Am 15. November fand das zweite Urban Forum Almaty in der Kasachischen Akademie der Wissenschaften statt. In Vorträgen, Diskussionen und Workshops diskutierten Wissenschaftler, Vertreter der Wirtschaft und Behörden, Aktivisten und Interessierte über die Zukunft der Urbanität in Kasachstan.
Während letztes Jahr das Thema Identität Almatys im Mittelpunkt stand, ist die Überschrift der diesjährigen Veranstaltung „Resilience”. Das Wort kann mit Belastbarkeit, Anpassungsfähigkeit oder Elastizität übersetzt werden. Was sich hinter dem abstrakten Begriff Resilienz versteckt, zeigte sich im Lauf der Veranstaltung in den aufgebrachten Themen.
Einen inhaltlichen Einstieg in den Themenkomplex der Tagung bot die „Urban Forum Almaty Studie 2016“. Sulfija Abduchalikowa erläuterte dieses Forschungsprojekt, das sich mit drei beispielhaften Wohnbezirken Almatys beschäftigt. Die sozialen Strukturen der Stadtteile Orbita, Tastak und Schanyrak werden vergleichend dargestellt, woraus einige spannende Erkenntnisse gewonnen werden konnten.
Sozialer Zusammenhalt in ärmeren Bezirken
So ist laut der durchgeführten Befragung der soziale Zusammenhalt im ärmeren Schnyrak deutlich stärker ausgeprägt als in den untersuchten wohlhabenderen Stadtteilen. Hier trifft man sich laut Umfrage viel häufiger mit Freunden aus der Umgebung und ist regelmäßig bei Bekannten zu Gast. In diesem Stadtviertel leben fast ausschließlich ethnische Kasachen, die hauptsächlich als einfache Arbeiter tätig sind. Auch die Arbeitslosigkeit ist hier überdurchschnittlich hoch. Mit Blick auf die Ergebnisse der Studie gibt Abduchalikowa zu bedenken: „Wir können nicht erwarten, dass jemand von außen kommt, um unser Leben zu verbessern. Wenn wir etwas verbessern wollen, müssen wir es selbst anpacken.“
Stadtentwicklung unter der Lupe
Abgesehen von der eigenen wissenschaftlichen Arbeit bot die Konferenz Urban Forum Almaty am Nachmittag fünf Workshops, an denen sich die große Bandbreite der Veranstaltung zeigt. So diskutierten in der Session „Von einer nachhaltigen Infrastruktur zu einer architektonischen Identität” Architekten, Stadtplaner und Vertreter der Zivilgesellschaft über die Probleme und Chancen von Stadtentwicklung. Wie kann etwa eine nachhaltige Gestaltung des urbanen Raums vorgenommen werden, so dass sich die Menschen wohl fühlen und mit ihrer Umgebung identifizieren können? Wie soll etwa mit historischen Gebäuden umgegangen werden, wie können sie wiederbelebt werden? Wie können Menschen allen Alters dafür begeistert werden, sich an diesem Prozess zu beteiligen?
Staatliche Förderung vs. Staatliche Kontrolle
Ein anderer Workshop ging den „Prinzipien der Kulturpolitik postsowjetischer Staaten am Beispiel Almatys“ nach. Hier kamen Kulturschaffende wie Filmproduzenten und Schauspieler mit Personen aus dem Kulturmanagement und der Administration zusammen. Sie untersuchten die Eigenheiten der Kulturpolitik ehemaliger Ostblockstaaten und warfen einen besonderen Blick auf Almaty. Hier wird unter anderem das Spannungsfeld zwischen der Notwendigkeit von staatlicher Kulturförderung und der Befürchtung vor zu starker Kontrolle des Kulturbetriebs durch die Obrigkeit thematisiert.
Stadtgrün und Luftqualität
In der Veranstaltung „Ökologie und Landschaftsbau“ liegt der Fokus auf der natürlichen Umwelt einer Stadt. Lorraine Youds, von der University of York, Großbritannien, ist spezialisiert auf Luftverschmutzung. Sie berichtet von den neuesten technologischen Möglichkeiten, verschiedene Schadstoffe zu messen und zu analysieren. Diese Daten seien die Grundlage, um das Problem der Verunreinigung der Atemluft in der Stadt gezielt und nachhaltig angehen zu können. Weitere Beiträge zeigen die Wichtigkeit von Grünflächen und Parks in Almaty auf, in denen auch Vorschläge zur Erweiterung und Entwicklung dieser Bereiche gemacht und diskutiert werden konnten.
Eine intensive Beschäftigung mit speziellen Themen eröffneten den interessierten Teilnehmern auch drei Workshops. Hier konnte man sich in den Tag vor und nach dem Forum mit Themen wie Stadtplanung postsozialistischer Städte in Südostasien oder Social Engineering weiter in den Themenkomplex Stadt vertiefen.
Wettbewerbe, Bürgerbeteiligung
Viele Teilnehmer präsentierten Erfahrungen und Forschungsergebnisse aus aller Welt, jedoch stand die Stadt Almaty stets im Fokus der Veranstaltung. So auch in den acht Projekten, die aus den über 70 Einsendungen für den Wettbewerb „Implementierungen sozialer Projekte mit dem Ziel der Entwicklung der Stadt Almaty 2015/2016“ ausgewählt und auf der diesjährigen Veranstaltung vorgestellt wurden. So gewann der bereits 2014 gegründete Verein „Sport Concept“ mit seinem Konzept „Mass Sport“ den ersten Preis. Ziel der Initiative ist es, Freiwillige, Geschäftsleute und die Regierung zusammenzubringen, um in der direkten Nachbarschaft mit Sportplätzen und entsprechender Betreuung den Breitensport für Kinder und Jugendliche weiter auszubauen.
Ein immer wieder betontes Ziel ist die Förderung des Dialogs zwischen den Bürgern und der Verwaltung. So macht die Expertin für urbane Kommunikation aus Minsk Anna Posjank deutlich, dass die Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner ernst genommen werden müssen. Sie stellten für die Behörden wichtige Hinweise zur Verbesserung der Lebensumstände dar. Hierzu müssten die Bürger aber stärker in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Dies betonte auch der amerikanische Generalkonsul Mark Moody. „Die Almatyner lieben ihre Stadt. Viele Menschen arbeiten bereits eifrig daran, das Leben hier zu verbessern. Wir müssen uns aber weiter gemeinsam engagieren, um unseren Lebensraum für seine Bürger lebenswerter und attraktiver für Besucher zu machen.”