Ostern hat als christliches Auferstehungsfest viele altertümliche heidnische Frühlingsbräuche an sich gezogen. Es gibt heute noch eine Vielfalt von Bräuchen und Sitten, die von Region zu Region unterschiedlich sind. So kamen auch unsere Vorfahren nach Russland mit einer großen „Sammlung“ von Sitten und Gebräuchen. Das Osterfest hatte in allen angestammten Siedlungsgebieten der Rußlanddeutschen verständlicherweise gemeinsame Züge. Es gab aber auch regionale Unterschiede, von denen in diesem Beitrag einige umrissen werden sollen.

 << Als Tausende von Hessen mit andern deutschen Volksstämmen um die Mitte des 18. Jahrhunderts dem Ruf der Kaiserin Katharina II. nach Russland folgten, konnten sie an irdischen Gütern nur wenig mitnehmen – diese waren durch die Wirren des 7-jährigen Krieges schon zerronnen. Und was auch an seelischen Werten zerstört worden war, das Tiefste, der religiöse Glaube, Sitte und Sprache der Heimat, nahmen sie mit sich in die ferne Wüstenei des Wolgagebiets, das sie der Kultur erschließen und russischen Boden gegen mongolische Überfälle sichern sollten. Den Kampf auf Leben und Tod, den sie hier jahrzehntelang zu kämpfen hatten, konnten sie siegreich nur bestehen dank dieser seelischen Werte, die hier nicht nur gewahrt wurden, sondern in der Not der Fremde und des Aufsichselbstgestelltseins hier und da mit neuer Kraft vorbrachen“, schrieb Johannes Schleuning (Kalender 1954, Heimatbuch der Ostumsiedler).»

Ursprünglich wurden die mitgebrachten Gebräuche in den russlanddeutschen Kolonien fast unverändert gefeiert. Aber dort, wo verschiedene „Volksgruppen“ zusammenlebten, erfuhren ihre Feiern schon in der Ansiedlungszeit so manche Wandlung, wobei sie stark von den Kirchen beeinflusst blieben. Der Mittelpunkt in der Gemeinschaft war die Kirche und mit ihr die Feiertage. Es gab „staatliche Feiertage“ und kirchliche, die für Alt und Jung immer ein großes Ereignis waren und mit viel Freude und Liebe vorbereitet wurden.

Die Kirche als Mittelpunkt der Gemeinschaft – altertümliche Frühlingsbräuche lebendig

Das gesellige Leben der Kolonisten war hauptsächlich mit der religiösen Übung verbunden, und die Pflege desselben war auf den Sonntag beschränkt. Nur die Jugend fand sich auch ohne Religion, nur um sich des hoffnungsvollen Daseins zu freuen, zusammen, während die Alten es für Pflicht hielten, geselligen Zusammenkünften stets einen religiösen Stempel aufzudrücken.

Für die gläubigen Menschen – und das war die überwiegende Mehrheit der Kolonisten – war Ostern ein heiliger Gedenktag, der mit Glockenklang und Orgelton erfüllt war. Die innere Einstellung der Menschen entsprach ihrem Benehmen. Haus, Hof und Stall wurden in der Woche vor Ostern gründlich gereinigt. Die Frauen beschäftigten sich mit Hausputz, Backen und Eierfärben. Eine feierliche Vorosterstille kehrte im Dorfe ein. Die Burschen bauten Schaukeln für die Osterspiele. Die Kleinen gruben ihre „Oschterlecher“ im Garten und schmückten sie mit frischem Gras aus. Die „Wegele zum Oschterlechle“ wurden für den „Osterhaas“ mit gelbem Nischter-Sand gestreut.

Am Karfreitag, an dem der Herr ins Grab gelegt ward, sollte weder gegraben noch gepflügt werden. In dem Brauch, am Karfreitag keinen Hammer und keine Nägel zu benutzen, rührte sich ein Zartgefühl im Volk, das den Herrn nicht wieder kreuzigen will.

Das „Ratschen“ vom Gründonnerstag (Mittag) bis Karsamstag erinnerte an den Brauch der Lärmabwehr von Unholden in Urzeiten. In den Kolonien diente es als Ersatz der verstummten Glocken. Die Ratschenbuben gingen durch die Straßen, lärmen mit ihren Klappern und singen: „Wir ratschen, wir ratschen zum englischen Gruß, den jeder Christ beten muß!“ Diese Buben, die größtenteils zugleich auch Messdiener waren, wurden für ihre Arbeit nach der Auferstehung fast von jeder Hausfrau beschenkt und belohnt.

