einem Mitarbeiter von Uzhydromet und Forschenden der Humboldt-Universität Berlin den Pakhtakor-Gletscher in Usbekistan begutachtet, der zusammen mit seinen Nachbarn Wasser für den durch Taschkent fließenden Chirchiq spendet. „Dieses Wasser ist im Spätsommer fast ausschließlich Wasser von Gletschern. Wären die Gletscher weg, würde es diesen Fluss nur drei Monate im Jahr geben”, bemerkt er weiter.

Dreieck aus Politik, Wissenschaft und Landwirtschaft

Zehn Monate war Busch an der Weiterentwicklung des Programms beteiligt, welches nun den weiteren Fortgang der Gletscherschmelze beobachten soll. Denn für gelungenes Wassermanagement braucht es nicht nur Langzeitstudien: „Wenn in einer wissenschaftlichen Studie herauskommt, dass im Jahr 2025 im Syrdarja zehn Prozent weniger Wasser ist, ist das für die Menschen schon eine wichtige Information, aber nichts, was sie in ihre tägliche Arbeit einfließen lassen können.“ Es braucht also neben der Voraussicht auf die nächsten Jahrzehnte auch die Möglichkeit, kurzzeitige Entwicklungen zu beobachten. Dabei entsteht auch ein Dreieck aus Politik, Wissenschaft und Landwirtschaft. „Die Wissenschaft kann der Politik verständlich machen, wie die Situation in Zukunft sein wird in Bezug auf Wasser und Temperatur, und welche guten Alternativen es gibt, und die Politik müsste dann für die Umsetzung sorgen.“

Einfacher wäre es, wenn die Programme nicht von Deutschland aus koordiniert werden müssten. „Es wäre eigentlich der Optimalfall, wenn die Leute vor Ort ihre eigenen Modelle entwickeln würden.“ Capacity Building wird das in der Fachsprache genannt. Oft scheitert es leider an Funding-Bürokratie und ausreichender Ausbildung.

In den nächsten Monaten wird sich zeigen, wie die Institute von dem Programm weiter profitieren können und ob sie damit letztendlich auch eine umweltfreundliche und vorausschauende Landwirtschaft gestalten können.

Christiane Schmidt

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