So heißt ein Projekt von berlinpolis e.V., das am 9. Dezember im Berliner Rathaus vorgestellt wurde. Drei Jahre lang finanzieren das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Robert Bosch Stiftung ein Vorhaben des Berliner Vereins, bei dem Studenten der Berliner Hochschulen die Patenschaft für Gymnasiasten übernehmen. Sie helfen beim Orientieren im deutschen Hochschuldschungel, bei der Wahl des Studienfaches und Fragen der Finanzierung des Studiums. Das Besondere dabei: Die meisten Studenten und Schüler sind Russlanddeutsche aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion.
„Integration als kommunale Aufgabe”, „Einwanderung als menschliche und kulturelle Bereicherung”, „gleichberechtigte Teilnahme am wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Leben”, „wechselseitige interkulturelle Öffnung” – viele gute Worte waren zu hören in den Eröffnungs- und Grußworten an diesem Abend.
Jedoch: „Am Anfang war die Tat.” – Viola Seeger von der Robert Bosch-Stiftung wollte mit dem Goethe-Zitat am Schluss ihres Grußwortes ausdrücken, dass dieses Projekt mit seinem einfachen und konkreten Handlungsansatz überfällig war. Es reicht nicht, den mangelnden Integrationswillen der Aussiedler und die nachlassende Aufnahmebereitschaft der Deutschen zu beklagen, auch Integrationsangebote wie Sprachkurse und multikulturelle Abende sind bei aller Notwendigkeit ungenügend – die Eigeninitiative der Betroffenen selbst muss aufgespürt und gestärkt werden.
In diesem Falle wurde ein Impuls gegeben und wurden die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass sich Berliner Studenten, vorwiegend „mit russlanddeutschem Hintergrund”, als Mentoren für Berliner Oberschüler mit ebensolchem Hintergrund zur Verfügung stellen, um jene einerseits zum Hochschulstudium zu ermutigen, ihnen andererseits den Zugang zu Deutschlands extrem vielfältiger und unübersichtlicher Hochschullandschaft zu erleichtern.
Sie stoßen dabei auf breiten Zuspruch, denn das Interesse der jungen Russlanddeutschen, etwas aus ihrem Leben zu machen, ist groß. 21 Studenten und 50 Schüler nehmen seit Oktober am Projekt teil, sie treffen sich regelmäßig in 20 kleinen Arbeitsgruppen, um dort über Studienorientierung und –finanzierung zu reden, ein Internetportal aufzubauen, aber auch, um einfach ihre Freizeit gemeinsam zu verbringen.
Orientierung nach dem Abitur
Am Ende des Projekts wird die Teilnahme an einer Summerschool an der Berliner Humboldt-Universität angeboten, die Jugendlichen sollen außerdem bei der Suche nach Praktikumsplätzen unterstützt werden. Die Zahl der teilnehmenden Schüler aus Berlins „aussiedlerstarken” Plattenbaubezirken Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg soll sich im ersten Jahr auf ca. 70 erhöhen. André Schmitz, Chef der Berliner Senatskanzlei und Schirmherr der Präsentationsveranstaltung im Roten Rathaus, unterstrich, dass mit dieser Arbeit gleichzeitig etwas für Bildung, Integration und bürgerschaftliches Engagement getan werde.
Die Jugendlichen selbst drücken es einfacher aus: Ina, 25, geboren in Kasachstan und seit 15 Jahren in Deutschland, Studentin der Sozialpädagogik an der Freien Universität Berlin, kann sich noch gut an ihre Orientierungslosigkeit nach dem Abitur erinnern. „Ich stand einem Problemgefüge gegenüber, bei dessen Erkundung ich gern einen Mentor gehabt hätte.” Ihr Motiv für die Arbeit als Mentorin liegt in dieser eigenen Erfahrung begründet. Wolfgang, auch in Kasachstan geboren, ist seit drei Jahren in Deutschland und studiert BWL. Er findet, dass russlanddeutsche Jugendliche an deutschen Unis unterrepräsentiert sind und möchte etwas dagegen tun.
Langfristige Zukunftsplanung für Russlanddeutsche
Kristina aus Omsk, Gymnasiastin in der 13. Klasse, erinnert sich ungern an die Zeit nach ihrem Abitur. Das hat sich jetzt geändert – sie ist sehr dankbar für die Hilfe durch ihre Mentoren. Irina, Julia und Natalia kamen erst vor einem Jahr aus Russland; sie beklagen Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme mit einheimischen Gleichaltrigen. Die Arbeit im Projekt gibt ihnen die Möglichkeit, ihren Freundeskreis zu erweitern. Alle drei gehen erst in die 10. Klasse und haben noch etwas Zeit bis zum Studium, sie nutzen die Arbeit im Projekt zur langfristigen Zukunftsplanung. Unbedingt wollen sie die Chancen nutzen, die ihre Eltern ihnen mit dem Umzug nach Deutschland eröffnet haben.
Die drei Initiatorinnen und Mitarbeiterinnen im Projekt, Katja Wrede, Julia Steinach und Julia Gerometta, wünschen sich, dass sich aus diesem Modellversuch bei erfolgreichem Testlauf ein bundesweites Netzwerk entwickelt. Viola Seeger brachte es in der Rede auf den Punkt: „Unser Land braucht jeden klugen Kopf.“
Kontakt: berlinpolis e.V., katja.wrede@berlinpolis.de
16/12/05