Das Verbrennen der Strohpuppen bei den Vorfrühlingsbräuchen, das den alten Winterdämon vernichten und aus seiner Glut und Asche ein neues Leben sich erheben sollte, fand ebenfalls kirchliche Symbolgestaltung in der Weihe des Feuers am Karsamstag. Das alte Licht erlischt, ein neues wird entbrannt: aus einem Stein wird der Funke geschlagen; zur Flamme entfacht, brennt es in der Kirche im „ewigen Licht“. Jedes Haus bemühte sich vom geweihten Feuer ein Scheit heimzubekommen. Man glaubte, damit das Feuer der Blitze abzuwenden. Vom gesegneten Feuer empfing auch die Osterkerze ihr Licht.

Ein schöner und alter Brauch war auch das Segnen der Speisen; nach vierzigtägigem Fasten brachten die Töchter des Hauses ein Körblein mit Osterspeisen in die Kirche. Der Pfarrer sprach die Benediktionsformel über die Speisen und segnete sie mit Weihbrunn. Dieses Gebet brachte Kraft und Gesundheit nach dem jähen Umschlag der Kost. Das Fasten von heute ist ein Kinderspiel gegen das strenge 40-tägige Fasten der früheren Zeiten.

Das Ei als Zeichen der Fruchtbarkeit

Wie überall, wurden in den Kolonien Eier gefärbt. Das Ei erscheint im Volksglauben als ein Symbol der Fruchtbarkeit: so wird z.B. in Deutschland in manchen Gegenden ein Ei beim ersten Pflügen unter den Pflug gelegt oder auf dem Felde in der ersten Furche vergraben, um dadurch die Fruchtbarkeit der Fluren zu vermehren. Die Benediktionsformel über das Ei in den Kirchen der deutschen Kolonisten enthielt eine kurze Bitte um Segen, „damit die Kreatur der Eier uns heilbringende Speise werde!“ Das Osterei – bunt und mit Sprüchlein beschrieben ist es in den Ostertagen das schlichte Sinnbild eines neuen Lebens, das aus Winterhaft und dunkler Fastenzeit tausendfach aufwacht. Auch das gegenseitige Beschenken mit Eiern ist eigentlich ein volkstümlicher Fruchtbarkeitssegen.

Oster-Eierspiele als frühlingshafte Kennenlernspiele der Geschlechter

Es hatten sich auch in den deutschen Kolonien in Russland verschiedene Eierspiele erhalten, die zum größten Teil bei Kindern eine Aufnahme gefunden hatten. Allgemein bekannt war z.B. das Eierpicken – die Wolgadeutschen nannten es „tupfen“ –, wobei zwei Jungen je ein Ei in die Hand nehmen und die Spitzen gegeneinanderschlagen. An der Beresan wurden das Eierpicken und das Eierschieben als „Schurwele“ bezeichnet. Verloren hat dabei derjenige, dessen Ei als erstes bricht oder eingedrückt wird.

Auch das Eierrollen zählte zu den Bräuchen ums Osterei. Die Spieler lassen ihre Eier einen kleinen Hügel hinunterrollen. Sieger ist der, dessen Ei am weitesten rollt bzw. unbeschädigt das Spiel überstanden hat.

Unter erwachsenen Burschen vor allem in den Kolonien in Südrussland war bis ins 20. Jahrhundert ein altes Festspiel – das sogenannte „Eierlesen“ – verbreitet, das bis heute auch in Schwaben bekannt ist. In der Bilderfolge „Ländliche Gebräuche in Württemberg“ von Johann Baptist Pflug gibt es beispielsweise auch das Gemälde „Eierlesen“. In den deutschen Kolonien beteiligte sich daran gewöhnlich das ganze Dorf. In den schwäbischen Kolonien, z.B. in Hoffnungstal, Lustdorf, Gross-Liebental (Odessa) hat sich das Spiel in verschiedener Form erhalten. Es handelte sich immer um einen Wettlauf, wobei männliche „Sammler“ die aufgelesenen Eier den auf sie wartenden Mädchen abliefern müssen. Die Spiele fanden immer zur Osterzeit statt und waren in regional bedingten Varianten verbreitet.

Auch in Bessarabien, wo die Eierleser „Springer“ hießen, wurden die Spiele von Ort zu Ort verschiedenartig gestaltet. Meistens variierten die Anordnung der Springer und die der auf Eier wartenden Mädchen. Manchmal wurden sie noch von sogenannten Wächtern begleitet. Zum Lauf wurden die Burschen oftmals mit Bändern geschmückt. Die abzulaufende „Ei erreiche“ wurde mit geschmückten Stöcken abgesteckt.

