DAZ veröffentlicht die besten Arbeiten des Sprachwettbewerbs „Deutsch in meinem Heimatort“. Heute stellen wir die Geschichte von Maria Tschijowkina vor.

Es war im Jahre 1943, in der Ukraine, im Dorf Mannheim. Sie hieß Emili Waldbach. Er hieß Artur Dietmar.

Es war ein Schicksal, dass sie beide miteinander teilten und trotz aller Schwierigkeiten im Leben ihre Liebe füreinander bewahrt hatten.

Eines Tages war Emili bei ihrer Freundin Helena. Sie waren seit der Kindheit miteinander befreundet und hatten sehr viel gemeinsam. Sie saßen und plauderten. Ihre Familien, ihre Häuser waren bedroht. Alle sprachen über den Krieg. Aber die Freundinnen mochten nicht über den Krieg sprechen, der ihre Seelen so stark belastete.

Und so erinnerten sich lieber an ihre Schultage. Schon bald musste Emili nach Hause gehen. Sie stand neben der Tür und zog ihren Mantel an. Plötzlich ging die Tür auf und herein kam der Bruder von Helena, Andreas. Er kam mit einem Freund nach Haus. Emili begrüßte Andreas und schaute unbeabsichtigt auf den Freund von ihm. Sie haben einander in die Augen geschaut und Emili schien es, als ob Tausende Schmetterlinge von den Blumen aufflatterten und in die Höhe flogen.

So begann die lange, schöne Lebensgeschichte von zwei jungen Menschen, die sich in einer unruhigen Zeit getroffen hatten.

Artur und Emili schmiedeten Zukunftspläne: wenn der Krieg zu Ende sein wird, werden sie eine schöne Hochzeit machen und ein großes Haus bauen. Aber sie wussten nicht, dass alle ihre Pläne durch den Krieg zerstört werden sollten.

Einige Monate später marschierte die deutsche Wehrmacht in die Ukraine ein. Eine schwierige Zeit brach an. Emili und Artur heirateten prompt. Sie fühlten, dass sie bald getrennt sein würden. Ein schweres Schicksal stand ihnen bevor. Nach zwei Monaten wurde Artur mit anderen Männern nach Deutschland geschickt. Er war ein guter Techniker.

Als sich die deutsche Wehrmacht aus der Ukraine zurückzog, mußten die Russlanddeutschen mitgehen. Emili musste mit ihrer Familie zwei Jahre in Berlin wohnen ohne eine Nachricht von Artur. Es war so schrecklich!

Zwei Jahre später wurde Emili zusammen mit anderen Deutschen nach Usbekistan in die Stadt Fergana verschleppt. Die Menschen standen in dieser schwierigen Zeit einander bei. Alle wurden wie eine große Familie. Es war nun mal eine böse Zeit! Aber Gott hat für jeden Menschen auf dieser Erde viel Gutes und Barmherzigkeit geschaffen!

Nur eines freute Emili: Niemals mehr würde sie von Artur getrennt sein, weil sie jetzt das hatte, worum es zu leben lohnt, zu lieben und zu kämpfen! Emili gebar nämlich ihren ersten Sohn und gab ihm den Namen Artur.

Die Zeit verging. Der Krieg war schon lange zu Ende. Der kleine Artur wuchs heran und wurde seinem Vater sehr ähnlich. Emili hatte noch immer noch keine Nachricht über Artur. Seit ihrem letzten Treffen waren schon 15 lange Jahre vergangen! 15 Jahre Trennung! Emili war eine schöne Frau und viele Männer wollten sie heiraten. Sie lehnte jedoch alle ab. Sie konnte keine Ehefrau eines Anderen mehr sein, solange in ihrem Herzen noch die Hoffnung lebte, dass Artur lebte und sie finden möge!

Emili wurde Krankenschwester. Neun Monate war sie im Krankenhaus beschäftigt. Eines Tages musste sie länger als sonst auf der Arbeit bleiben. Der kleine Artur saß zu Hause und bastelte einen Stuhl aus Holz. Er war ein wißbegieriger Junge, 14 Jahre alt. In der Schule lernte er gut. Da klopfte jemand an die Tür. Artur öffnete. In der Tür stand ein Mann.
Artur senior hat lange Jahre davon geträumt, irgendwann seine Liebste zu finden. Und wenn er sie finden würde, würde er sie fest umarmen, an die Brust drücken und ihr erzählen, wie er diese langen 15 Jahre ohne sie verbracht hat. Wie oft hatte er den Wunsch gehabt aufzugeben! Wie oft hatte er keine Kraft mehr gehabt! Und in diesen Augenblicken erinnerte er sich an Emili.

Sie stand vor seinen Augen und schien die Worte zu sagen: „Sieh, wie die Sterne am Himmel leuchten! Das ist unser Stern! Du wirst mich finden, weil er so leuchtet wie meine Liebe!“ Er hatte sie all die Jahre gesucht. Und endlich, als er schon keine Hoffnung mehr hatte, erfuhr er von jemandem, dass sie am Leben ist. Er fand sie in ihrer neuen kleinen Heimat, kam zu ihrem neuen Haus und hörte, wie sein Herz in der Brust schlug.

Er klopfte an die Tür. In der nächsten Minute erblickte er den kleinen Jungen. Der Junge schaute ihn an. Er sah wie Emili aus: Nase, Mund, weiche Lippen, Haare! Und erst die Augen! Seine Augen waren himmelblau! Emilis Augen waren jedoch braun!

Sie schauten sich an, so verschieden und einander so ähnlich! Artur fragte den Jungen:
„Guten Tag! Wie heißt du?“ Und der Junge antwortete: „Artur! Ich heiße Artur, wie mein Vater!“ Artur hatte sofort alles verstanden. Sie schauten einander in die Augen und umarmten sich, Artur drückte den kleinen Artur an seine Brust! Es war sein Sohn!

„Mein Vater! Ich habe so lange auf dich gewartet!“ sagte Artur. „Mein Sohn! Ich habe dich so lange gesucht!“ antwortete Artur.

Artur weinte und wurde plötzlich unruhig. Er drehte sich rasch um und erblickte Emili. Sie stand hinter ihm! Sie, die Frau, seine Liebste, die ihn von ganzem Herzen geliebt hat!
Sie hatte ihre Liebe die ganze Zeit lang über alle Schwierigkeiten hinweg bewahrt. Und nun schenkte sie ihm den größten und wichtigsten Schatz im Leben – seinen Sohn! Das ist wahrhaftig große Liebe!

Von Maria Tschijowkina

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