Nicht erst seit dem Verschärfen der Spannungen um den Iran ist die Situation im Kaspischen Raum von höchster Aktualität. Die Region ist schon lange wegen der Vorkommen fossiler Brennstoffe im Fokus des internationalen Interesses. Außerdem bergen eingefrorene regionale Konflikte unkalkulierbares Eskalationspotential. Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und die Zeitschrift „Exclusive-Magazine“ luden daher deutsche und kasachstanische Experten zu einer Konferenz mit dem Thema „Sicherheit und Energie im Kaspischen Raum“ ein.

In ihren Einführungsworten betonte Karlygasch Jeschenowa, Chefredakteurin der Zeitschrift Exclusive, die Wichtigkeit, im Rahmen von Konferenzen Expertengemeinschaften zu schaffen, um brisanten Themen aus verschiedenen Blickwinkeln zu begegnen. Wulf Lapins, Projektkoordinator der Friedrich-Ebert-Stiftung in Zentralasien, unterstrich, dass die Konferenz dazu beitragen wird, die Situation im Kaspischen Raum besser zu verstehen, und erinnerte an die Wichtigkeit, die Aspekte Sicherheit und Energie gesondert zu betrachten. So könne man den einzelnen Problematiken eher gerecht zu werden sowie die Interdependenzen erkennen. Gleichzeitig handelte es sich für ihn um seine Abschiedskonferenz in Almaty, da er sich ab dem 1. April anderen Projektregionen zuwenden wird.

Geopolitische Rivalitäten prägen Lage im Kaspischen Raum

Besonders geopolitische Aspekte bestimmten die Vorträge sowie die Diskussion der deutschen und des kasachstanischen Gäste. Die USA, Russland, China und die Europäische Union konkurrieren um die Teilhabe an den Ressourcen fossiler Brennstoffe. Die Volksrepublik China und die EU sehen mit der Ausbeutung der kaspischen Rohstoffe vor allem die Möglichkeit, ihre Energieversorgung zu diversifizieren. Für den Westen geht es darüber hinaus auch um die Etablierung des westlichen Wertesystems, besonders die Einbeziehung der Region in die kapitalistischen Beziehungsstrukturen. Eine nachhaltige Lösung der Konflikte in der Region scheint dagegen bei einigen Akteuren nicht sehr weit oben auf der Agenda zu stehen. Chinas Devise „Wandel durch Handel“ muss nicht immer zum Vorteil der beteiligten Rohstofflieferanten sein. Auch die Position der EU ist durch Eigeninteressen einzelner Länder ambivalent. Der Einfluss der Fremdmächte auf die Region hat sich allerdings in den letzten Jahrzehnten entscheidend geändert. Während einige Akteure eine schwächere Rolle spielen und auf vergebliche Versuche, Hegemonialmacht zu werden, zurückblicken, befindet sich China als große Wirtschaftsmacht in einer besseren Position. Doch auch die Regionalmächte wie die Türkei und der Iran haben an Einfluss gewonnen und werden ihre Interessen an den Energierohstoffen verteidigen.

Eskalationsgefahr der eingefrorenen Konflikte

Die Verflechtung der Energie- und Sicherheitsproblematik macht die Lage besonders prekär. Der Kaspische Raum ist ein „Goldsack, der auf Sprengstoff liegt“, wie Moderator Dosym Satpajew, Direktor der Assessment Risk Group Almaty, es ausdrückte. Eingefrorene Konflikte, der hohe Grad der Aufrüstung der Länder sowie die Präsenz ausländischer Streitkräfte aus den USA und Russland lassen die Gefahr einer Eskalation sehr hoch erscheinen. Die geopolitischen Machtspiele der ausländischen Konkurrenten haben somit auch zu einer Verschärfung der regionalen Konflikte geführt. Ein Schlüssel zur Entschärfung dieses Pulverfasses liegt in engen Kooperationen zwischen den Ländern in der Region sowie einem Netz internationaler Beziehungen, so Wilfried Schreiber, Vorstandsmitglied der Dresdner Studiengemeinschaft für Sicherheitspolitik e.V. Berlin. Er bezeichnete die „Durchsetzung eines effizienten Multilateralismus und eine kooperative Multipolarität“ als eine „Chance für friedliche Konfliktlösungen sowie die Gewährleistung für Sicherheit und Stabilität im Kaspischen Raum“. Kasachstan folgt dieser Richtung mit seiner multivektoralen Außenpolitik. Das Land bemüht sich, ein Netz aus bilateralen Beziehungen aufzubauen sowie die internationale Zusammenarbeit, zum Beispiel durch die CICA, der „Konferenz für Zusammenarbeit und vertrauensbildende Maßnahmen in Asien“, zu fördern. Dem schlossen sich auch die anderen deutschen Gäste an und betonten, dass aktuelle Geopolitik immer Vernetzungspolitik sein muss, durch die eine Verflechtung der Beziehungen und die Diversifizierung der Handelsbeziehungen angestrebt wird.

Ungeklärter Rechtsstatus des Kaspischen Meeres

Doch die wachsende Kooperationsbereitschaft stößt auf Grenzen, wenn es um die besitzrechtlichen Ansprüche der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres auf die Ressourcen geht. Die Region befindet sich in der sogenannten „Strategischen Ellipse“ und geschätzte 75% der weltweiten fossilen Brennstoffvorkommen befinden sich im Kaspischen Meer und Umland. Die Akteure streiten sich in einer bereits über 20 Jahre währenden Diskussion, ob die Ressourcen im Gebiet des Kaspischen Meeres zu gleichen Teilen unter allen Anrainern aufgeteilt werden sollen oder ob die Anrainer nur über die Ressourcen in ihren jeweiligen Gebieten verfügen. Bei der Erschließung neuer Ölfelder wird der ungeklärte Rechtsstatus jedoch nicht beachtet und auch der Umweltschutz kommt zu kurz, was besonders vonseiten der kasachstanischen Gäste betont wurde. Doch Zukunftsprognosen können nur schwer getroffen werden. Zu sehr sind entscheidende Faktoren in Veränderung begriffen: Die Akteure, der von einer umfassenden Liberalisierung geprägte Energiemarkt sowie das Selbstverständnis der Staaten in ihrer Unabhängigkeit, dass sie zu eigenständigen Entscheidungsträgern im Konkurrenzkampf um die Ressourcen macht.

Von Melanie Frank

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