Das Österreichische ist so manchem Deutschen ein großes Mysterium. Der Grund dafür ist nicht nur die Aussprache, sondern auch allzu oft das andersartige Vokabular. In unserer Reihe Österreichisch für Anfänger bemüht sich Rafaela Lobaza, gebürtige Österreicherin, einen Einblick in das Sammelsurium der österreichischen Wörter und Phrasen zu bieten, die einem Deutschen wohl eher unbekannt sind. Diese Woche widmen wir uns dem Wort „Fetzn“.
Fetzn ist mit Sicherheit eines der am vielfältigsten einsetzbaren österreichischen Wörter. Zum einen kann Fetzn soviel wie Putzlappen bedeuten. Daran angelehnt sind wohl auch Sätze, in denen wir das Wort Fetzn verwenden, um Kleidung zu beschreiben. Meistens meinen wir damit hässliche Kleidung oder wir wollen der Aussage aus irgendeinem anderen Grund einen abwertenden Beigeschmack geben.
In der Schule kommt der Fetzn nicht nur in Form von Putzlappen vor; man kann ihn auch bekommen. In diesem Kontext bedeutet das Wort dann wieder etwas anderes: Ein Fetzn in der Schule ist ein Fünfer (eine Fünf) und das ist hierzulande die schlechteste Note, die ein Lehrer einem Schüler geben kann.
Was die Sache noch komplizierter macht, ist, dass „einen Fetzn haben“ sich nicht nur auf die Schulnote beziehen kann. Auch ein schwer betrunkener Mensch hat einen Fetzn. Und interessanterweise sagen wir auch von einer sehr verkaterten Person, dass sie einen Fetzn hat.
Zu guter Letzt können wir fetzn auch als Verb verwenden. Meistens bedeutet das dann soviel wie schmeißen oder achtlos irgendwohin werfen. Wenn sich allerdings zwei Leute fetzn, heißt das einfach, dass sie gerade einen heftigen Streit haben.
Mit dem Wissen, das wir uns jetzt über das Wort Fetzn angeeignet haben, sollte folgende Aussage nun auch für einen Deutschen verständlich sein: „Gestern hat der Peter wieder so einen Fetzn ghabt. Er hat sich nämlich zmittag mit seiner Frau gfetzt, weil sein Bua wieder einen Fetzn in Mathe heimbracht hat.“