Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde, heißt es. Für viele sind Pferde eine beliebte Freizeitbeschäftigung, doch sie werden auch für bestimmte medizinische Therapieformen eingesetzt. Seit einigen Jahren zeichnet sich ein neuer Trend ab: Trainings für Führungskräfte und Unternehmen.
Der Deutsche Gerhard Krebs ist einer der Vordenker dieser Idee. Vor 22 Jahren entwickelte er das Konzept „HorseDream“ und gründete eine „Private Akademie Für Pferde, Führung und Kommunikation“ im hessischen Knüllwald. „Wir sehen Pferde als emotionale Brücke“, sagt er. Um mit Pferden umgehen zu können, müsse man sein eigenes Ego zurückstellen und Kooperationsbereitschaft zeigen. „Das Pferd interessiert es nicht, ob man einen Doktortitel hat“, so Krebs.
Sein Konzept erklärt er als einen vierstufigen Lernprozess. Ganz am Anfang gehe es darum, die Aufmerksamkeit zu schärfen. Dabei sollen die Teilnehmer der Seminare beispielsweise durch Beobachten herausfinden, welches Pferd in einer Gruppe der Anführer ist. Dann kommt es in der Einheit „Führen und geführt werden“ zum ersten Kontakt mit den Pferden. Dabei stoßen einige schon an ihre Grenzen. „Das Pferd spiegelt nicht nur das äußere Auftreten, sondern auch die innere Intension“, sagt Krebs und meint damit: Ein Pferd lässt sich kaum dazu zwingen, sich zu bewegen oder zu einem zu kommen, wenn es nicht will. Die Teilnehmer lernen dabei, auch durch Körpersprache Distanz und Nähe auszudrücken. Im letzten Schritt geht es um Zielorientierung: Schließlich müsse ein Manager stets seine Ziele, wie zum Beispiel Quartalszahlen, erreichen, sagt Krebs.
Er selbst kam erst im Alter von 40 Jahren zu den Pferden. „Meine Frau ist als Jugendliche geritten. Irgendwann wollte sie einen Reiturlaub machen. Ich hatte bis dahin gar nichts mit Pferden zu tun.“ In den 80ern hatte das Paar eine IT-Firma, arbeitete fast Tag und Nacht durch – und stand kurz vor dem Burnout. Die Pferde boten einen Ausgleich. 2004 entschloss sich der damals Mitte Fünfzigjährige, eine Ausbildung zum Pferdetrainer zu absolvieren, und gründete mit seiner Frau die European Association for Horse Assisted Education (EAHAE). Auf der Webseite beschreibt sich die Organisation als „Plattform für Information, Kommunikation, Weiterbildung, Forschung und Publikation von jeglicher Art pferdegestützter Interventionen.“ Aus europäisch ist mittlerweile international geworden. Etwa 330 Mitglieder auf allen fünf Kontinenten hat die Organisation derzeit. So auch in Almaty. Marina Bukanowa hat vor vier Jahren an einem von Krebs’ Trainings teilgenommen. Als EAHAE-zertifizierte Trainerin hat sie das „HorseDream“-Konzept nach Kasachstan gebracht.
Wer vom „Park des 1. Präsidenten“ aus mit dem Auto etwa 15 Minuten in Richtung Berge fährt, kommt zu Bukanowas Country-Club. Während Almaty– wie fast immer im Winter – in einer dicken Smog-Schicht versinkt, grasen die Pferde vor den schneebedeckten Gipfeln des Tienschan-Gebirges. Hier soll 2019 die EAHEA-Konferenz stattfinden.
Es ist ein ungewöhnliches Unternehmen, das Bukanowa aufgezogen hat. Sie legt Wert darauf, dass es den Tieren gut geht. Mehr als 50 Pferde haben auf dem 10,5 Hektar großen Gelände bisher ein Zuhause gefunden. Einige wurden sogar vor dem Schlachter gerettet. Doch die Pferde kommen nicht nur aus Kasachstan. Bukanowa geht überall auf Einkaufstour. So befinden sich unter den Pferden auch Rassen wie Sowjetisches Kaltblut, Hafflinger, Curly Horse oder Araber. Mitglieder des Clubs können sich um die Pferde kümmern und auch selbst trainieren – allerdings ist das Reiten seit einigen Jahren untersagt. Eigentlich ist Kasachstan nicht gerade für seinen Tier- und Umweltschutz bekannt. Vor allem Pferde werden als nur Arbeits- und Reittiere angesehen, ihr Fleisch ist Bestandteil vieler Nationalgerichte.
Ihr Geld verdient Bukanowa so wie Krebs vor allem mit Seminaren für Manager, wobei sich die Trainings aber nicht ausschließlich an Führungskräfte richten, sondern auch Teambuilding-Maßnahmen sein können. Große Unternehmen in Kasachstan nehmen das Angebot gerne an, wie sie erzählt. Für sie ist die Konferenz ein Anlass, zu zeigen, welche Möglichkeiten Asien im Bereich der pferdebasierten Ausbildung noch bietet. Für Krebs und einen Großteil der etwa 80 anreisenden EAHEA-Mitglieder ist es der erste Aufenthalt in Kasachstan. Doch mangelnde Sprachkenntnisse seien kein Problem, meint Krebs: „Pferde reduzieren Kommunikation auf das Wesentliche – egal, wo auf der Welt.“