Von St. Petersburg bis nach Duschanbe, von Minsk bis nach Wladiwostok haben ihn seine Recherchereisen geführt, erzählt Thibaut de Ruyter in seiner Eröffnungsrede am 19. September. Er ist einer der Kuratoren der Ausstellung „Die Grenze“, die noch bis zum 16. Oktober im Kastejew-Museum in Almaty zu sehen sein wird.
Es geht um große Fragen: Wo trennen sich Asien und Europa? Wer oder was zieht die Grenze und wie? Thibaut de Ruyter erzählt, wie viel Neues er auf seinen Reisen entdeckt hat und wie viel schwerer als gedacht es war, alles Gefundene zusammenzufügen. Aus dem ersten Titel der Ausstellung „Grenzen“ wurde schließlich „Die Grenze“. Es gehe nicht um einzelne Ländergrenzen, sondern um eine viel größere, kulturelle Grenze. Seit 2017 reist die Ausstellung durch Europa und Asien, nun ist sie auch in Almaty angekommen.
24 Kunstwerke von verschiedenen Künstlern aus Zentralasien, Osteuropa und Deutschland werden überall in den Räumen der Dauerausstellung des Museums ausgestellt. Und während man die Ausstellung besichtigt, wird klar, was der Kurator meint: „Die Grenze“ ist nicht nur territorial. Sie ist etwas viel Größeres. Sie verläuft nicht nur zwischen Ländern, sondern auch zwischen persönlichen, kulturellen, sozialen, politischen und ökonomischen Beziehungen. Sie ist ein schwer greifbares Konstrukt, das aus verschiedenen Perspektiven mit den unterschiedlichsten Ansätzen beleuchtet wird.
Die Werke der Künstler reichen von Installationen über Fotos, Videos und Zeitschriften bis hin zu einer Karaokeanlage. Letztere zum Beispiel wurde von dem Aserbaidschaner Farhad Farzaliev entworfen und versucht das eigentlich Unmögliche möglich zu machen: einen Mugham, eine traditionelle aserbaidschanische Musikform, in einen Karaokesong zu verwandeln. Es ist lustig, diese Kombination zweier Musiktraditionen auszuprobieren und den Mugham, der zusammen mit Texten und Landschaftsbildern auf dem Bildschirm erscheint, nachzusingen.
Andere Werke sind weniger lustig. Alina Kopytsa zum Beispiel hat ein Hochzeitskleid entworfen, auf dem die Korrespondenz der vergangenen fünf Jahre mit ihrem Freund abgedruckt ist. „The Wedding Dress“, heißt das Werk und zeigt die Schwierigkeiten, die sie dabei hatte, ein Visum für Deutschland zu bekommen. Um ihre Beziehung zu „beweisen“ musste sie die gesamte Korrespondenz offenlegen. Es wird unmissverständlich klar, dass Liebe manchmal nicht genug ist; dass es nicht reicht, die persönlichen Grenzen zwischen den beiden Kontinenten zu überschreiten.
Einige der KünstlerInnen sind bei der Eröffnung auch selbst anwesend. Katja Isajewa zum Bespiel ist extra aus Moskau angereist und spricht über ihr Werk „100 Pialas“. Sie selbst ist in Kasachstan geboren und als Jugendliche mit ihrer Familie nach Russland gezogen. In ihrer Installation ordnet sie Pialas, Schüsseln, die in Kasachstan traditionell zum Teetrinken verwendet werden, wie eine Karte an. Die Idee sei entstanden, als ihr auffiel, dass ihre Familie in Kasachstan die Pialas immer zum Teetrinken verwendet hatte, sobald sie aber nach Russland umgezogen waren, Tassen dafür benutzten. Nach und nach wurde aus dem Projekt mehr als nur eine Suche nach Kindheitserinnerungen. „Es gibt so viele verschiedene Geschichten, die mit den Pialas verbunden sind. Woher kommen sie, wo sind sie am Ende gelandet? Und wofür werden sie verwendet?“ Manche habe sie in Vitrinen gefunden – als exotische Souvenirs langer Reisen, andere wiederum seien normale Gebrauchsgegenstände gewesen. Auf der Karte stehen sie allesamt mit dem Boden nach oben und ergeben trotz ihrer unterschiedlichen Geschichten ein einheitliches Bild, das an viele kleine, bunte Jurten erinnert.
Nachdem man die Ausstellung besichtigt hat, kommen zu einigen Antworten vor allem viele neue Fragen. „Space: The final frontier“, zitierte Eva Schmitt, Leiterin des Goethe-Instituts Kasachstan, in ihrer Eröffnungsrede aus Star Trek. Und man denkt weiter: „Where no one has gone before.” Ist sie wirklich so massiv, diese Grenze? Und ist das, was hinter ihr kommt tatsächlich so neu und unbekannt? Wer nicht nach Antworten, sondern neuen Fragen und Perspektiven sucht, sollte sich „Die Grenze“ auf jeden Fall anschauen.