Bei den deutschen Kolonisten war der Brauch der „Eierlage“ weit verbreitet. Zwei Männer traten bei einem Laufwettkampf gegeneinander an. Einer musste 100 rohe Eier, die in einem Abstand von einem Meter ausgelegt waren, einsammeln: Die Eier wurden einzeln aufgehoben und sofort zum Korb getragen. Der Andere musste in der gleichen Zeit einen 5000 Meter langen Lauf ums Dorf absolvieren. Gewonnen hat natürlich derjenige, der seine Aufgabe als erster erfüllt hat.

Das Osterbrauchtum der Deutschen in der Sowjetzeit und in den Verbannungsgebieten

Selbst unter dem Druck und Verbot des Sowjetregimes konnten die deutschen Bräuche der Kolonisten nicht ausgerottet werden. Soviel man auch den Kindern in den Schulen über die „reaktionären, rückständigen Sitten“ erzählte, ließen sie sich ihre Freude nicht nehmen. Wie so oft, versuchte man das „Chrischkindl“ oder die „Rätscher“ von den Straßen zu verdrängen, was aber selten gelang.

Durch die Auflösung der Kirchen und die Vernichtung der Kirchenmänner vor allem in den seit Beginn der 1930er Jahre in den Siedlungsgebieten der Russlanddeutschen, später auch durch Aussiedlungen und Deportationen der 1941 aus den angestammten Gebieten sowie durch das Glaubensverbot seitens der atheistischen Sowjetregierung kam auch das deutsche Brauchtum der Vorfahren in seinen früheren Formen zum Erliegen. Wie der Glaube wurde auch das Brauchtum wie Weihnachten oder Ostern im Untergrund und heimlich gepflegt.
Das Osterfest wird bei den Russlanddeutschen zwar nicht mehr ganz so gefeiert, wie es bei den deutschen Kolonisten üblich war, die meisten Ostertraditionen sind allerdings doch bis heute erhalten geblieben. Zu Ostern schmückt man das Haus immer noch mit bunt bemalten Eiern und Blumen: Dekorationseier findet man auf Zweigen in Vasen oder auf Bäumen im Garten. Die fleißigen Hausfrauen backen zum Fest einen Osterkranz bzw. Kuchen in Hasen– oder Lammform.

Unvorstellbar ist das Fest ohne Ostereier: Traditionell werden sie am Karsamstag gefärbt, der deswegen auch Färbersamstag genannt wird. Zwischen Karfreitag und der Osternacht werden in der katholischen Kirche die Glocken nicht geläutet. Das Glockengeläut beginnt bei den Katholiken mit der Osternachtsfeier als Auferstehungsmesse nach Sonnenuntergang am Karsamstag. Auch in der evangelischen Kirche findet an diesem Tag zwischen 22 und 24 Uhr die Osternachtsfeier statt, die manchmal mit einer Taufe verbunden sein kann.

Eine besondere Freude war und ist das Osterfest für die Kinder: Am Ostermorgen entdecken sie unter ihren Betten gefärbte Eier und so manche Leckerbissen. Der Osterhase soll über Nacht dagewesen sein und den Kindern seine Geschenke gebracht haben.

In Schwaben und Franken wurde dem Osterhasen ein Hasengärtlein gebaut, ein Nest aus dem ersten Frühlingsgrün, aus Blumen und Moos, manchmal auch ein Spankorb oder ein kleines Weidenkorb. Der wurde am Tag vor Ostern von den Kindern mit Moos oder Heu ausgepolstert und in den Garten gestellt. In Nürnberg gab es sogar fahrbare Hasengärtlein. Im Osten Deutschlands und im Egerland ist das Osterfeld oder Osterbeet das Nest für die Eier gewesen.

Auch in vielen russlanddeutschen Familien in der ehemaligen Sowjetunion wurde dieser Brauch zur Freude der Kinder gepflegt und von Generation zur Generation weitergegeben. Weizen– oder Haferkörner wurden in einem großen Suppenteller bzw. einer Schale oder Schüssel gut angedrückt, darüber mindestens einen Zentimeter Erde gefüllt und gleich am Anfang gut gegossen, weil der erste Quelleffekt für das Gedeihen des Osterfeldes besonders wichtig war. Nach zehn bis vierzehn Tagen keimte das Getreide. Im frischen grünen Feld wurden dann die Ostereier versteckt oder auf den Ostertisch gebracht. Besonders pfiffige Eltern malten dazu noch Hasenspuren auf den Boden oder das Fensterbrett – der Osterhase war wirklich da!

Osterzeit in Deutschland – Russlanddeutsche mit dabei

Gläubige Russlanddeutsche, die in Deutschland eine neue Heimat gefunden haben, folgen in ihrer Traditions– und Brauchtumspflege dem deutschen Kirchenjahr, wo die Osterzeit einer der größten Höhepunkte ist. Auch beteiligen sich russlanddeutsche Aussiedler bundesweit an unterschiedlichen Osteraktionen, Ausschreibungen, Ausstellungen etc.

