Deutschland ist gut im Exportieren. Deutsche Autos, Fabrikbänder und Maschinen aller Art werden auch in Krisenzeiten weltweit gekauft. Die Deutschen gelten als perfektionistisch, aber etwas unlustig. Außer im Oktober, wenn pralle bayrische Damen sich in Dirndl pressen und in München riesige Bierkrüge Millionen von Besuchern aus aller Welt servieren: Das Oktoberfest ist der kulturelle Exportschlager schlechthin. Das Intercontinental in Almaty versuchte sich dieses Jahr zum zweiten Mal am größten deutschen Volksfest.
/Bild: Julia Burkhart. ‚Jodelkönigin Andrea: Der markante Gesang entsteht durch einen Wechsel zwischen Brust- und Kopfstimme.’/
Donnerstagmorgen, Flughafen Almaty. Die Maschine aus Uralsk ist halbwegs pünktlich gelandet. Im Frachtraum hat sie über 500 Kilo Fleisch für drei Tage Oktoberfest. Mittag. Karl-Heinz Kümmel, Fleischermeister von Meat Masters Uralsk, steht in der Großküche des Intercontinental vor einem Topf mit einem halben Meter Durchmesser und versucht mit einem gigantischen Handmixer Schmelzkäse-Stücke, Zwiebeln und Paprikapulver zu „Obatzta“, traditioneller bayrischer Creme, zu pürieren. Noch vier Stunden bis zur Eröffnung. Nebenan in der hoteleigenen Backstube liegen bereits fertige Brezeln. Die letzten Lebkuchenherzen werden mit Schnörkeln und Liebesbekundungen verziert. Karl-Heinz Kümmel erinnert sich lachend: „Letztes Jahr hat die Konditorin aus Versehen ,Ich liebe mich’ statt ,Ich liebe dich’ auf die Lebkuchen gemalt.“
Bayern in Frankreich, Polen und Vietnam
Währenddessen sitzen in der Hotellobby die „Happy Bavarians“ mit dem Hoteldirektor und trinken Tee. Das neunköpfige Ensemble – Musiker, Tänzer und Jodelkönigin Andrea – ist am Vortag aus München gekommen. In den Tagen davor hatten sie Auftritte in Warschau, Paris, Hanoi. In ihren Koffern haben sie außer Akkordeon, Lederhosen, Keyboard, Kuhglocken und Peitschen auch noch ein Alphorn mitgebracht. Jo Komeyer, Bandleader, schwärmt davon, deutsche Kultur in verschiedene Länder zu tragen: „Eines der schönsten Oktoberfeste hatten wir auf den Bahamas: Pool, Sonnenuntergang und alles bayrisch dekoriert. Lederhosen bei 40 Grad.“ Deutsche oder doch eher bayrische Kultur? Im Ausland würde man da keinen Unterschied machen, so Jo Komeyer.
Kurz geratene Dirndl
Im kleinen Büro neben der Küche sitzt derweil Küchendirektor Ibrahim Yorumez und überlegt, wie groß die verkauften Haxenstücke sein sollen. „Karl, warum essen die Leute keine Haxen? Letztes Jahr wollte die niemand haben.“ Er kneift die Augen zusammen. Der Fleischermeister aus Uralsk zuckt die Schultern und brummelt verständnislos zurück: „Die Deutschen essen Haxen. Da müssen sich die Kasachen halt erst dran gewöhnen.“ Sieben Uhr, die jungen Kellner und Kellnerinen ziehen Lederhosen und zu kurz geratene Dirndl an und beziehen Position in der Festhalle des Intercontinental. An den Wänden hängen blauweiß-karierte Bahnen, auf denen in dicken Buchstaben EFES prangt – der Name des türkischen Bierherstellers und einer der Sponsoren.
Zaghaftes Schunkeln
Neun Uhr, die Gäste schunkeln zaghaft und folgen den Prosit-Anweisungen der Happy Bavarians. Der Tisch mit kasachischen Geschäftsmännern direkt neben der Bühne hat schon die dritte Biersäule geordert, als das Alphorn auf ihrem Tisch platziert wird und einer der frohen Bajuwaren kräftig hineinbläst. Begeistert fotografieren sie das exotische Instrument, aus dem eine ungeahnt feine Melodie erklingt. In der Eingangshalle duftet das Buffet nach Bratwurst und Haxen. Die Gäste reihen sich in die kleinen Schlangen ein, auch vor den Haxen: So unbeliebt scheinen die gebratenen Schweineschenkel in diesem Jahr also nicht zu sein.