Von Mai bis Oktober kann man in der dunklen Jahreszeit in Almaty seltsame Wesen herumfliegen sehen. Sie fliegen mit ihren „Armen“, sie „sehen“ mit ihren Ohren und hängen sich zum Schlafen an den Zehen ihrer Hinterfüße auf. Jetzt sind diese Wesen noch öfter zu sehen: in Parks, Hinterhöfen und sogar in Wohnungen…
Viele Bewohner der Stadt Almaty haben Angst, die Fenster in der warmen Jahreszeit abends zu öffnen. Besonders jene, die in höheren Stockwerken wohnen. Nein, nicht dass sie sich vor dem Wind oder vor Insekten fürchteten, aber vor Tieren, die fliegen können – Fledermäusen.
„Mit Beginn des Frühlings bis zum November sind die Fenster in meiner Wohnung offen. Ich brauche immer frische Luft. Die Fenster sind nur geschlossen, wenn ich aus dem Haus gehe“, erzählt Olga Witzke aus Almaty. „Und fünf bis sechs Mal pro Monat besuchen mich diese kleinen ungeladenen Gäste. Etwa eine Stunde lang versucht dann unsere ganze Familie, sie zu fangen und wieder freizulassen, aber sehr oft klappt das nicht. Die Fledermaus fliegt, wohin sie will, in alle Zimmer, auch in die Küche. Das Tier versteckt sich in den Möbeln, und es ist unmöglich, es zu finden.“
Während dieser Besuch für Olga ganz normal ist, gibt es auch Leute, die große Panik machen. Viele sind davon überzeugt, dass Fledermäuse gefährlich sind und töten deshalb die Tiere. Andere glauben, dass Fledermäuse kleine Vampire sind, die Blut suchen. Oder wie Mäuse und Ratten Infektionen und Krankheiten verbreiten.
„Die Fledermäuse haben nichts gemeinsam mit gewöhnlichen Mäusen. Während Mäuse nur ein bis zwei Jahre leben, haben Fledermäuse mit bis zu 30 Jahren ein viel längeres Leben. Sie sind ganz andere Tiere, erzählt der wissenschaftliche Mitarbeiter vom Institut für Zoologe Raschid Schaimardanow. „Die Fledermäuse, die wir in der Stadt sehen, sind gar nicht gefährlich. Sie sind Zwergfledermäuse, was bedeutet, dass die Tiere mit Menschen zusammenleben. Die Menschen wohnten vor Jahrtausenden in Höhlen und die Fledermäuse mit ihnen. Jetzt bauen die Menschen große Gebäude, und die Tiere verwenden sie als Zufluchtsorte. Sie wohnen in den Ritzen der Hauser, Dächer, Bäume. Die Fledermäuse fliegen nicht absichtlich in die Wohnungen, das kann zufällig sein. Wenn es warm ist, suchen sie kühle Orte“, so Schaimardanow.
Fledermäuse als Sanitäter
Man sagt, wenn in der Stadt Schwalben fliegen, bedeutet das, dass die Menschen noch frische Luft atmen. Genauso ist es mit Fledermäusen. „Wir dürfen uns freuen“, überzeugt Raschid. „Wenn diese Tiere noch mit uns in der Nachbarschaft leben, sagt das einiges darüber aus, dass es in der Luft noch genügend Sauerstoff gibt. Momentan jedoch leben in der Stadt nicht so viele Fledermäuse. Vor 50 bis 70 Jahren hatten wir eine ganz andere Situation. Und sie werden heutzutage immer weniger. Sie sterben aus oder werden von Menschen getötet. Man darf Fledermäuse nicht töten! Man sollte sie mit einem Tuch oder Handschuh fangen und freilassen“.
Zoologen bezeichnen Fledermäuse auch als Sanitäter. Sie reinigen die Stadt von Insekten. „Wir müssen diesen Tieren eigentlich dafür danken“, lacht Raschid.
Interessant ist, dass nicht alle Bewohner von Almaty wissen, dass Fledermäuse um uns herum existieren. Denn sie sehen sie einfach nie. Das kann zwei Gründe haben. Die Zwergfledermäuse Almatys leben am ehesten in alten Gemäuern und alten Häusern. „Diese Tiere leben dort, wo sie geboren sind. Das Leben ihrer Stammeltern hat in der alten Stadt begonnen. Die heutigen Fledermäuse leben weiter in diesen alten Häusern. Deshalb ist es schwer, Fledermäuse in neuen Wohnanlagen und Gebäuden anzutreffen“, sagt der Zoologe Schaimardanow.
Der zweite Grund, warum einige nie Fledermäuse sehen, ist, dass sie nie genau hinsehen, was da hoch am Himmel fliegt – ein Vogel oder eine Fledermaus.
Fledermaus statt Haustier?
Diese Tiere sind so klein, dass, wenn sie ihre Flügel zusammenlegen, sie in einer Streichholzschachtel Platz finden. Aber trotzdem können sie die Menschen durch ihr Äußeres das Fürchten lehren. Besonders Frauen haben so große Angst vor Fledermäusen, dass sie sogar den Rettungsdienst rufen. Und die Retter kommen zu den Menschen, um Fledermäuse zu fangen.
Es gibt aber auch Menschen, die nicht die geringste Angst vor diesen Tieren haben. Sie halten sich Fledermäuse, dabei nicht als Gäste, sondern als Haustiere.
„Ich kenne zwei Frauen, bei denen die Zwergfledermäuse schon lange Zeit leben“, erinnert sich Raschid Schaimardanow. „Eine Frau hat eine Fledermaus auf der Straße gefunden. Das Tier konnte nicht fliegen, es war fast tot. Aber meine Bekannte hat es nach Hause mitgenommen und gesund gepflegt. Diese Fledermaus wurde so zahm, dass sie die Frau nicht mehr verlassen und in ihrer Wohnung bleiben wollte. Sie schlief auf der Schulter ihrer „Pflegemutter“. So kann es zugehen! Zwischen den Menschen und den Fledermäusen können auch sehr gute Beziehungen herrschen!“