Das Ei ist das Symbol des ewigen Lebens. Es schenkt die Hoffnung darauf, dass das Leben stärker als der Tod ist.

Das Osterbrauchtum im Schwarzmeergebit 

Konrad Keller in „Die deutschen Kolonien in Südrussland“: Doch die wichtigsten Leute in der Karwoche sind (wenigstens nach ihrer Meinung) die Rätschebuwe. Nach dem Gebrauch der katholischen Kirche schweigen die Glocken (ein Sprichwort sagt: Die Glocken sind nach Rom gegangen) auf dem Kirchturm. Während dieser Zeit versehen die Rätschebuwe den Dienst der Glocken. Die Rätschebuwe sind gewöhnlich die ältesten Schüler der Pfarrschule. Jeder hat eine Rätsche, ein mit einer um ein Brettchen sich drehbaren Kurbel versehenes, hölzernes Instrument, das bei raschem Umdrehen einen grellen Ton von sich gibt. Die Rätschebuwe verteilen sich nach den verschiedenen Gassen des Dorfes und am Ende desselben angekommen, drehen sie alle zugleich ihre Rätschen, was ein großes Geräusch absetzt. Am Gründonnerstag, wenn die Kirchglocken bis zum Ostertag aufhörten zu läuten, waren es die Rätscher, die die Glocken ersetzten. Die einen mit einer Rätsch (Rätsche, Ratsche), die andern mit einer Klöpper (Klapper) ausgerüstet, zogen sie von dem Größten von ihnen angeführt, durch die Straßen und riefen die Leute zum Gebet in die Kirche. Alle paar Häuser setzten sie mit dem Rätschen und Klöppern aus, nahmen die Mützen ab und sagten ihre Verschen auf. Für diese Mühe und Arbeit holten sich die Rätschebuwe an Karsamstag nach dem Gottesdienst ihren Lohn, indem sie mit einem Korb von Haus zu Haus gingen und sangen: „Wir haben gerätscht / Für‘ s Heilige Grab, / So geben sie uns / Eine Ostergab. / Nicht so klein / und nicht so groß, / Daß uns nicht / ‚S Körbele verstoßt.“

Wenn sie dann eine Gabe (Eier oder Geld) erhalten, sangen sie: „Das ist das allerschönste Haus, Do gucken drei Engel zum Fenster raus.“ Wenn sie aber nichts bekamen, was höchst selten war, so sangen sie ganz leise: „Das ist das allerwüste Haus, da gucken drei Teufel zum Fenster raus.“

Nach dem Sammeln wurden die Gaben unter allen „Rätschern“ brüderlich geteilt. Gewöhnlich wurden die Kinder reichlich belohnt, weil sich jeder Mühe gab, ihnen mehr zu schenken, denn hinterher erzählten die Kinder immer, wo sie das meiste bekommen hatten.

Am Ostersonntag, ehe die Kleinen aufstehen, kommt der Osterhas und legt in die Osternester, welche brave Kinder am Vorabend aus Moos gemacht haben, hübsch gefärbte Eier. Für viele der kleinen Knirpse ist das Eierlegen des Osterhasen, der doch kein Vogel ist, lange Zeit ein unlösbares Problem, bis einer die Mutter einmal, mit der Schürze voll Eier zum Nest gehend, bemerkt hat. Doch die Hauptsache ist für jeden, in den Besitz der Eier zu gelangen, um das Picken und das Schurwle zu können. Sobald er seine Bescherung von den Eltern und Taufpaten erhalten, füllt er sich die Taschen mit Eiern und geht zu seinen Kameraden, um sein Glück im Eierpicken zu versuchen. Wenn es ihm glückt, kommt er abends mit Taschen und Busen voll Eier nach Hause und erzählt der Mutter freudestrahlend die Erfolge seiner Künste im Eierpicken. Aber auch das Gegenteil trifft manchmal ein, dass er ausgebeutet und bittere Tränen weinend nach Hause kommt und der Mutter seine Misserfolge klagt. Ein anderes Spiel ist das Eierschurwle. Man stellt ein Brettchen schief an eine Wand, lässt ein Ei von oben nach unten auf dem Brettchen laufen, und wenn es von der im Halbkreise gelegten Eiern eines trifft, gehört dasselbe dem Spieler. Konrad Keller, „Die deutschen Kolonien in Südrussland“, Herausgabe des HFDR e.V, 2000.

Zusammengetragen von Nina Paulsen aus den Veröffentlichungen in Publikationen der Landsmannschaft und verschiedenen Quellen. Veröffentlichungen in Publikationen der Landsmannschaft (HB 1956, HB 1990-1991, VadW 4/1956, VadW 4/1999, VadW 4/2007, VadW 5/2013)

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